Full text: St. Ingberter Anzeiger

gespräche fert, „ha, ich sehe seinen Zorn, 
wenn er seine schoͤnen Pläne durch diesen 
Ritler vernichtet sieht, und ich werde gewiß 
nicht zögern, ein Feuer zu schüren, dessen 
Gluth meinen Feind für immer unschäd⸗ 
lich macht. 
Noch keine Stunde war verflossen, als der 
Erzbischoff von York in datz Arbeitskabinet 
des Königs trat. Der König stand an dem 
geöffneten Fenster, in der Hand hielt er einen 
Brief, den er noch einmal oberflächlich über⸗ 
sah und ihn dann dem Erzbischof hinreichte. 
„Es ist nichts mit unseren Plänen, Hert 
Erzbischof von York,“ sagte er, halb gereizt, 
halb lächelnd, „die verwittwete Königin hal 
es vorgezogen, wie sie mir schreibt, sich nicht 
zum zweiten Male von mir verkau'en zu lassen, 
sondern sich mit dem Herzoge von Suffolt 
kurz und bündig vermählt, und unser Ver⸗ 
bündeter, der König Franz bittet in seinem 
eigenhändigen Schreiben um die Verzeihung 
für das glückliche Paar, das sich unter seinen 
ritterlichen Schutz begeben. Was läßt sich da 
noch machen, wo alles fertig ist? Meinet⸗ 
wegen mag das junge Paar wieder nach 
England herüberkomme«n und sich hier seinen 
Hausstand gründen; man sieht dann einmal 
wieder frohe Gesichter, denn ich halte mich 
versucht, zu glauben, daß meine schöne Schwe⸗ 
ster mehr Gefallen an ihrem zweiten Gemahl 
findet, als an Ludwig, dessen Alter und Krank⸗ 
heit schlecht genug zu so viel Schönheit und 
Liebreiz paßten. Ich hätte es der kleinen 
Prinzessin Mary nicht zugetraut, daß sie so 
piel Muth zeigen würde, aber der französische 
hof scheint auf ihren schwesterlichen Gehorsam 
einen schlechiten Einfluß gehabt zu haben. Da⸗ 
rum schreibt kur gleich an den Herzog von 
Suffolt, mein Herr Erzbischof, damit unsert 
hohe Schwester sich wieder an englisches Recht 
gewöhnt. Schreibt ihm, er möge sosort mil 
seiner Gemahlin herüberlommen und versicher! 
ihn meiner gnädigsten, brüderlichen Liebe.“ 
Mannigfaltiges. 
Als man einst den griechischen Weisen 
Diogenes, der im Johr 424 p. Chr. farb, 
fragte, welches das geßfährlichste Thier fei, 
aniwortete er: Unter den wilden Thiere 
ist es der Verläumder und unter den zahmen 
der Schmeichler. 
Kinder sagen die Wahrheit. 
In Wiesbaden wurde kürzlich die Hoch⸗ 
jeit einer sehr reichen Gräfin und eines 
jungen Offiziers gefeiert. Wenige Tage vor 
der Vermählung gab der Vater der Braut ein 
kleines Familiendiner, zu welchem auch der 
Geistliche geladen war, der später die Trauung 
vorgenommen hat. In zuvorkommender Weise 
frug derfelbe im Laufe der Unterhaltung den 
Gastgeber, welchen Bibelvers er wohl der 
Hochzei tspredigt zu Grunde gelegt haben möchte. 
Weder der alte Graf, der vielleicht nicht mehr 
allzu bibelfest ist, noch auch die ebenfalls be—⸗ 
fragten Verlobten hatten in dieser Hinsicht 
einen besonderen Wunsch zu äußern: da nahm 
unerwartet der 10jährige Bruder der Braut 
das Wort uund machte, zum Schrecken der 
Anwesenden den wohlgemeinten Vorschlag: 
„Ei, Herr Pfarter, dann predigen Sie doch 
über den Spruch: Nater vergieb ihnen, denn 
sie wissen nicht was sie hun·“· 
Ein Musiker, der mehr Tact in der 
Musik, als im Leben haite, saß einer geist 
reichen Dame gegenüber und starrte dieselbe 
an. „Was firiren Sie mich so 72 fragte die 
Frau. „Ei,“ versehßle verlegen der Musiker, 
Fich bemerke eben, daß sie schon fünf Falten 
im Gesichte haben.“ — „Da sind Sie wohl 
besser daran,“ entgegnete die Dame, denn vhei 
Ihnen sieht man nur eine Falte, weil sie 
einfältig sind J 
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Ein verliebter Franzose) schloß kürzlich 
den Brief an seinen „Engel“ mit den Wor— 
ken: „Die Postmarke, Du Traum meiner 
Setle, die auf Deinem Briefe gesessen, habe 
ich mit Entzüchen verschlungen !Weiß ich ja, 
daß Du, Engel, daran gelect hast!“ 
Ein Lehrer der Himmelskunde sagte neu— 
lich zu seinen Schülern: „Wer von Euch den 
großen Bären genau betitachten will, der 
lomme heute Abendauf mein Fimmer z mir!“