Full text: St. Ingberter Anzeiger

derhelte und zur männlichen Ausdauer auf⸗ 
forderte. * 
„Sollte das Schicksal mir die Heimkehr 
verbieten,“ so schrieb er weiter, „dann werde 
ich Dir einen Freund senden, welcher berufen 
ist, für meine Ehre aufzutreten und die Bos⸗ 
heit, welcher ich zum Opfer gefallen, zu ent⸗ 
larven. Nur dieser eine Gedanke, der Ver⸗ 
geltung und Sühne, erhält mich am Leben, 
das jeden sonstigen Reij für mich verloren 
hat. — Vergiß es nie, mein Sohn, daß Du 
den Namen, welchen Du trägst, nicht be—⸗ 
schimpfen darfst, und Kindespflichten auch ge⸗ 
gen unnatürliche Eltern zu erfüllen hast. Das 
Packet, welches ich Dir einst zur Agfbewah · 
rung übergab, wirst Du, wie ich Dir schon 
einmal geschrieben, an Deinem 21. Geburts⸗ 
tage öffnen. Du bist alsdann nach den Ge⸗ 
setzen Deiner Heimath mündig. Bis dahin 
wirst Du Näheres darüber von mir noch 
erfahren.“ 
SSo dark ich die Ehre des Freiundes 
nicht wiederherstellen,“ sprach Eginhard düster, 
als er diesez gelesen, „muß es Fremden über— 
lassen, sitrihn in die Schranken zu treten, 
wiil ich Diejenigen zu schonen habe welche 
mir die Nächsten, die heiligsten Namen sind, 
— weil ich Kindespflichten auch gegen unna⸗ 
ürliche Eltern zu erfüllen habe. Unnatürlich, 
ja wohl!“ 
Er seufzte jetzt tief auf und schlug beide 
Hände vorꝰs Geficht. — 
„Weh mir, wenn ich dereinst Alles er⸗ 
fahre,“ murmelte er, „wie viel Unheil mag 
die Vergangenheit dieses Mannes, den ich 
Bater nennen muß, bergen, wie viel zu ver⸗ 
gelten; wie viel zu sühnen sein!“ 
Als Eginhard eines Tages von seiner 
Wanderung heimkehrte, erwartete ihn sein 
Vater. 
Eginhard duldete schweigend seine Um⸗ 
armung und hörte still die Berichte aus der 
Heimath an, ohne nur ein einziges Mal nach 
seiner Mutter zu fragen, * 
Der Commerzienrath freute sich sichtlich 
der stattlichen Haltung seines Sohnes und 
fragte ihn nach seinen Bekanntschaften. 
„Mein Name wird Dir die ersten Häuser 
der Industriellen geöffnet, Dich in die ersten 
Zreise geführt haben, mein Sohn! Ich hoöffe, 
Du hast meine Empfehlungen benutzt, obgleich 
ich niemals von Dir darüber gehört habe. 
Du warst überhaupt sehr sparsam mit Deinen 
Briefen und ich zu stolz, anderswo meine 
Erkundigungen über den einzigen Sohn ein⸗ 
—X 
den Du adresfirt warst, tadelt Deinen Haug 
zur Einsamkeit, er nennt Dich einen Eremiten.“ 
„In seinem Sinne mag der gute Mr. 
Bibson Recht haben,“ versetzte Eginhard, „ich 
hasse die sogenannten Freuden der Geldklassen, 
und suche mein Vergnügen anderswo. Hier 
in London habe ich die krassen Gegensätze 
von „Arm“ und „Reich“ studirt, um sie 
dort in der Heimath in die Proxis zu 
übersetzen.“ 
„Du scheinst hier wieder der alte Narr 
geworden zu sein, mein Sohn!“ versetzte jetzt 
der Commerzienrath finster; „willst Du 
pielleicht zoischen diesen Gegensätzen den Mitt⸗ 
ler spielen ? 
zWenn Gott mir Gesundheit und Kraft 
verleiht, so hoffe ich, Deinem Namen einen 
anderen Glanz als den des Geldes zu ver⸗ 
leihen,“ sprach Eginhard mit fester Stimme. 
„Ah, Du willst vielleicht selbst das Kreuz 
der Armuth auf Dich nehmen, um das Mär⸗ 
yrerthum des Bettlers zu erringen!“ lächelte 
der Commerzienrath ironisch, ‚nun, solche 
Träume werden bald genug vergehen, wenn 
sie praktisch an Dich herantreten.“ 
GGlaubst Du denn wirklich, Vater! daß 
wir den großen Ueberfluß nur besitzen, um 
uns eine Macht zu verschaffen ?“ fragie Egin⸗ 
hard traurig, während sein Auge forschend 
an der verfallenen Gestalt des Vaters hing. 
„Und wozu denn anders 7?“ lächelte Stein⸗ 
höfer. 
„Das wäre traurig — sprich Vaterl — 
ist dieser Ueberfluß, den Du anhäufest, von 
Deiner Seite ein durchaus rechtlicher Erwerbf 
Ist denn Alles Dein unbestrittenes Eigenthum?“ 
Der Commerjzienrath erschrack so heftig, 
daß er todtenbleich wurde und an allen Glie⸗ 
dern heftig zitterte. 
GFortsetzung folgt.) 
Druch und Verlag von J. X. Demez in St. Ingbert. 
281 **