enau wüßte, daß dem vorlauten Buben un⸗
erwegs ein Malheur zustieße, der Weg über's
Meer ist weit und tief. — Hm, nicht. un⸗
möglich, — was meinen Sie,“mein lieber
Frank ? könnte man nicht zum Beispiel irgend
tinen klugen Burschen mit der nöthigen
Courage auftreiben, welcher sich auf leichte
Art die Ueberfahrt nach Amerika, verdienen
möchte ?*
„O, das wäre keine Unmöglichkeit,“ meinte
dieser kaltblükig, „ich will mich sogleich dar⸗
nach umthun. Wir haben da einen Burschen
in der Fabrik, er ist überall im Wege, weil
er schon Moral im Zuchthauseast dirte; 4dem
Manne könnte damit geholfen werden“
„Gut, das wäre abgemacht, — nun ha⸗
hen wir noch die Frau mit dem kleinen
Meädchen, — auch diese müssen veisorgt
werden. Welchen Eindruck machte die Wittwe
auf Sie, mein befler ?“
„Einen imponirenden, auf Ehre, Doctor!
Vornehm, undurchdringlich, — schön.“
„Schön, so, so, wäre schade, wenn sie un⸗
zergehen sollie. Ich werde mich selber über—
zeugen; ist sie vernünftig, gut, dann soll fie
sich nicht beklagen.“
„Doctor, nur keine dummen Streiche,“
lachte der Procurist, mit dem Finger drohend,
unsere Sache erheischt kaltes Blut.“
„Unbesorgt, mein Lieber!“ lächelte Wolff
rynisch, „ich werde diese niemals aus dem
Auge verlieren, nur möchte ich vor allen
Dingen die Menschlichteit walten lassen.“
Frank brach in ein lautes Gelächter aus,
—V—
stimmte.
Liebster! Sie rühren mich bis zu Thrä⸗
nen,“ rief der Procurist, als er endlich wieder
zu Athem kam, „associren Sie sich doch mit
Hamlet, dann ist der Spaß vollständig.“
Nun geuug,“ sprach Wolff, „ich werde
mir die Dame mit dem imponirenden Ein⸗
druck auch einmal besehen und sie zur Ueber⸗
zabe auffordern; es wird ihre eigene
Schuid sein, wenn wir gegen sie in's Feld
rücken.“ ——
So früh, als es sich nur irgend mit der
Schidlichkett vertrug, schritt Doctor Wolff u
der Wittwe Sleinhöfer.5
*Er war ülerrascht von ihrer Erscheinung,
obgleich sie ihm im schlichten Hauskleide ent—
degentrat *
Mit der Artigleit eines geschulten Welt⸗
mannes bat er um Entschuldigung und
zab vor, von Eginhard Stinhöfer abgesandt
zu sein.
Die kluge Frau war auf ihrer Huth. das
Antlitz des Notars, welches den Stempel der
Sinnlichkeit zu ausgeprägt trug, —Herregte eine
widerliche Empfindung in ihr. Jezzt hatte sie
die Ueberzeugung, daß der Fremde vom vor⸗
hergehenden Abend ehenso gewiß ein Spion
hres Schwagers war, als der Mann, weilcher
vor ihr standd. J—
„Eginhard Steinhöfer?“ wiederholte sie
nit gutgespieltem Erstaunen, „das muß ein
Irrthum sein, mein Herr! Der Name ist
mir völlig unbekannt.“
„Ei, ei, Frau Steinhöfer! Dieser Name
väre Ihnen unbekaunt?“ fragte Wolff lä—
helnd, „doch ich verstehe Sie recht wohl.
Sie fürchten nicht mit Unrecht die Verfolg-
uingen Ihres reichen Schwagers, Sie haben
dei einer Gewissenlofigkeit vollen Grund dazu.
Fin Mann, welcher den eigenen Brnder, Ihren
Batten, Madame! aus dem Herzen der
Mutter zu verdrängen, ja, selbst aus dem
Bedächtniß der Menschen zu sösen vermochte,
am ihn seines Erbes zu berauben, ja, der
Verzweiflung und dem Tode in die Arme zu
reiben, ist wahrlich gefährlich genug, von
Ihnen, der Gattin des gemißhandelten Bru⸗
ders, gefürchtet zu werden ⸗⸗.. J
Wolff beobachtete genau den Eindruck,
velchen diese Worte auf die Frau hervor—⸗
bringen würden. Er durfte solches wohl wa⸗
zen, war doch kein Zeuge dieser furchtbareu
Beschuldigungen zugegen. —
Die Wistwe des Ermordeten wurde noch
bleicher als gewöhnlich, unwillkührlichgriff
sie nach einem Stuhl, als suche sie eine Stütze,
im nicht niederzusinken. Wie schnell sie indeß
zuch diese Bewegung mit übermenschlicher
Willenstraft niedetkämpfte, der Notar hatte sie
bemerktt und seinen Entschluß gefaßft. —
„Ich bitte Sie, mein Herr! meiner Ver⸗
sicherung, sich in meiner Person zu irren,
Blauben zu schenken,“ sprach die Wittwe
mit einer stolzen zurückweisenden Bewegung,
rich verstehe kein Wort von alledem, was