Full text: St. Ingberter Anzeiger

ruhigle den Bissbof mehr, als er es sih ge⸗ 
stehen wollte und pergebenß srichte er sih ein 
zureden, daß er selbst dem Könige durch sene 
Gelehsamteln, sowie vortreffli hen Rathschlüge 
und Untechaltungsgabe unentbehrlich gevorden 
sei. Dicer neue Herzog von Saffolk besaß 
nicht zu verachtende Vortheeile vor ihhm voraus, 
Er stand nicht allein in demfelben Alter mit 
dem Könige und war auf diese Weise zu 
dessen Freundschaft weit eher berechtigt, als 
der um zwanzgig Jahre ältere Bischof Wolsey, 
sondern Charles Brandon galt auch füe den 
liebenswürdigste', geistreichsten Hofmaun, für 
den offenherzigsten Character und Wolsey wußte, 
wie hoch König Heinrich besonders die letzte 
Eigenswaft schätzte. 
Immer werter und weiter wanderten die 
Gedanten des Bischofs, sie derwirrten sich 
sogar bis zu der Möglichteit einer Verbindung 
wischen der Prinzeß Mary und dem Herzag 
bon Suffolk. Kam es dabin, dann war Wol⸗ 
sey's Sturz gewß, denn er verhehlte sich 
nicht, daß er in Sir Brandon nie einen 
Freund finden würde, sondern ftets einen 
Feind und Widersacher. 
Allmaͤhlich beruhigte sich der Bischof in⸗ 
deffen wieder, und es flog immer heller und 
helürr um sein verdüstertes Geficht. Ihm war 
In retlender Gedanle gekomnen — ein Ge⸗ 
danke, wie ihn nur ein Wolsey hervorbringen 
konnte. Noch bewahrte er seine Macht, und 
er wollte sie benutzen so lange wie möglich; 
wurde der Herzog von Suffolk nicht der Ge— 
mahl der Prinzessin, dann war nichts verloren 
— also an's Werk. 
Niemand wußte besser als Wolsey, wie 
dringend der König die Beendigung eines 
Krieges herbeisehnte, der fortwährend unglaub⸗ 
liche Summen verschlang. Auch dem Konig 
XR „Frankreich war ein baldiger Frieden will⸗ 
kommen. Wolfey bezahlte seine Spione so gut, 
daß ihm nichts, was an auswärtigen Höfen 
borging, verborgen blieb. 
Daß Ende eines Krieges herbeizuführen, 
wo beide Partelen sehnlichst den Frieden 
wünschten, war für den Bischof Wolsey keint 
große Aufgabe, es handelte sich nur um die 
Art und Weise, und daß er selbst zur Be⸗ 
lohnung für seine Dienste vom Papste den 
Tardinciehut empfing. Dadurch waren sein 
Ausehen und seine Stellung auf's Neue befe⸗ 
zigt, und willigle nur der stöaig ein, Prinzeß 
HPary dem König von Frankreich, dessen Ge⸗ 
nahlin kurz vorher gestorbhen war, zum Weibe 
ju geben, so waren alle seine Befuͤrchtungen 
zeseitigt, und der König ihm zu sehr durch 
Dankbarkeit verpflichtet, als daß er jedenfalls 
jzürchten dürfte, von einem Nebenbuhler ver⸗ 
drängt zu werden. 
So rechnete der Bischof von Li coln, und 
diese Rechnuag stimm'e ihn so heiter, daß er 
ich einen kostbaren silbernen Becher voll fun— 
kelnden Weines füllte und in einem Zuge 
erte. Dann rieb er sih vergnügt die Hände. 
Besser konnten die Umstanden nicht zusam⸗ 
mener ffen. 
Keinen Augenblick störte den Bischof der 
Bedake an Prinzeß Mary, die er einem at⸗ 
en, si chen Könige zur dritten Gemahlin ge⸗ 
ben wollte, in seinem Vorhaben. Es fiel ihm 
nicht einmal ein, sih zu jragen, ob Peinzeß 
Mary sich geneigt fühlen wüsde, die für ihr 
jugendliches Haupt so schwere Krone einer 
önigin von Frankreich zu tragen, er sah nur 
im Geiste seinen Nebenbuhler, den Herzog von 
Suffolk, aus dem Felde g schlagen. Der Dant 
des Königs und durch diesen der Cardinalshut 
waren ihm geweß. 
Noch in derselben Nacht verließ ein Courier, 
wit wichtigen Aufträgen des Bischofs Thomas 
Wolsey betraut, die Stadt London, um sich 
sofort nach Paris zu begeben. 
IV. 
Eine herrliche Julinacht hatte sich auf die 
Erde herriedergesentt. Die silberne Scheibe des 
Mondes breitete ein sanftes Dämmerlicht aus, 
die Blumen spendeten ihre süßesten Düfte und 
nur das Flattern einer Fledermaus unterbrach 
mom:ntan die tiefe Stille der Ratur. 
Auch im Schloßgarten herrschte unendliche 
Ruhe. Die Teiche bildeten gleichsam Spiegel⸗ 
scheiben, in welchen sich die herabhängenden 
Zweige der Weiden und der tefblaue Nacht⸗ 
dimmel spiegelten. Eben hatte die Thurmuhr 
bie zehnte Stunde angekündigt, als sich ein 
oerstecktes Seitenpförtchen des königlichen 
Schlosses bffnete und zwei Frauengestalten 
heraustraten.· Beide waren dicht verschleiert, 
AWer man unterschied sie beim Scheine des