Full text: St. Ingberter Anzeiger

er es ift und was er thut. Wer weiß, ob 
dann unsere Wege sich je wieder kreuzen. 
sKonm, komm, wir wollen dem Grafen Lubin 
unseren Respect bezeugen.“ 
Zephyrs Stimme hatte sich unwillkührlich 
von weicher Milde zu bitterem Hohn ge⸗ 
steigert. 
Jon brach in Thränen aus, gab sich aber 
ganz unkindliche Mühe, dieselben hinter dem 
Schleier zu verbergen. 
„Aus der Geschichte keimt nichts Gutes, 
Zephyr, ich fühle es nur zu deutlich. Warum 
ließest Du ihn nicht im Gefängniß, dort war 
er am besten aufgehsben. Du siehst das frei⸗ 
lich nicht ein, aber ich weiß es und hasse ihn 
so sehr als ich ihn fürchte. Ich wollte er 
wäre im Gefängniß gestorben.“ 
„Ich auch,“ entgegnete Zephyr zähneknir⸗ 
schend, „und vielleicht kommt bald die Zeit, 
wo er es selbst wünscht.“ 
„Was willst Du denn im fremden Lande 
hun?“ fragte Jon zitternd der Schwester 
weiche Hand drückend, „glaube mir, daraus 
entsteht nichts Gutes.“ 
„Es entsteht daraus nichts als meine 
Rache.“ 
„Aber er hat Dich immer betrogen und 
überlistet Dich auch jezt. Komm' laß uns 
umkehren, Schwesterchen.“ 
Nein, nun will ich ihn erst sehen,“ rief 
die Tänzerin leidenschaftlich, „will wissen, ob 
er wirklich schlecht genug war, mich in den 
Klauen jenes Elenden zu lassen, — und hat 
er es gethan — 
„Aber wie kannst Du das nur bezweifeln,“ 
aunterbrach fie Jon, „und angenommen, Du 
überzeugst Dich davon, was dann 7* 
„Die Taänzerin blieb stehen und preßte fest 
die Hand auf's Herz. 
„Was dann, Carissimo? dann will ich 
mich rächen — und sterben.“ 
Des Tones leidenschaftliche Verzweiflung 
durchbohrte des Knaben Herz. 
„Dann muß ich auch sterben, weil ich nur 
Dich auf Erden habe, und weil ich ohne Dich 
aicht leben kann,“ schluchzte Jon, „laß von 
dem schlechtem Mann, Zephyr, kehre nach 
Italien zurück, sein Schicksal erreicht ihn auch 
ohne Dich.“ 
„Nein ich muß dem Geschicke folgen, 
daß mich zu ihm führt, sei es zu Liebe oder 
aß.“ n 
d beWe wird sich dann wieder mein Leben 
gestalten denn er hat mich stets gehaßt und 
berfolgt.“ 
„Das ist Unsinn,“ rief Zephyr mit mehr 
Autorität, als sie bisher gezeigt, „Dich soll 
Niemand von mir trennen, Niemand Dir 
meine Liebe entziehen, oder Dir irgendwie wehe 
thun, und das muß Dir genügen. Doch da 
sind wir nun an dem Hotel, in dem Deine 
scharfen Augen ihn aufspürten. Komm' wir 
vollen dem hübschen Graf unseren Besuch ab⸗ 
tatten, er wird sich freuen, uns zu seben.“ 
Ihr Lachen klang sarkastisch und doch 
durchdebte sie leise Hoffnung. Der Knabe 
durschaute sie, er vußte, daß nicht Haß und 
Rache der Zweck ihres Kommens sei, daß sie 
einer anderen gleich mächtigen Leidenschaft, 
paß sie der Liebe gehorche. Dennoch schwieg 
er und folgte ihr ohne Widerrede. 
Zephyr wartete einen Moment, sei es ihre 
Aufregnng zu zügeln, sei es um Athem zu 
schöpfen und blieb verschleiert, als der Kellner 
um ihre Befehle fragte. In Wartesaal be⸗ 
fanden sich mehrere Damen und ein ältlicher 
derr, der ganz in seine Zeitungen vertieft 
war. Die Tänzerin achtete auf Niemand, fie 
vartete wortlos in heftiger Erregung. Nur 
einmal wandte sie sich zu Jon und flüsterte 
zeiser: „Wenn nun Graf Lubin doch nicht 
unser Vedro Castelli wäre 77 
„Wollte Gott, er wäre es nicht,“ enl⸗ 
gegnete der Knabe, „aber ich sah ihn.“ 
Pedro Castelli. — Der Name drang 
zum Ohre des alten Herrn. Er blidte schneü 
auf, und äls die Dame nach Graf Lubins 
Gemächern fragte, lächelte ex vergnügt. 
„Nun, da wäre ich ja endlich auf der 
Spur. Kein Wunder, daß mein Forschen bisher 
vergeblich war. Wirklich Graf Lubin! nun 
ich werde den saubern Patron nicht mehr so 
leicht aus dem Auge verliern.“ 
Zephyr folgte inzwischen dem Kellner und 
pochte, nachdem sie sich jede Meldung ver⸗ 
deten, an die bezeichnele Thüre. 
Der Graf, der eben ein Album durch⸗ 
blätterte, erhob sich schnell und zrat der Dame 
zntgegen. Zephyr schlug den Schleier zurück; 
dubin erbleichte, sein ganzes Wesen verrieth