Full text: St. Ingberter Anzeiger

Mil auffälliger Hast fragte et nach der nenen 
Plättern und zog sich mit ihnen auf sein 
Zimmer zurück. 
Wie seine Augen die Spalten durchflogen! 
zum ersten Male seit seiner Anlunft fühlte 
er wieder Interesse für die Welt, schlug sein 
Herz höher in der Brust. 
Oh, Gott sei gelobt!“ flüsterte er leife 
und athmete kief auf. — 
Hier stand in der neuesten Zeinung: „Der 
als Dieb und Brandstifter steckbrieflich verfolgte 
Hartmuth scheint glücklich entlommen zu sein, 
während die Uebrigen fämmtlich wieder einge⸗ 
fangen find. 
Nach ihren übereinstimmenden Aussagen 
nuß Hartmuth das Feuer zum Zweck einer 
Flucht angelegt haben, obgleich das „Wie“ 
unerklärlich bleibt, da er, wenn auch lessellos, 
doch wie die anderen Gefangenen gehallten 
wurde. Es scheint, man hat es hier mit einem 
üußerst gefährlichen Verbrecher zu thun; — 
die Polizei ist seit 14 Tagen in angestreng- 
ler Thätigkeit. Vielleicht darf sich Amerika 
auf diesen Gauner gefaßzt machen. Glückücher 
Welttheil!“/ 
Eginhard lachelte bitter, als er den Saß 
zganz zu Ende gelesen hatte. Sein Herz wollte 
sich umwenden in der Brust bei diesen Wor⸗ 
ten, welche so furchtbar den Beweis wieder 
führten, daß der Schein stets zu alten Zeiten 
die Welt regiert. 
Welches Urthell über einen Mann, den 
nur die dollische Bosheit zum Berbrecher 
gestempelt, der das gerade Gegentheil von dem 
war, was hier so frech von ihm behaupiet, 
wurde. Wie brannte es ihm auf dem Herzen, 
diesen Zeitungsschrelber zum Widerruf zu 
zwitigen / 
Der arme Knabe ahnte nicht, daß jeu 
Worie von seinem eigenen Bater dictirt und 
reich bezahlt worden twaren, Ju solchen 
Dingen kickerse der Herr Commertzien⸗ 
rath nicht. 
Eginhard konnte die Moͤglichleit nicht be⸗ 
greifen, daß es Jemand ungestraft wagen 
durfte, solchen Schimpf öoffentlich auf einen 
Mann zu häufen, welcher noch durch keinen 
Rechtespruch verurtheilt worden war. Er kannte 
—& 
den Fluch des Gefangnisses nicht, der sich schon 
in der Untersuchungshaft auch dem Unschul⸗ 
digen aufbürdet. J 
Die eine Genugthuung, daß sein Freund 
glücklich entkommen sei, regte alle seine Lebens⸗ 
geister auf's Neue an. Amerika! wie dieses 
Wort in ihm, eine neue Welt eröffnete, — 
neue Hoffnungen, neue Plaäne, er vergaß, daß 
er der einzige Erbe großer Reichthümer dereinst 
werden sollte, und lebie nur in dem Gedanken, 
— aus diesem Gefänggnisse ebenfalls zu 
entlommen und zu dem Freunge zu ent⸗ 
fliehen. 
Etwas wirklich Gutes hatten diese Träume 
für ihn, sie führten ihn zum Lernen zurück, 
er warf sich mit einenn wahren Heißhunger 
auf die praktischen Wissenschaften, weil er 
dieses häufig von Hartmuth als etwas Uner. 
läßliches hatte nennen hören. 
Träume weiter, armer Knabe! Du wüthest 
amsonst gegen Deinen goldenen Käfig; — 
während Du von Freiheit träumft, schwimmt 
der Freund schon auf dem Ocean! 
6gortsetzung folgt.) 
Maunigfaltiges. 
Topographisches. Eine Zeitungs— 
redaction in Raͤpoleon (Arkansas) sagt: „Wo 
por zwei Wochen unser Bur au war, strömt 
jetzt der Mississippi dahin. Aus Achtung 
jür den Vater der Gewässer“ zogen wir aus.“ 
Eine hochbejahrte Bauersfrau trat gerade 
pot Friedrich I., als et beieiner Revüe 
Pferde wechselte. „Mütterchen, was wollt Ihr? 
fragte der Monarch leutselig. — „Nar Ihr 
Angeficht sehen und weiter nicht.“ Friedrich 
nahm einige Friedrichsd'or aus der Tasche 
und gab sie der Alten mit den Worken: „Liebe 
Mutter! seht dier auf diesen Dingen siehe ich 
weit befsser, und hier koͤnnt Ihr mich ansehen, 
o lange Ihr wollt; — ich habe jetzt niche 
Zeit, mich länger ansehen zu lassen “ 
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Druck und Verlag von F. X. De aen in St. Inobert. —