Full text: St. Ingberter Anzeiger

fich einer derselben den schlechten Scherz er⸗ 
laubt. mr 
-„Gut.“entgegnete sie⸗ nach kurzer Pause 
ernst, „ich freue mich, daß Sie jene Zeilen 
nicht schrieben, denn ich hätte ihrem Verfasser 
nie verziehen. Kommen Sie mun herein, bitte.“ 
Am folgenden Tag machte die kleine Ge⸗ 
sellschaft /einen Ausflug nach der benachbarten 
Fabtikssadt, wo Tante Barbara- wie gewöhn⸗ 
lich ein Liebeswerk zu besorgen hatte, Ein 
früherer Diener hatte ineiner Eisenmühle Ar⸗ 
beit genommen, und war von der Maschine 
erfaßt worden. Miß Barbara wollte sich nun 
selbst evon dem Brfinden. des Kranken und dessen 
Verhältnissen züberzeugen. 
Die hohen schwarzen: Kamine hoben sich 
duulel von dem blauen Firmamente und dem 
dlitzernden Fluß— und die jungen; Mädchen 
waren entzückt über einen Aublick, der ihnen 
ganz nentschieden den Reiz den Neuheit bot. 
Kitty begleitete Tante Burbara ins Comp⸗ 
toir und sprach dort in kindlischer Offenheit 
den; Wunsch: aus die Fabrik besehen zu dürfen, 
ein Verlangen, dem der artige Oberaufseher 
freundlichst entsprach. Vergnügt eilte fiennun 
hinaus zum Wagen, um VMiiß Lloydaufzu⸗ 
sordern, all die Cyelopenherrlichkeit mit an⸗ 
pusehen. 
Konzun doch, Genevra, man willtuns die 
Fabrik zeigen, und das ist herrlich, denn da 
drinnen ist Alles neu und geheimnißvoll.“ 
„Wan auich soll in die schwarzen, rau⸗ 
schigen Hallen1 danke, dankeofüt das Ver⸗ 
gnügen. LaßuDu Dich aber ˖nicht hindern, 
Lord⸗ Cuthbert wird Dich begleiten, und ich 
begebe micheinstweilen? hinunter⸗ zum⸗Fluß 
und warte, bitß ihr⸗ wieder kommt.sr 
Euthbert verbeugte sich/ begleitete Kitiy 
in 8 Comptoir, wo Taute Barbara sie er⸗ 
warteie und folgte dann von ferne der hohen 
Gestalt, die langsam dem Fluße zuschritt. 
Phoßlich bemerkte sie auf einem Huufen aus⸗ 
gebrannier· Kohlen zwei schlechtgekleidete Frauen 
mit Körben, die emsig nach brauchvaren 
Stückchen suchten. Der Tochterdes«Reich · 
lhums und Luxus war das eine auffallende 
Erscheinung. Was konnten die armen Geschöpfe 
RW 
Genevra schritt langsam und beobachtend 
auf die Gruppe zu, so, wie man ferne Sterne 
hetrachtet, mit vollem Bewußtsein des unend⸗ 
ichen fie treunenden Raumes. Sie sah dent⸗ 
ich die rauhen, sehnigen Hände, welche eifrig 
ind geschickt den schweren Schürhacken hand- 
abken, die plumpen Schuhe, die schäbigen 
dleider. 
Man hatte ihr oft von der Gleichheit 
nenschlicher Seelen“ gesagt, das stolze Herz 
aber weigerke sich diese Gleichheit zwischen sich 
ind dené armen Wesen dort auf dem Kohlen⸗ 
jaufen anzuerkennen, ja sie wunderte fich bei⸗ 
iahe, als eine der Frauen fich ummauüͤdte und 
nitfrohen Lächeln rief: Molly, Mollh, 
leiner Wildfang, wobist Du denu 11 Ein 
zeues Wunder“ für Genevra Unter einem 
ohlenkorb kroch ein kleines rosiges niedliches 
indchen hervor, eben groß genug, um allein 
herumzuwackeln. Die runden Augen leuchteten 
in heller Lust, und als es stolz- und selbstbe⸗ 
wußt⸗ die glänzenden' Kohlenstückchen: zeigte, 
die es mühsam in dem schlechten Schürzchen 
gesammelt⸗ sah es so glücktich aus wit ein 
stönig. Die Mutter lachte frahlich, nahm die 
steine auf' den Arn, herzte und) küßte fie 
und kehre‘e dann wieder zur Arbeit zu⸗ 
rück, 
(Fortsezung folgi.) * 
Mannigfaltigee. 
Kürzlich⸗ kam eine Bäuerin aus dem El⸗ 
saß in einen Laden zu Basel. Die Frage, ob 
fie in ihrem Orte auch Einquartierung hätten, 
bejahte se. Auf die weitere Frage: „Was 
iüre Landsleute 190 gab sie zur, Antwort: 
„Preußen.“ — „Wie gefallen sie euch 7??“ — 
Ha, mit dene Preuße wär's noch z'mache; 
aber⸗ diä Bayern, diä Soikerl, wo mer 
zuerftg'habt han⸗ — zwei Kinder han ste 
gebrote in Zwiwele und han sie gefresse.“ 
Man fieht es den ehrlichen Bayern bei ihrem 
ungehenren Durst garc nicht an, daß ste auch 
Menschenfleisch essn. 
T ο Sea ven ναν D e NR ; inN. Inabert.