„Steinhöfer!“ sagte Clara nachdenkend,
wie ist mir denn, höre ich diesen Namen zum
ersten Male 7 — Alingt er mir doch wie
eiße Reminiscenz aus der frützeren Kindheit,
Vater!“
Sie erhob sich rasch in sceltsamer Be—
wegung, — Richard sprang erschreckt und rer⸗
wirrt empor.
Auf Heidenresch zutretend flüsterte sie ihm
einige Worte in's Ohr.
„Nichts, nichts, meine Tochter!“ sagte er
unwitrsch abwehrend, „Du irrst Dich, ich
kenne den Namen Sternhöfer nicht.“
„Aber ich kenne ihn,“ sprach Richard
düster, „Sie werden sicherlich von dem tragi⸗
schen Geschick dieser Familie gehört- haben.“
„So ist's,“ nichte Heidenreich nachdenkend.
„O, erzählen Sie,“ bat Clara, den jungen
Mann neben sich auf's Sopha niederziehend;
„um Gott!“ fuhr sie erschreckt zusammen,
„Sie bluten, Ihre Hand ist verwundet!“
„Ach, eine Kleinigkeit,“ lächelte Richard,
„Der Degen des Räubers war spitz, — ich
habe mich nur geritzt. — Dafür erhielt er
einen ewigen Denkzettel!“
Clara verband ihm die Wunde mit ihrem
Spitzentuche; wie konnte sie da noch schmerzen,
fie blickten sich dabei an lächelnd und errö⸗
thend, wie zwei glücdliche Kinder.
Heidenreich aber schritt auf und nieder,
ohne die beiden Glücklichen zu beachten, er
schien mit sich selber zu kämpfen, ob ir Cla⸗
ra's wahren Namen entdecken, ihr sagen solle,
daß sie sich vorhin in ihren Erinnerungen
nicht geläuscht habe, war doch der Name wie
eine Leuchtkugel in ihr Gedächtniß gefallen
und hatte darin die Vergangenheit blitzartig
erhellt.
„Will erst hören, was der zu erzählen
weiß von der Familie,“ murmelte Heidenreich;
der alie Mann hing mit egoistischer Liebe an
—X
nun sollte er es vielleicht Anderen, welche
nähere Rechte daran hatten, ausliefern? Finster
betrachtete er das junge Paar, was wollie sich
dieser Fremde zwischen ihn und sein Kind
drängen, er war eifersüchtig auf ihr Glück,
welches er, der niemals die Liebe gelannt, nicht
verstehen konnte, Clara sollte nur ihn und
ihre Kunst lieben.
„Ich glaubte ihn auf ewig begraben zu
haben,“ murmelte Richard, „es sill nicht
sein, — Gott selber scheint durch diesen Zu-
jall, durch diese mehr als wunderbare Na—⸗
mennerkettung mich auf den Kampfplatz zu
rufen. Hören Sie denn die Geschichte einer
Familie, welche so veich an Verbrechen und
Unglück ist, als ob Gott die ganze Schale
seines Zorns über sie ausgegossen habe.“
Er erzäh'te z'emlich wahrheitsgetreu das
Steinhöfer'sche Familien Drama und endete
mit dem gewaltsamen Tode des letzten Erben.
„Herr!“ rief Heidenreich erschüttert, „Sie
kennen den Mörder und haben ihn nicht den
Gerichten überliefert 7?
.Gott wird ihn finden, was kann mein
Zeugniß nützen u sprach Richurd zusammen⸗
schauernd. „Das letzte unglückliche Opfer wird
den Himmel versöhnen. Noch leben indessen
zwei Kinder des Selbstmörders, zwei recht⸗
mäßige Erben, — sie sind Beide verschollen,
— ich werde nicht rasten, bis ich sie gefunden
— “ setzte er mit einem iunigen Blick auf
Clara hinzu, „nicht eher an die Verwirklichung
meines hö hsten Erdenglücks denken, bis diese
beiden Kinder, ein Knabe und ein Mädchen,
das Erbe ihres verstorbenen Vaters erhal⸗
ten haben.“ ,
Clara saß während der Erzählung des
jungen Mannes in starrem Hinbrüten ver⸗
sunten; es war ihr, als wäre urplötzlich ein
Schleier von ihrer frühesten Kindheit gezogen,
welcher mit dem Namen „Steinhöfer“ wie
durch Zauber gelüftet worden, gewaltsam hielt
sie die aufdämmernde Erinnerung fest, sie sah
die schöne Mutter, welche so oft geweint, den
Bruder, welcher viel älter, als sie gewesen, —
dann wurde es Nacht); als sie erwachte, fand
sie sich bei fiemden Leuten, die hart und un⸗
freundlich mit ihr umgegangen, sie geschlagen
hatten, wenn sie geweint.
Sie athmete tief auf und schaute um sich,
wie in einem Traume befangen.
Der alie Heidenreich betrachtete sie in selt⸗
samer Unruhe, der Egoismus kämpfte mit
seinem besseren Selbst, welches ihm gebot,
das Dunkel durch seine Aufklärungen zu er⸗
hellen, dem Gedächtniß des verwaisten Kindes
zu Hülfe zu kommen.
„Meine Geschichte hat Ihnen Wider villen