Full text: St. Ingberter Anzeiger

buben, nicht wahr, ein solcher sollie ich 
doch sein ? 
„Um Verzeihung,“ versetzte der Beamte 
etwas verdutzt, „das Signalement paßt auf 
tin Haar.“ 
Die Aleidung, ja freilich,“ lächelte Frank 
„doch beileibe nicht was Gesichl. O, ich kann 
nir diesen Irrihum nie vergeben.“ 
„Freut mich, daß es Ihnen leid thut, 
zunger Herr,“ sagte der Kapitän gutmüthig, 
„es ist kein Spaß sich so wie ein Vagabund 
in anständiger Gejellschaft behandeln zu lassen, 
ich tönnte auf Genugthuung dringen, wenn 
meine Zeit es mir erlaubte, die ist mir durch 
diesen Aufenthalt schon über die Gebühr be⸗ 
schnitien worden.“ 
.Dann freilich haben Sie lkeine Zeit zu 
verlieren,“ erwiderte Frank, „kommen Sie 
rasch, ich besorge ein Billet — wobin?“ 
Nach H.“ 
Frank eilte hinaus, der Kapitän folgte 
ihm und freute sich im Stillen über den ge⸗ 
fälligen jungen Mann, dem er das Mißver⸗ 
ständniß, welches dieser ja von Herzen bereute, 
quch von Herzen vergab. Der gute Mann 
war die meiste Zeit seines Lebens auf dem 
nassen Element und blieb somit stets ein Kind 
in den Erfahrungen des Bodens. 
„Sie reisen mit 7“ fragte er erstaunt, 
als er den gefälligen Frank mit einstei- 
nen sah. 
Mii Ihrer Erlaubniß, ja,“ verftehte er 
lächelnd, „eine unangenehme Fahrt füt mich, 
da ich einem Deserteur, für welchen man 
fälschlich Sie genommen, nachsetzen muß. Ich 
wäre untröstlich, einen Ehrenmann so lompro⸗ 
mittirt zu haben, wenn ich nicht zugleich diesem 
unseligen Irrthum das Glück Ihrer Belannt- 
schaft verdankte.“ 
„Na, lassen Sie sich nur lein graues 
Haar darüber wachsen, junger Herr!“ ver⸗ 
sehte gutmüthig tröstend der Kapitän, „die 
Sache ist einmal geschehen und damit Punk⸗ 
um. Es freut mich, daß Sie mitreifen, — 
mir graut allemal vor einer solchen Eisen⸗ 
bahnfahrt, — ich fühle mich nur sicher auf 
den Plauken meines Schiffes.“ 
Sie reisen wohl bald wieder fort d 
In acht Tagen, diesmal fällt's mir 
icht gar so schwer, die Frau reist vielleicht 
nit. Ach junger Herr, es geht nichts über 
das Seeleben.“ 
„Das glaub' ich Ihnen,“ meinte Frank, 
ich selber hatte in früheren Jahren eine 
wvahre Leidenschaft für die See, uud nur der 
ausdrückliche Wille meiner Eltern hielt mich 
zurück. Wohin, wenn ich fragen darf, geht 
die Reise 7 
„Nach den Küsten Amerika's, ich habe 
diesmal einige Passagiere zu befördern.“ 
„Sie find wahrscheinlich in X. zu Hause, 
Herr Kapitan 7* 
„O nein, mich führte aur ein Auftrag 
dorthin. Kennen Sie den Fabrikanten Stein⸗ 
höfer in X. 
„Oberflächlich, der Mann ist Millionär, 
— man munhlelt wunderliche Dinge von ihm. 
Der einzige Sohn und Erben soll ein selt⸗ 
samer Knabe sein.“ 
Kapitän Brandt sah schweigend zum 
Fenster hinaus, Frank begann von gleichgül⸗ 
tigen Dingen zu reden. 
„Apropos, junger Freund!“ wandte Jener 
sich plötzlich mit leiser Stimme zu ihm, „lann⸗ 
sen Sie früher einen jungen Mann, Namens 
dartmuth, welcher, irre ich nicht, Hauslehrer 
zeim Fabrikanten Steinhöfer war ? 
Hartmuth? — Hartmuth?“ wiederholte 
Frant, sich an die Stirn fassend, „habe ich 
den Namen nicht gehört? Wie ist mir denn, 
wurde er nicht in Verbindung eines großar⸗ 
tigen Diebstahls vor mehreren Jahren ge⸗ 
nannt? — Bitte, Herr Kapitän, lassen Sie 
mich einen Augenblick darüber nachsinnen, 
die Geschichte schwebt mir unklar in der 
Feinnerung. Richtig, richtig, so war's, ein 
zroßartiger Kassendiebstahl beim Commerzien⸗ 
rath Steinhöfer, — der Hauslehrer wurde 
als verdächtig eingezogen, es entstand Feuer 
'm Gefängniß, er entkam, wurde steckbrieflich 
verfolgt als Dieb und Brandstifter. Es soll 
ein gefährliches Subjekt gewefen fein, man 
schaudert, wenn man seinen Stand dabei in 
Betracht zieht. Der Mensch soll, wie gesagt 
wird, schlimm auf seinen Zögling eingewirkt 
daben, schade, daß er glücklich fortgelom⸗ 
men ist.“ 
„Herr! daß sind schmähliche Lügen!“ 
brauste der Kapitän auf, „Harimuth war 
sicherlich kein Verbrecher und seine Unschuld