zeigle ihm, daß er fie wirllich zu fürchten habe;
sie sagte ihm mit dürren Worten, daß sie ge⸗
sonnen sei, das Testament umzustoßen und ein
zweites, gerechteres zus errichten.
Der Commerzienräth lächelte und 'verließ
die kindische alte Frau, wie er sie in seinen
Gedanken nannte; er mußte sie schonen, um
sie nicht zum Aeußersten zu reizen
Doctor Wolff setzte gefällig ein solches
Testament auf und ließ es sie unterschreiben.
Sie verwahrte es sorgfältig, die gute alte
BGroßmutter. Von dieser Stunde au wurde
sie noch menschenscheuer und einsiedlerischer,
selbst den lieben Enkel wollte sie nicht meht
sehen, geschweige denn den Erzieher.
Hartmuth war vom Gegentheil überzeugt,
er ahnte die Wahrheit und konnte doch nichts
ausrichten gegen den reichen Mann; war
der Commerzienrath S einhöfer nicht einer der
würdigsten und geachtesten Männer der
Haupistadt ?
Er fühlte, wie man ihm langsam den
Boden unter den Füßen entzog, ja, wie man
sogar hartnäckig versuchte, das Kind von ihm
—
hinz nach jedem Versuche desto inniger und
fester an ihm.
Daß der Commerzienrath nach jener fürch⸗
terlichen Nacht den Mitwisser des blutigen
Geheimnisses fürchtete und, haßte, war ihm
llar, ebenso, daß er jedes Mittel benutzen
würde, ihn vollständig unschädlich ju machen,
das heißt gänzlich zu verderben.
Hartmuth war doppelt auf seiner Hut,
er schien ganz allein der Erziehung seines
Zöglings zu leben und von allem, was um
ihn vorging, keine Notiz zu nehmen. So hoffte
er. die Furcht des Mörders einzuschläfern.
Er täuschte sich, eine solche Furcht ent⸗
stammt der Nmeßs, sie ist nicht einzu⸗
ichläfern.
Monate waren verflossen, der Lenz mil
——
A. Es war ein herrlicher Maitag, der Fab⸗
rikherr feierte seinen Geburtstag, das ganze
Personal sollte mitfeiern. Die Fabrik war an
diesem Tage geschlossen.
Man fuhr auf's Land, das ganze große
Haus war verödet bis auf einen alten Comp⸗
toitrdiener. Eginhard war untröstlich darüber,
daß Hartmuth daheim blieb, er hatte keine
Einladung erhalten.
Als es Abend wurde, ging der Lehrer
aus. um noch einen Spaliergang zu machen.
Der alte Diener sah ihn fortgehen und ver—
schloß, der Sicherheit halber, die Hausthür;
er wußte, daß sich just heute große Baar—
summen im Hause befanden, doch tröstete er
sich mit dem Ungeheuer von Bulldogge, des
Herrn Liebling, welcher als sicheter Huͤter des
hauses vor dem Comptoir seinen Platz ein⸗
genommen hatte und den dicken Kopf auf
die mächtigen Tatzen gedrückt, den Schlaf des
Gerechten schlief.
Einmal schlug er an, knurrte dann, wie
er's bei einem alten Bekannten zu thun pflegte
und schlief weiter.
Der alte Dener meinte für sich, Herr
Hartmuth müsse zurückgekommen sein und
nickte ebenfalls ruhig weiter.
Dieser war indessen bei dem herrlichen
Wetter weiter gegangen, als er beabsichtigte;
die laue Nachtluft, der erste Nachtigalltuf, der
Blüthenduft des Lenzes, — Alles vereinigte
sich, um ihn in jene träumerisch-wehmüthige
A
Wirklichkeit entrückt und das Alltaasleben von
uns abstreift.
Stunde um Stunde verrann, es wurde
Mitternacht — Hartmuth befand sich mitten
in dem schönen Walde, welcher sich unmittel⸗
bar vor der Stadt ausdehnt.
Durch die dunkeln Kronen der Bäume
brach sich das filberne Mondlicht und spielte
in tausend zitternden, phantastischen Win⸗
dungen zu den Füßen des einsamen Wan—
derers.
Er mußte heimkehren und eilte mit raschen
A
Dort lag das Landhaus des Commerzien⸗
raths, wie damals in jener Schreckensnacht,
als er vom Grabe des Gemordeten zurückkehrte
vom bleichen Mondlichte beleuchtet.
Noch immer hauste in jenen Räumen die
Großmutter, die so wunderbar vom Tode
Erweckte. Hartmuth konnte der Versuchung,
sie möglicherweise sehen und vielleicht gar
sprechen zu können, nicht widerstehen.
Er schritt geräuschlos näher und spähte
forschend an den Fenstern umher. Dort hoch