Full text: St. Ingberter Anzeiger

Wieder lachelte der Kranke. 
Und Ihr seid wirklich arm und hunger: 
hülflos nach kräftiger Nahrung?“ 
„Ja, aber unser seliger Vater Leon sagte, 
daß der Segen kommen werde, und wir war⸗ 
en in Glauben und Vertranen.“ 
Er ift gekommen; sehen Sie,“ ob das 
Ihr Segen ist 4* 
Vaier Anselm nãherte sich mit glänzenden 
Augen und freudig erregten Zügen. Ein 
scharfes Hedermefser hatte das Futter der 
Sammtweste losgetrennt und heraus rollte 
funkelndes Gold. J 
„So viel wenigstens habe ich, mein edler 
Freund, nehmen Sie es für Ihre Brüder, 
er dehalten Sie mich, bis ich stark genug 
vin, um für mich selbst zu sorgen ·“· 
Friedlich lächelnd wandte sich der Frende 
und entschlummerte. J 
Vater Auselm eilte zu den Brüdern. * 
Der Segen ist gekommen.“ Vater Leon's 
Prophe zeihung hai sich erfüllt; nun wissen 
wir dewiß. daß er unter den Stligen weilt.“ 
nnd die Moönche schaarten sich in stillem 
Entzücken um ihn. 
XV. * 
Ein Schaden am Sattelcurt verursachte 
großen Umschwung in den Plänen der kleinen 
Zesellschaft, die so fröhlich und vergnügt 
Honeysuckle und Cottage verlassen hatte. Sie 
defuchten auf dem Ruͤckwege Lyle Hall, be⸗ 
wunderten die zahllosen Reize des Schlofses 
n der Gärten und fanden es unbegreiflich. 
daß der Herr des Hauses so kalt und gleich⸗ 
auitig über Alles weggehen konnte, ja selbst 
sichtlich erleichtert schien, als man die Pferde 
borführte. Das Mißgeschick ereignete sich ge⸗ 
legentlich der Abreife. Kitty's Sattelgurt war 
beschädigt, und als sie fich fröhlich auf's 
Pferd schwang, brach der Riemen, und sie 
stürzte zurück. Lord Cuthbert brachte sie so 
schnell als möoglich aus der gefährlichen Nach- 
borschaft der Husfe. 
tim lachie erst über die eigene Unge⸗ 
schicklichkeit, und wollte sich erheben, der bloße 
Versuch aber ließ sie vor Schmerz aufschreien 
Inb erbleichend zu Culhderts Füßen sinlen. 
Genevra Lloyd sprang von Pferde und 
heugie sich üder die Freundin. 
Bitte tragen Sie sie jin's Haus; sie 
muß den Fuß verlehßt haben ·“·5 
Der junge Mann hob das bewußllose 
Madchen mit starkem Arm auf und trug sie 
in's Schloß. Sah Genevra, daß er fich über 
das bleiche Au'lit beugte und einen leisen 
uß anf die kalte Wange preüte J 
„Helfen Sie Miß Barbara vom Pferde 
und geleiten Sie sie hierher,“ sprach sie in 
Jiemtich herrischem Tone. Cutbbert legte die 
Ohnmächtige auf das nächste Sopha und ge⸗ 
horchte schweigend. 
Als er mit Fräulein Evesham zurüdkehrte, 
tniete Genevra vor dem improvisirten Lager 
und uutersuchte sorgfältig den verlezten Fuß. 
sitty selbst war wieder zu sich gekommen. 
778 ift nicht so schlimm,“ rief sie, „ich 
habe nur den Fuß verrenkt, und das traurigste 
an der Sache ist, daß ich nicht werde heim⸗ 
reiten tönnen.“ 
„Soll man nicht nach einem Arzt senden, 
damit sich nicht ein bleibendes Uebel entwi⸗ 
kele ? fragte Genevra ernst. 
Es ii bereits geschehen,“ entgeunete der 
junge Hausherr. 
Der Arzt verbot jede anstrengende Be⸗ 
wvegung. 
„Die Kranke im Wagen fortbringen 7 
warum nicht gar. Sie hätte leicht in ein 
schlechteres Revier fallen können, und wenn 
sie baldige Genesung wünscht, bleibt fie ein⸗ 
fach, wo sie ist.“ 
Kirty schaute bekümmert“ auf Genevra, 
Tante Barbara aber endete die Frage schnell. 
.Die Sache läßt fich ordnen, statt, daß 
Du uns zurückbegleitest, Cuthbert, nehmen wir 
Deine Gastfreundschafi an und bleiben doch 
fröhlich beisammen.“ 
„Danke, Tantchen,“ rief Lord Lyle frendig, 
Sie wissen wohl, wie sehr mich dieser Vor⸗ 
schlag ehrt und freut. Ich werde Rrs. Erune 
sosort die nothigen Befchle ertheilen und bitte 
die Damen ihre Gemächer zu wählen.“ 
Genevra spielte verlegen mit einer Quaste. 
Wie lange mag's dauern, bis Mrs. 
Tartrigot fortgebracht werden kann ??)* 
„Ich verlange nur eine Woche absoluter 
Nuhe,“ entgegnete der Arztz. 
„Du lässest doch Deine Mutter bolen, 
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