Full text: St. Ingberter Anzeiger

„UAnd wie großmüthig von Dir, mir 
solche reizende Beschreibungen Deiner Reisen 
ju üüeferu. Da mußt diese Briefe, die ich be— 
reits bitter vermisse, durch Besuche ersehen.“ 
‚Wie heimisch ich mich hier fühle!“ rief 
der junge Maͤnn innig und doch überrascht. 
Natürlich, Du, bist ja mein Sohn Cuth⸗ 
bert und ich Tante Barbara,“ lachte Miß 
Evesham. 24 
Er blickte auf zu ihr und betrachtete sie 
ernst und lange. 
„Tante Barbara, ich möchte Sie um 
Verzeihung bitten, möchte gestehen, daß ich 
unwerth der Freundschaft eines edlen, reinen 
Weibes bin. In den Staub will ich mich 
beugen, damit Sie sehen, daß ich nur durch 
Ihr Erbarmen Anspruch auf Ihre Rüchsicht 
habe.“ 
„Evprich nicht so, mein Junge. Du warst 
jung und wild, das wil ich weder leügnen, 
noch beschönigen, aber all' das ist nun ver⸗ 
zgangen und war nicht einmal su schlimm wie 
Du sagst. Du bist von allen Irrwegen zurück⸗ 
gekehrt Cuthbert, und nur eine ungesunde 
Phantasie brütet über bereute Sünden. Laß 
die Vergangenheit begraben sein und lebe der 
frohen Gegenwart, der ehrenpollen Zukuuft.“ 
.Ach,“ seufzte er krübe, „wenn nur die 
Folgen vergangener Sünden nicht die Gegen- 
wart vergällten, die Zukunft vergifteten“ 
ꝓ„uUnsiun! die Vergangenheit ist todt und 
Du sollst sie nicht metzr berühren,“ gebot Tante 
Barbara. 60 
Er lächelte und blickte so freudig auf, als 
fühle er sfich von einem Alp befrei. 
Eie heißen mich also willkommen, ohne 
jedwede Beziehung auf den andern Lord 
Cuthdert, der nach Italien ging.“ 
„Versteht sich und verbiete Dir sogar jede 
weitere Anspielung. Du sollst froh sein und 
heiter. weil ich reizende Gefellschaft für Dich 
habe.“ WB 
Cuthberis Auge trübte sich. 
ESei nicht garstig. Cuthbert. Du wirst 
fie schnell lieb haben, wenn Du sie erst kennst. 
Es sind zwei schöne junge Mädchen“ 
„Sie sollen mich nicht don Tante Bar⸗ 
bara's Seite locken.“ — 
Das wird sich zeigen. Man sagt Mif 
Llayd sei gefährlich.“ 
—5— 
„Miß Lloydddoch nicht Genevra Lloyd 7 
fragte er erschrekt. — 
Tante Bardara blieb so ruhig wie ein 
Beneral, der seine Truppen in's Gefecht 
führt. — 
Verssteht sich Genevra Lloyd, sie ist meine 
liebe Freun din ·· 
„Dann muß ich gleich wieder gehen, 
Tantchen,“ sprach Cuthbert niedergeschlagen, 
„denn Miß Lloyd kann mich nicht leiden.“ 
„Dann wird sie's lernen,“ nickte Miß 
Evesham, „wollen sehen, ob fie den Vorzügen 
Deines Charakters widersteht, wenn sie Dich 
im St lleben der Honeysuckle Cottage trifft.“ 
„Aber ich kann nicht bleiben, gewiß, ich 
tann nicht;“ — 
„Aber Da mußt, wenn Du Theilnahme 
jür mich haft. 77 
Cuthbert Lylen sah so unglücklich aus, 
daß Tante Bardara ihn ernfthaft tröstete.“ 
„Genedra ist nicht so schlimm, als Du 
glaubst. Du mußt eben Erziehung und Tem⸗ 
perament in Rechnung nethhmen. Sie ist ein 
edles Wefen, aber furchtbar fiol“ 
Als ob ich das ncht wüßte, nicht be⸗— 
griffe, daß ihre reine Seele jede Berührung 
mit dem Geweinen verschmäht. 5“ 
„Uebrigens halte ich ihr auch nicht die 
Stange,“ fuhzr Tante Varbara fort, und er⸗ 
lläre ihr hartes Urtheil über vergangene Fehl⸗ 
tritte arrogant und unweiblich. Diesen einen 
ichlimmen Zug ihres Charalters soll fie 
mildern, dann entspräche sie meinem Ideule 
einer Frau. Doch ich muß nun gehen, Kitih 
Tartright ist auch da, und wir wollen einige 
hübschhe Tage verleben.“ WVBE 
Der junge Mann blidte gedankenvoll aus 
dem Fenst z rꝛc. W 
Nun, ich gebe mich in ihre Hand, Tant⸗ 
hen,“ sprach er nach einer Pause, „aber Sie 
dürfen mich dann auch nicht schelten, wenn 
jchlimmere Folge daraus entstehen.“. F 
ASei Du nur heiter und liebenswürdig 
für alles Andere will ich sorgen. Uaterhalie 
Dich inzwischen hier mit Mappen und Bü⸗— 
chern, es wird Dich Manches darunter an 
Deine Knabenjahre erinnern. Mache Dir's 
bequem, wenn ich meine Mächte zusammen-⸗ 
aringen will, werde ich Dich schon suden. 
Du lieber Gott,“ flüßerte fie, als sie