Full text: St. Ingberter Anzeiger

verständlich an Ihn. Würden Sie mir wohl 
gütig die näheren Umständen seines Todes 
mittheilen, ich habe sie, eigentlich nie genügend 
erfahren.“ 
Das bleiche Gesicht wurde noch farbloser, 
die Stimme klang rauh und heißer. 
„Es bleibt mir wohl nichts zu sagen 
ührig. denn ich war bei dem Ung,ück nicht 
zugegen. Er verließ das Hotel und begab sich 
allein hinaus auf den See. Man fand bdas 
tleineBoot umgeschlagen und teer. Das ist 
Allcs oas ich oder irgend Jemand zu sagen 
bermag. 
tohß all der Willenskraft, mit der er 
jeden Nerb, jede Muskel beherrschte, bod ein 
schwerer Seufzer die gequälte Brust. 
„Sie fühlen seinen Verlust mit uns,“ 
sprach die Wittwe leise und traurig. — 
Sein Tod änderte mein ganzes Leben, 
mein ganzes Sein,“ entgegnete Cuthbert 
haig. 
Und doch widersprechen die Umstände 
seines Todes Hugo's Caaratter. Er war weder 
unvorsichtig, noch leichtsinnig. Ein e genthüm⸗ 
liches Geheimmß scheint über den Verhältuissen 
zu schibehen, und ich hoffte, Sie würden es 
zxklären können.“ 
„Ich kaun es nicht. So groß Ihr Verlust 
übrigens auch ist, glaube ich doch, daß es 
Trost für jeden Jammer gibt. Ich ?abe lauge 
Jene beneidet, welche des Lebens stürmische 
See glüchlich durchschifft haben und zur Ruhe 
des andern Ufers eingegangen sind·· 
„So unnatürlich derlei Worte von Ihren 
Lippen auch kingen,“ entgegnete Mrs. Cart⸗ 
right traurig, „vermag ich deren Wahrheit 
doch nicht zu leugnen. Ich kann den Tod 
meines Sohnes auch ertrageu, während ein 
ehrloses Leben mir das Herz bräche.“ 
Langsam uud nachdeullich wandte sich 
Mrs. Cactright zu ihrer Tochter. 
„Wir besuch n auf dem Heimweg Lyle 
Hall,“ flüsterte ihr diese vergnügt zu. 
Seufzend blickte die Mutter von dem strah⸗ 
kenden Autliiz der Tochter auf den jungen 
Mann. 
Fürchten Sie nichts,“ hauchte Genevra 
kaum hörbar, „ich bewache ste, wie der Hirte 
lein einzig Lamm bewacht, wenn der Wolf 
nahe ist.“ 
„Der Wolf?“ fragte Mrs. Cartright 
erschreckt, „ist er wirklich so schlimm 7* 
Früher glaubte ich es,“ entaegnete Ge⸗ 
nevia erröthend, „meine jüngsten Erfahrungen 
aber widersprechen der Annahme. Man möchte 
glauben, ei habe seine Identität verwechselt.“ 
Mirs. Curtrights heftige Aufregung erschien 
Genevra völlig grundlos und unerkläclich. Sie 
preßte erbleichend die Häude zusammen, erhob 
sich. sank wieder zurück und seufzte tief und 
jichwer. 
„Du lieber Gott,“ klagte Genevra, „nun 
habe ich Ihnen ganz falsche Begriffe beige⸗ 
bracht. Es ist wirklich kein Grund zu Befürch⸗ 
tungen vorhanden. Ich wollte nur sagen, ich 
werde nicht gestatten, daß er sich in Kitty's 
X 
„Glauben Sie, daß er sich für Kitty 
mehr interessirt, als zum Beispiel für Sie ?“ 
„Das wagze ich nicht zu behaupten. An⸗ 
fangs verrieth er allerdings innere Bewegung 
und großes Interesse, dann aber gelangte ich 
zu der Ansicht. daß er sich für Kitty nur als 
hugo's Sqhwester interessirt.“ 
„Was hadt Ihr denn so ernstlich u de—⸗ 
prechen ?* rief Kitin fröhlich dazwschen, „das 
sieht ja aus wie ein Kriegsrath— 
Vielleicht ist er's auch,“ lächelte Ge— 
nevra mit kluger Wendung, „hast Du Tante 
Barbara das Mimmturbilochen gezeigt ?“! 
„Nein, ich will es sofort holen“ 
Sie eilte fort und gab ihrer Mutter da 
durch Gelegenheit noch einige Worte mit Ge⸗ 
nevra zu wechseln. 
Das Betrachten des Gemäldes zerstreute 
einigermaßen die WMolke steifer formeller Ar⸗ 
tigkeit. die auf Allen ustete. 
Beim Abschied umarute Mrs. Cartright 
die Tochter, empfahl sich in herzlichster Weise 
den beiden Damen und bot Loro Cuthbert 
die Hand, bevor dieser die Handschuhe ange⸗ 
Jogen batte. Als sie die kalten debenden Fin« 
zer berührte, blickte sie fragend zu ihm auf. 
Benevra sah den Edelmann erbdleichen, ein 
vildes Weh über die farblosen Züge gleiten 
und forschte umsonst nach dem Raihsel der 
auffallenden Erscheinung. 
Als die Hufe der Pferde in der Ferne 
berhallten, stand Mrs. Cartright bewegungs 
sps wie eine Statue auf der Veranda, und