Full text: St. Ingberter Anzeiger

So sah der Commerzienrath in dem Notar 
einen dbösen Geist, welcher ihn an den Ab- 
rund des Verderbens mit sichetrer Hand ge⸗ 
lalet, um dann seiner innern Qual zu 
sponen. 
Er vergaß, daß der Plan gegen den jün⸗ 
geren Bruder —schon als Anabe selbstständig 
in seiner Brust gekeimt und giftige Blüthen 
getrieben hatte. Der Rotar Wolff brachte 
die Blüthe nur zur Frucht, das Verdienst 
hatte er dabei. 
Er ist ein Schwachkopf!“ flegte der 
Notar zu sagen, „ein Mensch von schwachen 
Nerven muß im großen Geleife bleiben, — 
die sogenannten Guten sind alle ohne Ausnahme 
nervenschwach.“ 
Er wirnd unausstehlich teizbar,“ weinte 
die Tommerzie nräthin, „wie wär's, Papa, 
wenn Du ihm In einer Reise riethest ? Er 
sehnt sich ja so sehr nach seinem Sohne!“ 
wWolleu's versuchen, Kind “ —zich bifte 
Dich indessen, Deinen Reigungen ein wenig 
geheimer zu folgen, — Dein Mann muß 
Zogh deschont werden. Du könntest mir nahe 
am Ziele noch Alles damit verderben.“ 
Du glaubst also 
Dm, ich' glaube. Dein Mann ist einer 
Zatastrophe näher als wir alauben. Etr be⸗ 
giont selbst im Geschaͤftsleben schon große Feh⸗ 
ser zu begehen. So lange er aber noch 
hann 
Ich verstehe und werde Deinen Wink 
befolgen ·. — 
Der Commerjienrath blickte seinen Schwie⸗ 
gervater, als dieser ihm zu der Befuchsreise 
zach England rieth, groß an und neigte 
dann zustimmend den Kopf. 
12. Kapitelk. 
Eginhard hatte sich in diesen letzten Jah⸗ 
ren bedeutend deräudert; obogleich erst 20 
Jahre alt, erschien er doch viel älter und ge⸗ 
reifter, der Ernst des Lebens hatte ihn schon 
frühzeitig rauh gestreift und kein Sonnenblick 
mülserlicher Liebe die Blüthen seiner Jugend 
berühtt. 
Die Genüsse einer Weltstabt wie London 
hatten ihn nicht reizen können, jede Ver⸗ 
uͤhrungskunst war spurlos an ihm abgeglitlen, 
wollte hier lernen, weiter nichts, — 
als Mann die Heimath wieder betreten, um 
auch als Mann handiln zu können, das war 
sein faster Entschuuß.. 
Dim reichen Etben hatten fich auf seines 
Vaters Namen die Thüren der Reichen willig 
gebffnet, er floh die Pracht und suchte das 
Sleub auf, um die Quelle des socialen Uebels 
du isorschen und die Noth in ihrer nackten 
westalt zu lindern. J 
Und saß er wieder einsam in seinem 
Zimmer, dann baute er an der Zukunft und 
iswarf Pläne, um dereinst in seinem Wirt . 
ingskreise das zu verwirklichen, was die Stimme 
in se ner Brust ihm befaththt. 
ülrbeit und Kapital! die heiden bedeutung · 
bollen Worte wurden auch für ihn, welcher 
dereinst über große, Mittel zu gebieten hatte, 
die Losung der Zukunft; ihre schroffen Ge⸗ 
Jensätze auszugleichen, sie harmonisch mit 
inander zu dereinen, daß sie als Freunde 
Dand in Hand mit einander das Glück der 
Henschheit gründen helfen, und das krasse 
Flend schwinde, das war das große Problem, 
voran er arbeitete, dem er sein ganzes Leben 
zu ppeihen beschloß mit sichtlichem Erust und 
heiligem Bestreben. — ein Problem, dessen 
aͤdsung das Stichwort unferer Gegenwart 
deworden nnd immer drohender im socialen 
Leben auftritt. 
Der ganze Charalter des jungen Mannes 
hatte sich bei diesem ernsten Streben schon 
früh und wunderbar gefestet, er kannte das 
ine Ziel, das große, zu dessen Erreichung 
das Geld die nothwendige Brücke bvilden 
mußte. In diesem Sinne schätzte er es hoch 
ind erlaubte sich deßhalb, so gros auch der 
Credit war, welchen der Valer ihm in Lon⸗ 
don für seine Bedürfuisse freigestellt, teine 
aäberflülsigen Ausgaben; wo ihm die Ver⸗ 
uchung, sie zu machen, nahte, erinnerte er 
sich der Armen und Elenden, und bestiumte 
mit heldenmüthiger Selhstüberwindung das 
Geld für sie, welche er seine nächste Familie 
nannte. 
Durch den Kapitän Brandt. welchem er, 
wie schon bemertt, seine genaue Adrefse durch 
vessen Frau gefandt, hatte er moch einmal 
Nachricht von Hartmuth erhalten, worin dirser 
ihm seine frühete Mahnung dringender wie