Full text: St. Ingberter Anzeiger

Unterhaltungsblatt 
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St. Ingberter Anzeiger. 
Nr. 145. 
— Sonutag, den 3. Dezemder — ISI. 
*teinhöfer und Sohn. 
Von Emilie Heinrichs. 
Paare drehten sich im Kreise, — Ferdinands 
Auge verfolgte eine schlauke Mädchengestalt, 
blond und blauäugig, eine deutsche Hebe, sie 
sah so ernst, so verstandig aus und dann 
wieder so schelmisch übermüthig. Er konnte 
das Auge nicht von ihr wenden, und sein 
Herz klopfte ungestüm, als sie plötzlich mit 
holdem Erröthen vor ihm stand, um nach der 
scherzhaften Art des Cotillons Ring oder 
Korb auszutheilen. 
Ring oder Korb! Es soll ihm gelten, 
ringsum kicherten die schaltkhaften, jungen 
Mädchen, — Ferdinands Herz erbebte un⸗ 
willkührlich, und Bläfse überzog das gebräunte 
Antlitz, als das schöne Kind, von dem heim⸗ 
lichen Spott der Freundinen gereizt, das 
Zöorhchen emporhielt, er war zornig auf seine 
eigene wunderliche Schwäche, er, der mit man- 
hem Bären schon fertig geworden, zitterte vor 
einem jungen Mädchen. 
Trotzig strich er sich den schönen Bart, 
da zitterte er wieder, sie reichte das Körbchen 
seinen Nachbar und — ihm den Ring. 
Laut hätte Ferdinand aufjubtln mögen in 
Glück und nie empfundener Seligkeit, Alles 
war vergessen, Bergangenheit und Zulunft, 
zwei blaue Augen hatten den Löwen zum 
Lamm umgewandelt. 
Er umschlang die hohe Gestalt und flog 
mit ihr durch die Reihen der Tänzer. 
„Dank! Dank!“ flüsterte er, „wie haben 
Sie mich durch Ihre Wahl beglüdkt — 
Das junge Maͤdchen war verwirrt, diese 
Huldigung war so nev, so frei und öffentlich, 
daß fie dieselbe nur mit den freien Sitten 
Amerxila's entschuldigen koannte. 5 
(Fortsetzung.) 
In diesem Augenblick kam der Haushert 
und nahm den jungen Amerikaner mit freund⸗ 
lichem Gruße in Beschlag. um ihn sgogleich, 
trotz seiner verlegenen Protestationen, in den 
kleinen Saal zu führen, wo ein einfacher Ball 
arrangirt war. „Wir sind so recht privatim 
unter uns,“ meinte der Hausherr. „Sie brauchen 
sich durchaus nicht zu geniren, — die Fröh—⸗ 
lichkeit ist die Hauptsache.“ 
Und damit führte er der verlegenen jungen 
Mann, welcher zum ersten Male in eine 
europäische Gesellschaft treten sollte, mitten 
unter die fröhliche Jugend, wo seine etwas 
fremdartige Erscheinung eine plötzliche Stille 
verursachte.“ 
„Laßt Euch micht stören, Kinder?“ rief 
der Hausherr, „der junge Amerikaner wird 
ohne Unstände in den Cotillon eintreten und 
uns zeigen, daß man auch drüben dem Tanze 
huldigt. Die Vorstellung mag spüter erfolgen, 
— hoffentlich werden die Damen meinem 
Gaste jene Freundlichkeit darbringen, welche 
deutsche Sitte und Gastfreundschaft bedingt.“ 
Und ich bitte um Nachsicht mit dem 
Hinterwäldler, welchem die europäische Form 
fremd und der deßhalb gar leicht Berstoße 
machen kann,“ sagte Ferdinand, der in diesem 
Augenblick seine ganze Ungezwungenheit wie⸗ 
dergefanden hatte. 
Die Musfik nahm ihren Fortgang, die