Full text: St. Ingberter Anzeiger

Unterhaltungoblatt 
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— SteIngberter Anzeiger.— 
Xr. 20. Dienstag, den 14. Februar 
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Lord Lyle. 
Nach dem ameritanischen Originale des 
Charles, T. Manners. 
Frei bearbeilet von Lina Freifrau v. Berlepsch. 
. Mumbs.) —— 
Gortsetzung.) 
Bruder Anfelm gehorchte. Sein starker Arm 
stützte die kraftlose Gestalt und trug sie bei— 
nahe in die nächste Zelle, in der ein junger 
bleicher Mann in bewußtlosem Zustande ruhte. 
Die Züge des Antkitzes waren edel, Hände 
und Füße zart gebaut, die ganze Erscheinung 
derrieth gute Geburt und Erziehung. 
Vater Leon mochte das fühlen, als er, 
schwer an Anselms Brust leynend, das bleiche 
Antlitz lange betrachtete. 
„Ich glaube dieser Mann wird Euch noch 
zum Segen. Seit ich ihn zuletzt sah, hat er 
sich enischieden gebessett. Das Gehrernfieber hat 
ihn verlassen, und went er zu sich kommt, 
wird er alle Räthsel losen. Sollle er sich je⸗ 
doch nicht an alle Erlebnisse erinnern, so gebt 
ihm das Papier, das sich in meinem Brevier 
befindet. Es enthält die Bekenntnisse des in 
voriger Woche verstorbenen Schiffers Anton. 
Er hatte den Fremden aufgefunden, für todt 
gehalten und betaubt; da er ihn begraben 
wollte, entdedte er Vebenszeichen und versteckte 
ihn, bis der Tod eintrete. Det junge Pdann 
aber starb nicht, und in seiner Angft brachte 
ihn der Dieb Nachts vor unser Kloster. We⸗ 
nige Monate später lag er selbst am Tode, 
und nun quälte ihn diese letzte Uebelthat mehr, 
als alle Simden des vergangenen Lebeus. 
A Wege sind duntel. Wer weißß, 
mit wem unsere verhungernden Brüder ihr 
letztes Stückchen Brod theilten. Bruder Auselm, 
ich empfehle in Deiner Sorg ““ 
„Ja, ehrwürdiger Vater ach!“ Der 
Schreckensruf ertönte als sich des Kranken farb⸗ 
lose Lider öffneten und blaue: Augen, träu⸗ 
merisch und verwundett uuft das seltsame Paar! 
starrten. VTangsam, aber sichtlich kehrte. das 
Bewußtsein wieder, als die Blicke fragend iu 
der engen Zelle umherittten und schließlich 
zögernd zu den Mönchen zurückkehrten,e deren 
Anblick für schwache Nerven allerdings nicht 
bernhigend erschien, Vater Leons todteubleiches 
Untlitz mochte wohl für das einer Leiche 
gelten, während Buider Aufelms gelbes run⸗ 
zeliges Gesicht mit dem glattgeschorenen Haupte 
and den runden, bleifarbenen Augen, in wel⸗ 
hen sich Schrecken und Erstaunen spiegelten? 
eine lehbende Mumie vorstellen mochte. 
„Im Namen aller Phataonen, bin ich in 
einer Pyramide zum Bewußtsein erwacht ? 
fragte eine schwache/ aber imelodische Stimme. 
Friede sei mit Dir, mein Sohn.“ emt⸗ 
zegnete Vater Leon sanft, „Dein Leden wurde 
wunderbar erhalten ·⸗ 
Sprachlos vor Erstaunen starrte ihn der 
Fremde an. J— 
„Im Namen des Bösen, wer seid Ihr ẽ 
ich dachte Pharao sei lange todt.“ Bruder 
Anselm bekteuzte sich, der Prior sah gekränkk 
aus. Keiner von Beiden begriff das souder⸗ 
bare Bild, das ihre langen Gewänder und 
abgezehrten Gesichter in Ktopfe des Fieber⸗ 
franken hervorriefen. 
Mein Sohn,“ beganu Vater. Veon vor⸗