Full text: St. Ingberter Anzeiger

thilde sich mit Ernst verlobt haite, war ihm 
sein eigenes Kind fremd geworden, die Liebe 
zu seinen Schatzen überwog die des Baters 
zu seinem einzigen Kinde. Mathilde widmete 
sich jetzt ja auch nur dem Geliebten, der Va— 
ter mußte zurückstehen und dies erhöhte die 
Bitierkeit im Herzen des alten Mannes. Ernst 
war ihm verhaßt, er hatte geschworen, nie 
die Schwelle seines Kindes übertreten zu 
wollen, wenn es jenem Mann folgte, und 
nun er sah, daß dies geschah, daß mit der 
Hochzeit das Band zwischen ihm und feiner 
Tochter reißen mußte, fügte er sich in die 
Trennung und hielt sah dafür an der Liebe 
zu seinem Gelde schadlos. 
Der zur Hochzeit bestimmte Tag erschien. 
Mathilde hatte den Vater gebeten, ihr eine 
kleine Summe zur Aussteuer zu bewilligen, er 
weigerte sich, diese Bitte zu erfüllen. 
„Nicht einen rothen Pfenning,“ sagte er; 
„Du hast gegen meinen Rath Dich dem 
Bettler an den Hals geworfen, nun sieh 
zu, wie Du in der Bettlerwirthschaft fer⸗ 
lig wirst.“ 
Maͤthilde ahnte, welcher Haß gegen Ernst 
das Herz dieses Mannes erfüllte und daß 
ein dunkles Geheimniß über dem Vater 
schwebte, welches sie nicht zu ergründen ver⸗ 
mochte. Denn woher lonnte dieser Haß rühren? 
Durch welche Mittel hatte der Advokat die 
Einwilligung des starrköpfigen Mannes er⸗ 
hallen 7 — Das Mädchen bebte vor diesem 
cGeheimnisse zurück, so gern es auch einen 
Blick in das Dunkel geworfen hätte, Die 
Hartherzigkeit des Vaters erbitterte fie, und 
Hatei und Kind wurden durch die Hachsucht 
und den schmutzigen Geiz des Rentners einan⸗ 
der frend. 
Ernst beruhigte seine Braut durch die 
Mittheilung, er besitze genug, um die Bedürf⸗ 
nisse der kleinen Haushaltung bestreiten zu 
köunen, er sei nicht so mittellos, wie Krämer 
zlaube, und wenn auch Mathilde für die 
erste Zeit manche Bequemlichkeit entbehren 
müsse, so werde sie dafür in dem Gedanken, 
einen eigenen Heerd zu haben, und in seiner 
Liebe Entschädigung finden. Diese Znsicherung 
erfüllte das Mädchen mit neuem Muth, es 
benutzte einen Theil seiner Ersparnisse, die 
sich nahe an tausend Thaler beliefen, zur 
Anschaffung der Aussteuer und sah dem Hoch 
zeitstage, wenn auch nicht mit der Freud 
einer glücklichen Braut, so doch ruhig und 
mit der Hoffnung auf eine glückliche Zukunft 
entgegen. 
Auf besonderen Wunsch des jungen Paares 
wurde dasselbe im Gasthofe getraut, der 
Rentner war als Zeuge zugegen, zog sich aber 
dleich nach der Ceremonie in sein Zimmer 
zurüc. Als am Abend der Wagen vorfuhr, 
welcher die jungen Eheleute zum Bahnhofe 
bringen sollte, rief der Adrokat seinen Freund 
in ein Nebenzimmer. „Du wirst also nach 
acht Tagen in Deinem nunmehrigen Wohn⸗ 
orte einlreffen,“ nahm er das Wort, bis dahn 
ist dort Alles in bester Ordnung. Deine 
Mutler reist morgen dahin ab, Helldau kommt 
innerhalb drei Tagen nach; Du siehst also 
bei Deiner Ankunft gleich wieder ein bekann— 
tes Gesicht. Helldau wird Euch an der Bahn 
empfangen und zu Eurem Hause geleiten, den 
Kaufakt, sowie die Summe, welche ich Der 
versprach. übergibdt Dir die Mutter. Jetzt 
reise in Gottes Namen, ich werde über Deinen 
Schwiegervater wachen und Dir von Zeit zu 
Zeit schreiben, wie es hier aussieht. Ver 
giß auch mich nicht, denke, daß Du 
in mir einen treuen, aufrichtigen Freund 
besitzest.“ 
Ernst schloß gerührt den Freund an seine 
Brust. „Wie soll ich Dir danken“ — 
„Still, still, fuhr der Advokat, ihn un⸗ 
terbrechend, fort, „mit dem Dank mag es 
sein Bewenden haben, bis alles in Otdnung 
ist, erst nach Vollendung des Werkes kann 
man den Meister loben. Aber diese Vollmacht 
könntest Du noch unterschreiben, bevor Du 
abreisest, sie ist wichtig und dringend.“ 
Ernst nahm eine Feder vom Tische und 
warf einen Blick auf das Papier. „Für Kon⸗ 
rad Schulz 7“ fragte er. 
„Ja, für ihn,“ drängte der Advokat; un⸗ 
terzeichne, Deine Frau wird schon ungeduldig, 
es ist die höchste Zeit, daß Ihr abfahrt, 
wenn Ihr den Zug noch erreichen wollt.“ 
Ernst unterschrieb. „Ich will Dir noch 
nicht danken,“ versetzte er, dem Freunde noch⸗ 
mals die Hand reichend, „die Zeit ist jetzt 
zu kurz dazu, aber wenn ich es auch in Worten