wenn wir einmal den Psad der Lüge betre⸗
ten —
Lawrence Lloyd versprach dem Grafen
all seinen Einsluß anfzubieten, um Genevra
ihm qünstig zu stimmen. Sonderbarer Weise
war des Mannes Leidenschaft für die erkorene
Braut wahr und ernst, und er hätte lieber
dem Golde als ihr entsagt. Um sich die Zeit
ihrer Abwescuheit zu verkürzen, trieb er sich
mit: Capitän Follansbee in Theatern und
CTlublocalen umher.
Eines Tages erschien der junge Mann in
erhöhter Stimmung bei Lubin.
s ist wahrlich eine Schande, Graf, das
wir die neue Tänzerin, die solch ungeheueren
Ruf von Paris mitbringt, doch nicht gesehen
haben. Dirta sagte mir, sie habe gestern das
langweilige Londoner Publicum förmlich elel⸗
trisitt, und heute wird man sie mit Blumen
aberschütten. Wir müssen natürlich auch dahei
jein, ich habe uns bereits Plätze gesichert.“
Meinetwegen, obgleich ich keine Vorliebe
für Balletiänzerinnen habe,“ entgegnete der
Graf schaudernd, als ob ploͤtzlich eine gespen ⸗
stige Erscheinung vor ihm auftaube.
,„Zephyr soll aber eine Ausnahme aller
Tänzerinnen sein, ein Wunder von Schoͤnheit
leicht und zierlich wie ihr Name, und doch
unnahbar wie eine Fürstin. Man sagt, sie habe
einem unserer Herzöge, der sich mit einem
Diamantendalsband Eingang zu verschusfen ge⸗
sucht, ganz entschieden imponirt. Eine Tän⸗
zerin aber die Diamanten widersteht, ist etwas
ganz Absonderlichs.“..
„Ist sie Französin oder Italienerin ?) Zep⸗
hyr' ist notürlich nur pseudonym.“ 4
»Das weiß ich wahrlich nicht. Der Zeftel
nennt sie nur Zephyr ; .die feenhofte,n hbe⸗
aubernde, unüdertroffene Zephyr.“ Derter und
Dbersi Waite stritien über ihr Alter. Der
Eine belhauptete, sie sei ein wahres Kind
der Andere, ihr Antlitz verrathe eines Weibes
Erifahrung und vLeidenschaft und zeige selbst
Spuren des Leidens. Freilich glaubt der
humer wunderbar tief zu schauen“—
Der- Graf trat ans Fenster.
„Wenn sie es wäre 7*. flüfterte er stien⸗
runzelnd, „dann stünde ich wohl auf einer
Pulvermine. Aber es kann ja nicht fein, ich
habe zu sorgföltig jede Spur verwischt. —
Dennoch suchte er einen Mantel hervor,
dessen weiter Kragen den Kopf eines Mannes
halb verbergen konnte. Capitän Follansbee
hatte sich mit einem Bouquet versehen und
legte es scherzend auf das Wagenhissen.
Der Graf aber war nicht so gesprächig
als sonst, wie ein Alp lag's ahnungss wer
auf seiner Seele uud als er sich in des Thea-
ders lichten, glänzenden Ränmen befand,
überfiel ihn solch hestig Herzllopfen, daß er
be inahe ohnnmächtig wurde.
„Aha,“ rief der junge Capitän muthwil⸗
lig, »Sie machen mir glauben, Sie seien
ganz ruhig und gleichgiltg, und nun find
Sie ganz bleich vor Aufregung und Unge⸗
duld.“
Mir scheint der Magnetismus des Ent⸗
husiasmus wirkt anstecend,“ entgegnete der
Graf mit erzwungenem Laͤcheln, „ich gestehe,
daß ich jetzt ebenfalls auf die gefeierte Er⸗
scheinung gespannt bin.“
Sehen Sie einmal hinüber nach der
Loge des Herzogs, man jagte mir, daß in
seinen Bouquetten Arnbänder von unschätz⸗
varem Werthe steckten. Geben Sie Acht, wenn
er sie ihr zuwirst. Zephyr soll übrigens jede
Bewegung des Publiçums beachten, und wähe
rend sie sich unter dem Blumenregen verbeuge,
sollen die funkelnden Augen suchend über das
Meer von Gesichtern gleiten ··....
Graf Lubin schlug unwiUkührlich den
NMantlkragen hinaufßff. —
„Hören Sie das Zeichen,“ rief Follans⸗
dee hastig.
Lauter Beifall begrüßte den aufrollen den
Vorhang. Elekwisch durchzudte die Menge der
dine Gedanke: Zephyr kommt!“
Die Scene,stelle eine Feengrotte dar,
Moofiges Grün bedecktze die Felsenwände,
alcheruder Tropfstein hing in reizenden phan
astischen Gebilden von der Decke nieder, unten
plätscherten Fontainen, sPpielten Vögel und
Schmetterlinge, und auf duftendem Blumen⸗
jager ruhte die Feenkönigin, umgeben von
üeblichen Mädchen.
Eiue zarte Sylphide trat vor, hob eine
Perlenmuschel an die Lippen und entloctte ihr
finen leisen, melodischen Ton, den das Orchester
sofort aufnahm und süß und weich, gleich
einer Mutter Schlummerlied, weiter führte.