Full text: St. Ingberter Anzeiger

sagte der Köonig gereizt. „Was ist die Liebe 
einer Prinzessin, die nicht das Recht hat zu 
lieben, sondern deren Pflicht es ist, ihre In⸗ 
deresse denen des Vaterlandes zu opfern. Seid 
vernünftig, Mary. und vergeßt⸗ nicht, daß ich 
schon zu viel Nachsicht mit Euch hatte, indem 
ich eine Liebelei mit einem Manne duldete, 
der es nie wagen darf, seine Hand nach einer 
Prinzeffin Englands auszustrecken · 5 
Wie vom Blitze getroffen, zuckte die Prin⸗ 
zeffin bei den letzten Worten des Köonigs zu⸗ 
sammen — die Thränen versiegten in ihrem 
Quell und nur mit Mühe hielt sie sich aufrecht. 
Das entschied. Der König wußte um 
ihre Liebe zum Herzog von Suffolk, nur seine 
Nachsicht hatte das Verhältniß geduldet, und 
Prinzen Marhy fühlte, daß er nie in eine 
Verbindung willigen würde, die fie als nichts 
Unmögliches angesehen hatte.·. 
Ein endloser Jammer erfaßte sie, zugleich 
aber eine Resignation, die etwas so rührendes 
an fich trug. daß der König sich zusammen 
nehmen mußte, um nicht im⸗ letzten Augen⸗ 
blicke das Ziel seiner Wünsche dem Leid der 
Schwester zu opfern. 
ESeib vernünftig, Mary,“ sagte er den 
Arm um den Nacken der Schwester schlingend, 
„eine Prinzessin darf sich nicht den Träumen 
von einem bescheidenen. Loose mit dem Ge⸗ 
liebten hingeben — sie muß ihre Bestimmung 
erfüllen. Auch ich bin, wie Ihr nur zu gut 
wisit, in meinem Familienleben nicht glüclich. 
Catharina ist nicht diejenige, welche ich liebe, 
aber ich mußte meine Liebe der Politik opfern, 
wenn auch mit blutendem Herzen. Auch ich 
glaubte damit alen Freuden der Welt zu 
entsagen, und ich bin doch wieder ruhig ge⸗ 
worden in dem Bewußtsein, meine Pflichten 
treu gegen den Staat erfüllt zu haben. So 
wird es auch Euch gehen, Mary. wenn Ihr 
erst die Nothwendigleit dieses Schrittes einge⸗ 
sehen habt, um so mehr, da Euch ein Leben 
voll Glanz und Pracht, voll weltlicher Macht 
erbffnet wird · 
,„OD, Majestät, nur davon sprecht nicht,“ 
schluchzte die Prinzessin, „ich kann Alles er⸗ 
tragen, nur nicht, daß Ihr mir die trügeri⸗ 
schen Vortheile einer solchen Verbindung vor 
Augen führt. Mein Hetz fehnt sich nicht nmach 
Glauz und Pracht, ich habe niemals nach 
weltlichet Hoheit gestrebt, sondern ein stilles 
bescheidenes, glückliches Loos war der Traum 
meines Lebens. Wenn Ihr es mir als eine 
Pflicht darftellt, als ein Opfer, durch welches 
ich dem Volke den ersehnten Frieden und das 
Wohlergehen bringe, dann kann ich Euch folgen, 
wenn auch mit gebrochenem Herzen, nie und 
nimmer könntet ihr mich durch die glänzendsten 
Ver prechungen vermögen, daß ich einwilligte, 
Königin von Frankreich zu werden. Und nun 
geht, Majestät, geht und laßt mich allein, 
damil ich Zeit habe,“ mich zu sammeln und 
das Ungehenre zu fassen, was so plötzlich über 
mich hereingebrochen istẽ 
AIch gehe, Mary, aber ergebb Euch mit 
Ruth und Vertrauen in das Unvermeidliche,“ 
jagte der König gerührt von dem Schmerz 
des jungen Mädchens, das in diesem Augen⸗ 
dlick alle seine Lebenshoffnungen zu Grabe 
trug. Heute Abend ist große Cour im 
Banbkettsaal und ich bringe Euch das Braut⸗ 
zeschenk Eures Verlobten, das Ihr am heut⸗ 
igen Abend, als zur Feier der Verlobung mit 
dem Könige von Frankreich, anlegen müßt.“ 
Bei diesen Worten zog er ein mit Gold 
beschlagenes Sammet⸗Etui hervor, und über⸗ 
reichte dasselbe geöffnet der Prinzessin. 
Aber Mary zog die Hand scheu zurück, 
als fürchte sie, daß die zwoͤlf Diamanten des 
dalsschmucks, die ihr entgegenblitzten, sie verbren⸗ 
len könnten. Dann sank sie in die Polster zurück. 
„O, mein Goit, mein Bruder, habt Mit⸗ 
seid mit mir — Erbarmen! Es kommt Alles 
so plötzlich, so überraschend. Gönnt mir nur 
noch ein paar Tage Zeit, mich zu besinnen, 
nich von dem Schlage zu erholen, der mich 
mit niederschmetteuder Schwere trifft ·· 
z⸗Unmöglich, Mary, unmoͤglich,“ entgeg⸗ 
nete der König gerührt, „heute Abend wird 
in Paris und London jugleich die Verlobnng 
des Königs von Frankreich mit der Prinjessin 
Mard gefeiert. Muth, meine Schwester, Muth! 
Es ist ein großes Opfer für ein schwaches 
Mädchenherz — ich gebe es gern zu — aber 
das Opfer wird nicht umsonst gebracht.“ 
EGßortjetzung folgt). 
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Drud und Verlag von J. X. Deiaeß in St. Ingbet.