Full text: St. Ingberter Anzeiger

Anterhaltungsblatt 
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St. Ingberter Anzeiger. 
Nr. 1I27. Donne⸗stag, den 12. Oetober 
1871. 
Ein böses Gewissen.“* 
Novelle 
von Ewald August König. 
Wort, „und sich auf eine Abwesenheit von 
mindestens drei Monaten vorbereiten. Hören 
Sie mich an. Ihr Herr hat in Amerika ge⸗ 
wohnt und dort, wie ich durch den Mörder 
erfuhr, ein sehr eintiägliches Häutegeschäft be⸗ 
trieben. Man hielt ihn für reich, für sehr 
reich sogar, und ich vermuthete, daß er sein 
Vermögen in Amerika zurückließ und die Ab⸗ 
cht hegte, wieder dorthin zurückzukehren, so⸗ 
bald er hier Alles geordnet hatte.“ 
Der Ackerer nickte, ihm leuchtete diese Au⸗ 
sicht vollkommen ein. 
„Nun behauptet der Mörder, daß er in 
den Taschen seines Opfers keinerlei Werthpa⸗ 
piere, sondern nur eine Börse mit Gold ge— 
üllt, einen Paß und verschiedene Briefe von 
Ihnen gefunden habe. Dies macht die Rich⸗ 
iigkeit meiuer Vermuthung noch wahrscheinli— 
her Um iedoch zu wissen, wie groß dieses 
Vermögen ist und überhaupt, um dieses Ver—⸗ 
mögen dem Sohne des Ermordeten zu sichern, 
muß Jemand nach Amerika reisen, und dazu 
jabe ich Sie aus rsehen. Einen Paß und 
Beld habe ich mitgebracht, die nöthige Voll- 
macht sende ich Ihnen gleich nach der Hoch⸗ 
jeit der jungen Leute nach. Angenommen, daß 
diese innerhalb der nächsten vierzehn Tage 
tattfindet, so würden Sie bis dahin Zeit 
zenug haben, sich nach den, Verhältnissen 
Ihres Herrn zu erlundigen. Ein Empfehlunigs- 
scchreiben an unsern Konsul finden Sie bei 
Ihrem Passe, er wicd Sie nach Kräften 
unterstützen.“ F 
„Wann muß ich abreisen?“ fragte der 
ckerer. — — — 
„Spätestens übermorgen.“ 
(Fortsetzung.) 
Kein Wort des Kummers kam über die 
Lippen des Aderers, auch Gottfried schwieg, 
fie hatten Beide zu viel verloren, um die 
Größe ihres Verlustes in Worte fassen zu 
dönnen. Als der Ackerer vom Friedhofe zu⸗ 
rückkehrte, schloß er sich in sein Schlafzimmer 
ein, Niemand erfuhr, was er dort that. Als 
er nach Ablauf einer Stunde heraustrat, war 
sein Gang so aufrecht, sein Blick so sicher 
und seine Stimme so fest wie vor Jahren, 
er sah die Bücher nach, ordnete das Nöthig! 
jür die bevorstehende Ernte an und durch⸗ 
wanderte Haus und Stallung, üherall nach dem 
Rechten sehend. 
Am Abend dieses Tages trat der Doktor 
Schacht in das Wohnzimmer des Ackerers. 
Schulz war erstaunt, den Juristen in seinem 
Hause zu sehen. 
Können Sie für den Sohn Ihres Herrn 
eine weite Reise unternehmen ?“ fragte der 
Advolat, nachdem er sich gesetzt hatie. 
„Wenn sie nöthig ist und kein Besserer 
dazu gefunden werden kann, so bin ich bereit,“ 
entgegnete der Ackerer ruhig. „Zwar befinden 
wir uns jetzt in der Ernte und es wäre mir 
lieb, wenn die Reise bis zum Herbst aufge⸗ 
schoben werden könnte.“ 
„Sie müßten längstens innerhalb drei 
Tagen aufbrechen,“ fiel der Advokat ihm in's