Full text: St. Ingberter Anzeiger

„Ich bedaure; Miß Lloyd,“ daß. mir die 
Anfgabe der Preisvertheilung ward, denn der 
bloße Anblick der Gabe wird Ihnen verhaßt, 
wenn meine Hand sie bietet.“ Ich werde mich 
unwohl erklären und das ist nicht einmal un⸗ 
wahr, denn es birgt wohl Niemand ein 
schwereres Herz unter lächelnder Maske.“ 
Genevra warf bei seiner Annäherung 
stolz das Haupt zurück, dennoch sprach der 
Pathos feiner Worte ihr zum Herzen 
IIch will Sie nicht vom Feste vertreiben, 
ich will nur Ihrer Gesellshaft ledig sein, und 
wenn ich eine drohende Haltung annehme, ist 
sie einfach defensiv.“ —— 
„O daß Sie wüßten, wie verhaßk auch 
mir all das ist, was Sie mir zur Last legen,“ 
flüsterte Cuhbert bittend. „Ich hoffe das, 
Lord Cuthbert, hoffe es von Herzen. Machen 
—AVV 
Kummer, ich werde ihn ohnedin nicht lange 
beachten, und folglich ist es gleichgültig, wer 
ihn mir gibt. 
Sie wandte sich und Vord' Lyle? trat 
zurüuke. 
Und es war doch seine Hand, welche die 
Lotbeerkrone auf das königliche Haupt legte. 
Genebra wartete kaum die Glückwünfche ihrer 
Freunde ab, daͤnn vegab sie sich zu ihrem 
vater, beklagie sich daß die spitzen Blätter 
sie unangenehm berührten und hing den Kranz 
iächelnd an seinen Arn. 5555. 
Lord Cuthbert sah es und preßte krampf⸗ 
haft die Hände zusanmen. 5, 
„O es ist gerechte Strafe, gerechte Sühne 
zu wissen, daß der eine hohe Preis, für den 
ich Alles; Alles gäbe⸗ mir genommen ist, nur 
weil ich Cuthberi Lord Lyle bin.“ 
VII.. 
Ein Engländer, Mr. Boyd, ließ in einem 
Gasthofe zu Messina unvorsichtiger Weise einige 
Worte über die Erbärmlichleit und Tyrannei 
der Regierung des unglücklichen Sicilien fallen 
und mußte zu seinem Nachtheile erfahren, daß 
der gekrönte Despot in allen Schichten der 
Gesellschaft vom Bettler und Fruchthändler 
bis zum Edelmann in eleganter Carrosse Spione 
zaͤhlte. 
RIn der schnellen, geräuschlosen Weise sici⸗ 
ianischen Arrestes erschienen noch am gleichen 
Adende ein paar dunkle Gestalten und ver⸗ 
angten, daß der Engländer ihnen anuf die 
nächste Polizeistation folge, von wo aus er 
sofort in Gewahrsam gebracht wurde. 
Der unglückliche Mann hatte zum Glück 
einen mächtigen Freund bei der Gesandschaft; 
es geschahen ungesäumt die geeigneten Schritte 
und die Sache löste sich in einfache Gefäng- 
aißstrafe von 10 Tagen in einem der elenden 
sterker auf, welche des feigen Despoten könig⸗ 
lichem Namen zu lebender Schmach gereichen. 
Als Mr. Boyd sich erst bezüglich der 
eigenen Freiheit sicher fühlte, gewährte es ihm 
eigenthümliches Interesse die Geheimnisse der 
düsteren Mauern zu erforschen. Der Gefäng— 
nißwärter war ihm freundlich gewogen und 
zestattete ihm selbst, daß er ihn auf seinen 
Rundgängen bei den unglücklichen Wesen, die 
nur der Tod barmherjzig erlösen konnte, be⸗ 
gleite. 
.„Schaudernd stand er aun dem feuchten, 
schluͤpfrigen Gange, der zu den unterirdischen 
Kerkern führte und blickte binab in die ewige 
Nacht. Nur einmal konnte er sich entschließen 
den Wärter zu begleiten, und die armen 
Opfer wenigstens durch die Gitter zu betrachten. 
Bei einer Kerkerthüre schien selbst der Schließer 
entsetzt. 
BGott erbarme sich! der arme Kerl geht 
schnell dem Ende zu,“ rief er, als die Thüre 
sich knarrend in den rostigen Angeln drehte, 
und stieß mit dem Fuße an ein Geschöpf das 
eher einem zusammengekauerten Thiere als 
einem menschlichen Wesen glich. Es hod das 
Haupt, o — und weich' ein schmerzliches. 
leichenartiges Antlitz zeigte sich. 
„Was gibts 4Ihr habt seit gestern keine 
Nahrung genommen. Was sehlt Euch?“ 
Laßt mich in Ruhe sterben, ich kann 
selbft um der Rache willen, das Leben nicht 
länger ertragen,“ entgegnete der Gefangene 
mit unheimlich funkelten Augen und legte den 
Kopf wieder auf den Arm. — 
(Fortseßung folgt.) 
DPyrudd ano Berlag von F. X. De en in St. Anar⸗,