Full text: St. Ingberter Anzeiger

zu uns kam und unser Troft, unse Stütze 
wurde. Es ist doch eiwas Schoͤnes um ein braves 
Aind, und oft mußte ich bei ihrem Aublick 
an die Clara denken, welche mit ihr in einem 
Alter jein wird; ich denke, die arme Kleine 
müßte jetzt, wenn sie noch lebte, wohl ihre 
achtzehn Jahre alt sein“ 
Harimuth war bei der Erzädlung des al⸗ 
jen Seemanns aufgesprungen und schritt in 
arozer Bewegung auf und nieder. 
Uad sie leidet zwiefachen Tod,“ mur⸗ 
melte er zwischen den zusammengepreßten 
Zahnen, „alles, alli durch dieselbe verruchte 
Mörderhand!“ J 
„Wer verpflegt meine arme Muiter 9 
jragle Ferdinund mit leiser Stimme. 
., Das thut meine Marie“, versetzte der 
apitän mit einem Auflug von Stolz. „ie ist 
in die Fußstapfen meiner Seligen getreten und 
die arme Kranke hat nichts verlo ren; das 
gute Kind liebt sie wie die eigene Mutter, ja, 
pas das Rührendste dabei ist, die Kranke 
liebkoset sie oft in tuhigen Stunden und neußt 
sie Clara; sie hält fie dann für ihre verlorens 
Tochter und ist glücklich in dem Wahn. — 
Seitdem Marie sie pflegt, ist sie erst ganz 
sanft und still geworden, weßhalb das gute 
zusopferungsvolle Kind auf Wunsch des Atztes 
sich ganzlich ihrer Pflege gewidmet, seitdem ich 
meine alten Schiffsblanlen wieder betreten 
habe.“ J J 
O, die Gute!“ rief Ferdinand tief be⸗ 
wegt, lönnte ich ihr vergelten, was sie an 
der Theuren thut¶ age ihr, wenn Du 
heimkehrst, Onlel Beandt, daß der Sohn jener 
Ungidlichen ihr Bruder ist, und als solcher 
Unspruch auf Wiedervergeltung hat. 
Nun, das könutest Du ihr selber sagen, 
mein Junge schmunzelie der Kapitän, „ich 
din mit dem festen Entfchlufse herübergelom⸗ 
men, Euch Beide mib nach Europa zu nehmen. 
Ja, glotzt mich nur verwundert an, wie die 
Seehunde, es ist so, wie ich sage, uud füge 
hinzu, daß ich nur einzig und allein deßhalb 
die Reise gemacht habee... 
cherz oder Ernst, Kapitän Brandt 3 
fragte Hartunth ruhig. n 
GSnst, heiliger Ernst, liebes Freund!“ 
versetzte Jener feierlich. Ihr dürft Euch nicht 
laͤnger absperren von der Welt, während drüben 
in der alten Heimath vielleicht Mancherlei vor⸗ 
geht, wobei Idr just die Hauptperjsonen spielen 
sönntet· 
Erklaͤrt Euch deutlicher.“ 
So hört denn, Kinder!“ — Ihr erin⸗ 
nert Eeuch, daß meine Alte damals, als das 
zroße Unglück mit Ferdinand's Mutter pafsirte, 
uinser Haus verkaufte und nuch jener Stadt 
uberfiedelte, wo sich die Heilanstalt, welche die 
Mutter aufgenommen, befindet. Sie hielt es 
sür ihre heiligste Pflicht, das geringste Opfer 
fjür das Gräßliche, welches sie ihrer Meinung 
nach mit verschuldet hatte. Das arme Weid, 
was konnte sie für ihre Müdigkeit, — sie hat 
schwer gebüßt dafür. Ich mochte die Vater⸗ 
ttadt ebenfalls nicht wiedersehen und kam erst 
vor einem Vierteljahre wieder zufällig in Ge⸗ 
schäften dorthin ·“ 
Ein Polizelinspector“, fuhr Brandt 
sort, „begegnet mir auf der Straße, sieht mich 
scharf an, als witterte er wieder einmal in 
nir einen Spitzbuben wie damals. Ich will 
ingrimmig vorubergehen, da streckt er mir die 
Hand epigegen und fragt: „Sie sind Kapit än 
vraudt J 
Zu dienen, nein Hert!“ 
ommen Sie mit, ich habe Wichtiges 
mit Ihnen zu reden.“ 0 
3 Gortseßung folgt). 
Aannigfaltiges. 
Lomndeon, 30. Oct. Katzenjämmerlichen 
Seelen wird es zur Befriedigung dienen, daß 
der Hätingsfang augenblicklich eine ungemein 
argiebige Ausbeute liefert, in Lowestost allein 
wurde im Laufe von 7 Tagen weit über 
50,000,000 Fische gelandet. Der Preis stellt 
sich in Folge dessen sehr niedrig, (wovon wir 
aber nicht viel verspuͤren werden J. 
Ein Mann von seltener Courage — so 
schreibt das Newyorker Belletristische Journal 
— wohnt in Tenessee. Von ihm wird das 
Unglaublicht berichtet, daß er nach bmonat⸗ 
lichem Wittwerthum seine Schwiegermutter 
heiratheie, die zwanzig Jahre älter ist, als er !! 
a 7* 
Druck und Verlag von F. X. Deegein St. Ingberr.