Full text: St. Ingberter Anzeiger

Mann traurig, „datten Sie doch die Wahl. 
D, Verzeihung, Marie, ich hoffte zu früh, 
mein Herz gehört deunoch auf ewig der Pfle— 
zerin meiner Mutter.“ 
„Lieber Gott, wie langweilig,“ fuhr Brandt 
dazwischen, „laßt mich einmal fragen. Gefällt 
Dir der Amerikaner, mein Kind? Es ist ein 
draver Kerl und der Sodn Deiner Mutter, 
will heißen, die Du als Mutter liebst und 
ais Kind pflegst.“ 
„Ja, Onfel!“ rief Marie, an seinen 
Hdals fliegend, „er gefällt mit, aber wie 
durfte ich's ihm nur sogleich sagen ?“ 
Ferdinand hatte sie schon umschlungen und 
geküßt, im nächsten Augenblick knieten sie vor 
der Mutter, welche still lächelnd auf das 
— 
herget Euch vor der Welt, — es gibt böse 
Bruder, welche Alles morden; — ich will's 
dem Bater erzählen, daß seine Kinder glück⸗ 
iuch sind, alle Beide!“ 
Ferdinand neigte sein Gesicht auf ihre 
Hand und weinte still, der Mutter Worte 
shnitten ihm durch's Herz und berührten mit 
eisigem Hauche sein Glück. 
Der Arzt aber trat leise hinzu und sagte 
zuversichtlich: „Lasset die Kranke jetzt in 
Ruͤhe, meine Freunde! ich hoffe, sie lang⸗ 
sam, aber sicher zu heilen!“ 
19. Kapitel. 
Doctor Wolff, der reiche Fabrilkherr (denn 
als solcher wurde er von der Welt betrachtet, 
da kein anderer Erbe erschien), ging unruhig 
in seinem Zimmer auf und nieder und schnitt 
ein furchtbar grimmiges Gesicht. Von Zeit 
zu Zeit nahm er ein Zeitungsblatt, las 
viederholt eine Stelle darin und warf es dann 
zornig auf den Tisch. 
Es war die Annonce an Clara Stein⸗ 
höfer. 
Wer diesen Streich mir gespielt,“ mur⸗ 
nelte er, „ich muß es wissen. Was kümmert 
den Doctor Friedrichs dieses Kind? Die 
Mutter ist noch immer verrüdt, sie wird sich 
nicht darnach sehnen, — oder sollte er wirk⸗ 
lich ein Experiment damit anstellen wollen? 
Der Narr! — Nein, nein,“ fuhr er heftiger 
ort, „daran wird er keine fünfhundert Thaler 
Belohnung wenden, — es kommt von einer 
andern Seite, — man scheint sich wieder zu 
rühren.“ ——— I 
Er klingelte, ein Diener erschien. 
.Warst Du im Landhause 7? I 
Die Frau wird vor Unbruch der Nach 
sterben.“ 
„Gut, laß anspannen, Franz!“ 
Der Diener verschwand, Wolff ordnete 
seine Toilette und griff nach seinem Hut. 
Endlich stirbt dieser weibliche Methusalem,“ 
murmelte er, „ich werde dafür sorgen, daß 
ie nicht zum zweiten Male vom Tode ersteht. 
—AV—— 
iche Erbin oder Besitzerin. Die Welt hält sie 
ür geisteskrank, — die Alte isi schlau genug, 
— ich muß, sobald sie todt ist, das Testa⸗ 
ment, welches ich ihr einst aufsetzen mußte, 
oernichten.“ 
Mit diesem Vorsatze fuhr er hinaus nach 
dem Landhause vor dem Aegidienthore, wo 
die unglückliche Mutter des Commerjienraths 
Steinhöfer sterbenskrank, von aller Weit ver⸗ 
jassen, auf ihrem Lager stöhnte und- zum 
zweiten Male den Tod nahen fühlte. 
Als Doctor Wolff hereintrat, schickte er 
die Wärterin fort und trat aͤn's Bett der 
sranken. Entsetzt fuhr fie zusammen und 
wehrie matt ab, dann wandte sie das Gesicht 
nach der Wand und schloß die Augen. 
Wolff begann jetzt ohne Scheu eine Durch⸗ 
—X 
mensch von der Sterbenden zu fürchten 7 
Diese wandte einmal den Kopf und starrte 
mit weitgeöffneten Augen hin, ein blißartiges 
Lächeln wie Hohn und Triumph überflog 
das blasse Antlitz, dann lag sie wieder wie 
eine Todte.— 
Er murmelte Verwünschungen und Flüche 
vor sich hin, sein Suchen war vergebens, 
nichts zu finden, alles Uebrige war werthlos 
füt ihn. 
„Ich muk es finden,“ sprach er halb⸗ 
laut, „sie war seit Jahren zu gut bewocht. 
Hm, warum mußte ich diese Erbin so lange 
vergessen ?. 
Und wieder warf er Alles durcheinander, 
daß ihm der Schweiß in hellen Tropfen von 
der Stirn rann.« 
Zur selben Zeit, als er hinausfuhr, zog