Full text: St. Ingberter Anzeiger

kommt mir ein guter Gedanke! — Jener 
Zug geht direkt nach H. 7“ fragte er einen 
Schaffre. 
„Ja es ist ein Courierzug, er geht fast 
ohne Aufenthalt weiter.“ 
‚Wie lange hält er auf der ersten Sta⸗ 
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ion 
„Fünf Minuten, auch wohl noch weniger.“ 
Frank trat in's Telegraphenbureau und 
gab eine Depesche nach der ersten Station auf. 
„Ist Ihnen Einer Ihrer Leute durchge⸗ 
brannt, Herr Frank ?“ fragte der Telegraphen⸗ 
beante, als die Depesche aufgegeben war. 
„Ein böswilliger Schuldner,“ verfsetzte 
Frank ruhig, „ich hatte hier auf dem Bahn⸗ 
hofe das Nachsehen, kam zu spät, — jetzt 
packe ich ihn in L.“ 
Ja, dem Telegraphen entkommt so leicht 
kein Sterblicher,“ lachte der Beamte und Frank 
lachte mit. 
Er benutzte in aller Gemüthsrube den 
nächsten Zug nachdem er dem Notar Wolff 
Pericht erstattet. 
VDieser lkobte seine List und gab ihm noch 
die nöthigen Jnstructionen. 
Als der Zug, mit welchem Kapitän Brandt 
nichtz Böses ahnend, nach H. fuhr, die 
ersie Station erreicht, trat ein Polizei ⸗Beam⸗ 
ter an die Coupee's und musterte genau die 
Passagiere. 
Jetzt erblicke er den Seemann, welcher 
ihm zu genau signalisirt wat und ersuchte ihn 
höflich, auszusteigen, er habe einige Worte 
mit ihm unter vier Augen zu reden. 
„Ja wohl, daß ich am Ende nicht mit⸗ 
käme,“ lachte Brandt, „ich habe mit der 
Polizei keine Geheimnisse, was wollen Sie 
bon mir??; 
„Steigen Sie aus!“ befahl jener jetzt 
barsch. 
Den Teusel auch,“ schrie der Kabitän 
jzornig, „das geht über den Spaß! Nehmen 
Sie sich in Acht, Herr! daß Sie keine Be— 
danntschaft mit meinen Fäusten machen“ 
Die Locomotive gab das Singnal zur 
Abfahrt. 
Verdammte Landratte!“ brummte der 
Seemann, sich in die Ecke zurücklehnend. 
Der Zug fetzte sich langsam in Be— 
wegung. 
ver 
„Halt!“ rief der Polizeibeamte, dem Schaff 
einige Worte zuraunend. 
Der Zug hielt auf's Neue; die Passagiere 
blickten auf den Kapitän, welchen jetzu eine 
wirkliche Unruhe packte. 
„Im Namen des Gesetzes! Sie sind 
mein Arrestant,“ rief jetzt der Polizeibeamte 
mit lauter Stimme, während der Schaffner 
die Thür wieder öffnete. 
„Herr! ist das wirklich Ernst oder ein 
schlechter Spaß?“ fragte Brandt mit vor 
Zorn fast erstidter Stimme. 
„Die Polizei spaßt nicht,“ lautete die 
harsche Antwort, „gehorchen Sie aitgenblicklich, 
oder ich muß zur Gewalt schreiten.“ 
„Vorwärts, mein Herr!“ flüsterte ein ält⸗ 
licher Offizier ihm in's Ohr. „Sie verschlim⸗ 
nern Ihre Lage durch Widerseßtlichkeit. Das 
Gesetz will Gehorsam.“ 
Der Kapitän wollte noch etwas erwidern, 
m gelindesten Falle mußte er es für einen 
Jerthum ansehen. Er bezwang seinen gerech 
len Zorn und stieg, zitternd vor innerer Er⸗ 
regung, aus. 
Schweigend ging er mit dem Beamten 
zach dem Polizerburena, wo man ihm zu 
varten befahl, bis ein Hert aus der Haupt 
tadt eingeroffen sei. 
Man kann sich die Empfindung des See⸗ 
nanns bhei diesem kategorischen Befehle den 
en, seine Fragen wurden nicht einmal beachtet, 
ondern ihm schließlich nur einfach bedeutet, 
u schweigen und das Weitere zu ge— 
värtigen. 
Nach einigen Stunden kam Frank mit 
»em nächsten Zuge an. Als die Polizei ihm 
den Kapitän präsentirte als Tenjenigen, wel⸗ 
hen er signalisirt, rief er mit glücklich ge— 
pieltenr Erstaumen: „Mein Gott, welch' ein 
Mißbegriff! wie konnten Sie diesen Herrn, 
»em die Rechtschaffenheit aus den Augen 
euchtet, arretiren ? Ich bin untröftlich über 
diesen Vorfall und weiß in der That nicht, 
vie ich Ihnen genügende Statisfaction ber- 
schaffen soll.“ 
Seht Ihr's,“ wandte Brandt fich zu 
den Beamten, „ich sagte Euch ja, hier muß 
ein Irrthum obwalten, — aber das wittert 
ogleich in jedem ehrlichen Kerl einen Spitz-