zienrath Ednund Steinhöfer, der einzige Erbt
und Sohn der Sterbenden. W
Ein anderer Mann brugte sich, aufmerk⸗
jam lauschend, über das Velt;er hielt die
Hand der sterbenden Frau und schien den
Pulz zu prüfen.
„Ist's vorbei, Doctor ?“ fragte der Com—
merzienrath leise.
.Noch nmicht,“ lautete die flüsternde Er—
widerung, „doch muß bald Alles vor⸗
tei i n
Edmund unterdrückte. Einen ungedundigen
Seufzer und zog mechanisch die Uhr.Sie
zeißgte die achte Stunde.
Würnpschen Sie, daß ich bis dahin bleibe ?“
fragte der Arrft.
.. „Wenn. Sie noch irgendwie helfen könn—
ten, Doctor??:
„Meine Kunst ist zu Ende, der Tod hat
bereits sein Werk begonnen.“
.Nun, dann fahren Sie in Gottes Namen
nach Hause, lieber Freund! Sie haben Ihre
Pflicht nach allen Seiten hin erfüllt.“
Der Arzt beugte sich noch einmal über
die Kranke, sie lebte noch immet. Er bestinimte
höchstens eine halbe Stunde und empfahl sich
dem reichen Manee.
Als dieser den Wagen des Arztes fort⸗
rollen hörte, wollte er auch, ohne einen Blick
auf die sterbende Mutter zu werfen, das
Zimmer verlassen. Da wurde auf's Neue
die Thür geöffnet, ein bejah ter Manntrat
ihm entgegen und zog die Thür leise hinter
sich in's Schloß. 1* —
Es war der Anwalt und Notar Dr.
Wolff, der Schwiegerbater des Commer-
zienraths.
„Nun, mein Sohn!“ begann Jener,
„wie steht's mit der Mutter Ift sie todt ?
„Der Doctor gibt Ihr noch eine halbe
Stunde, das will gar kein Eude nehmen, ich
werde ganz nervös.·.. .:
„Geduld, mein Soͤhn !“ — lassen wir
bder guten Fran immerhin die nöthige Zeil
zum Sterben, — wir haben ja alles in
Ordnung. Das Testament sichert Ihnen das
ganze unverkürzte Erbe als einzigen Sohn,
Z gibt also keinen jüngeren Steinhöfer mehr.
O ich habe die Gäjchichte fein angelegt,
dieses Doknment kann in keincu nur irgend
dentbaren Falle angefochten werden. Und was
diesen angeblichen jüngeren Sohn, der sich
Derdinand nennt, beiri
„Ja, jaf ich habe dieseik ganzen Tag
Furcht gehabt,“ unterbrach ihn der Commer
zien ath erregt, „es ist mir alle Augenblicke,
als müsse der Verhaßte, den ich kaum mehr
lenne, hier in dieses Zimmer treten. Glauben
Sie an Ahnungen, Tränme und dergleichen,
Vater ?“ 4
Paopperlapapp!“ lachte der Anwalt,
„das sind Ammenmarchen, Spinnstubenge
spenster, — bannen See doch die Grillen und
einfältige Furcht, Herr Sohn! — Ha, lassen
Sie meinetwegen jenen Bruder. kommen,* wir
wollen ihn mit unserem Testament schou heim⸗
senden. Die Mutter hat in diesem Testamnt
ausdrücklich erklärt, daß Sie ihr einziger Sohn
und Erbe sind, daß sie folglich auch keinen
zweiten Sohn besessen hat. Man keunnt den
Burschen hier in der Stadt im Allemeinen
gar nicht, da er frühzeitig von Hause wegge⸗
kommen, er ist todt für seine Voterstadt und
soll es nicht wagen, wieder vom Tode auf⸗
zuerstehen.
Ein tiefer Seufzer, als kaͤne eine Ant—
wort aus dem Grabe, ließ ihn vlötzlich ver⸗
stummen. Beide Männer wandten sich plötzlich
um und fuhren mit einem unterdrückten Schrei
zurück.
Die Sterbende saß aufrecht in ihrem
Bette und starrte mit weit geöffneten Augen
zu ihnen hin.
„Mein Sohn! mein Sohn!“ tönte es
wie ein Hauch durch das Zinmier, dann sank
e zurüuckß.
Der Commerzienrath schüttelte sich wie im
Fiebet vor Angst und Entsetzen, während
der Notar sich schnell faßte und ohne Beben
an das Bett trat.
Er neigte sih herab und horchte aufmerk⸗
sam auf die Athemzüge der Verolichenen.
⸗Sie ist todt!“ sprach er nach einer
kleinen Pause, „danken Sie dem Himmel,
der sie in diesem Augenblicke zu sich nahm.
Es schien mir, als hätte sie nicht übel Lust
verspürt, uns noch zu guterletzt einen Strich
durch die Rechnung zu machen.“ J
„Möge sie sanft ruhen,“ murmelte der
gute Sohn, eine heuchlerische Thräne hervot⸗