Full text: St. Ingberter Anzeiger

AUlndlerhaltungablatt 
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St. Ingberter Anzeiger. 
—e 1J. — Dienstag, den 28. November 1 
S3teinhöfer und Sohjn. 
Von Emilie Heinrichs. 
(Fortsetzung.) 
Der junge Herr, welcher den letzten blas⸗ 
phemirenden Sermon gehalten, war der 
Sprößling einer der vornehmsten Familien 
Frankreichs, der Löwe jener Pariser Halb⸗ 
welt, ein Wüstling der schlimmsten Art, dem 
auf Erden und im Himmel nichts heilig 
mehr galt. 
Seine Worte wurden mit wieherndem Ge⸗ 
lächter aufgenommen, kein einziger unter dieser 
vornehmen Gesellschaft hatte so viel Scham— 
oder wahres Ehrgefühl, den Buben zurechtzu⸗ 
weisen. Das kaiserliche Paris kennt in jenen 
Regionen weder Scham noch wirkliche Ehre, 
nur Heuchelei und Sittenlofigkeit;“ es ist 
das übertünchze Grab voll Moder und Ber—⸗ 
wesung! 
An einem Nehentische saß ein alter Herr 
mit schneeweißem Haar und mildem, gut⸗ 
müthigem Gesicht, ihm zur Seite ein junger 
Mann von 28 bis 30 Jahren mit einem 
feinen, leichenblassen Antlitz und wunderbaren, 
melancholischen Augen! die edlen antiken Züge 
erinnerten an die griechischen Gestalten des 
Alterthums, wie auch der schlanke feine Kör⸗ 
perbau, — die ganze Personlichkeit war, ein⸗ 
mal gesehen, nicht leicht zu vergessen. 
Bei den frivolen Worten des Wüstlings 
fuhr der junge Mann, welcher mit finsterer 
Berachtung die laute Unterhaltung jenes Krei⸗ 
ses angehört, heftig empor, um den frechen 
Buben zu züchtigen. 3 
Der alte Herr hielt ihn sanft zurück. 
„Willst Du den modernen Don Quixote 
gegen diese jämmerlichen Windmühlen spielen, 
nein Sohn?“ flüsterte er leise. „Du verän⸗ 
derst nichts damit, und wen willst Du eigent⸗ 
lich vertheidigen ? Eine Sängerin ? Weißt Du, 
ob fie es verdient? 
„Vater!“ verfetzte der junge Mann vor⸗ 
wurfsvoll, „wie kannst Du so fragen J Du 
hast einen Widerwillen gegen die Bühne, 
noch stärker gegen ihre Vertreter. Wenn Du 
Clara nur einmal hören könntest, Du wärest 
desiegt. “ 
Eben deßhalb höre ich diese Sirene lie⸗ 
ber nicht,“ lächelte der Greis. „Du fühlst 
überhaupt selber, daß Paris für uns nichts 
augt. Hätte ich ahnen können, daß der weite 
Umweg über Paris nur dieser Sängerin ge⸗ 
golten, ich hätte Deinem Wunsche wahrlich nicht 
nachgegeben. Richard!“ 
Dieser hörte die Worte nicht mehr, er 
horchte bereits wieder der Unterhaltung jener 
Favaliere und eine noch tiefere Erregung als 
bdorhin spiegelte sich auf seinem Antlißz. 
Der Graf von St. Herem war der Auf⸗ 
forderung seiner Freunde gereizt gefolgt und 
sagte: ich hasse jede Art Moral so gründlich, 
wie unser guter Vicomte, und will Euch die 
Geschichte meines Bruders zum Besten geben. 
Zuvor aber erkläre ich, daß die deutsche Ga⸗ 
lathee mein werden soll und gehe jede beliebige 
Wette mit Euch ein, fie bis morgen früh ge— 
küßt zu haben.“ — J —2* 
Beweise! Beweife F brüllie der Bicomle.