Full text: St. Ingberter Anzeiger

Vruder wieder zu finden — o Tanichen, waß 
soll ich uoch wünschen ß55 
Sind ia der⸗ Sache schon Schritte ge⸗ 
schehen ?“ unterbrach Genevra das lindlich 
frohe Geplauder. 
..Lord Cuthbert begibt sich heute selbst in 
die Stadt, weil ihm die schriftliche Nachricht 
nicht genügt,“ bemertte Mrs. Cartright. 
„Run, Sie haben doffentlich eingesehen, 
daß Sie, trotz Cuthberss Jugend, keinen 
bdessern Rathgeber finden lonnten, als ihn.“ 
sphach Miß Barbara flolz,und ich glaube 
behaupten zu dürfen, daß der Beweis seiner 
Sinnes- und Chatakteränderung nun genügend 
geliefeit ist.“ 
Igh stimme Ihrer Ansicht von Herjen 
bei,“ bekräftigte Genevra ernst, „es ist auch 
meine Ueberzeugung, daß Lord Cuthberts 
Tharakter übet jeden Tadel erhaben ist. 
.Danke, danke, Genevra,“ rief das alte 
Fraͤulein vergnügt. „Sie wissen, wie mich 
hieses Wort gerade von Ihnen freut.“ 
Genevra's Bemetkung war aber auch zu 
anderen Ohren gedrungen. Untet einer offenen 
Thüre stand Lord Cuthbert mit einem Briefe 
in der Hand, und obgleich sein Auge sich auf 
Fans Papier jeukte, verriethh die Rothe seines 
jünilihes doch, daß ihm des Madchens Worte 
nicht entgangen. Auf der andern Seite waren 
Mir. Llohd und Graf Lubin eben eingetreten 
und auch sie hatten wahrscheinlich die Scene 
mit angesehen, Genevra wenigstens verstand 
den zornigen Blick, den Lubin dem Gutsherrn 
zuwari. 
„O daß es ihn forttriebe!“ dachte sie. 
Dieer Wunsch allein bewieß. wie wenig 
sie ihn zu beurtheilen verstand. Der durch 
des jungen Mädchens Worte bedingte Arg⸗ 
—V— Lyle Hall 
nicht zu verlassen, so hauge! die Llond dort 
weilten. 
Noch am gleichen Tage folgte er Lord 
Fulhberi unter dem Vorwande, den Stand 
der Felder zu besichtigen und bevor sie zu⸗ 
rüctamen, halte er seinen Zwederreicht, d. b. 
er hatte eutdect, daß der junge Eoelmann 
Henebra liebe, daß aber irgend welcher Grund 
rasches Vorgehen verbiete, uud hatte ihn mit 
der vertraulichen Mitheilung überrascht, daß 
a mit des Vaters Benehigigunz sich um Ge⸗ 
hepra bewerbeß.. 3 
Diese Nachricht war niederschlagend für 
Lord Cuthbbert, der sofort fühlte, daß, troß 
aller vermeintlichen Enmssagung, die Hoffnung 
die Geliebte zu besißen, doch tief im Herzen 
wurzele. 
Nachdem der Graf erreicht hatte, was er 
gewünscht, verließ et Lord Cuthbert, zu dessen 
großer Erleichtetung, als fich ihm ein Ober⸗ 
aufseher nahte und schrikt langsam dem Hause 
zu. Der breue Beamte bemerkte sofort des 
Bebieters Zerstreuung und Aufregung. 
„Soll ich Ihnen die Abrechnungen nicht 
lieber heute Abend bringen ? es ist jetzt warm 
und ich fürchte Euer Gnaden sind nicht wohl.“ 
.Ja. Watson, es wird besser fein.“ 
EErlanben Sie mit noch eine Bemerlung, 
Mylord. Seit ungefähr acht Tagen streicht 
rein junger Mensch um das Gut und scheint 
zu spioniren. Er hat sonderbares Gebahren 
iind macht bald den Eindruck der Verheim⸗ 
lichung, bald der Verrückth⸗it. Sein Gesicht 
jann man nicht sehen, denn er gibt Zahnweh 
vot und hält sich den Kopf verbunden. Ich 
degegnete ihm selbst einige Mal und fragte 
hn neulich, was er eigentlich hier wolle? 
ünsere gegenseitige Neugier fand aber wenig 
Befriedigung, denn er wollte mich über die 
Befuche im Schlosse ausforschen. Dann erkun⸗ 
aigte er sich noch um das Gut, die Mühle, 
die Dienerschaft und die Taglöhner und schien 
äch jür Alles lebhaft zu interessiren. Aus ich 
m sagte, was die ganze Gegend behauptet, 
daß es nie einen Lyle gegeben mit solch klarem 
Ropf und hochterzigen Charakter, wie Euer 
Huaden, wiederholle er die Worte und seufzte 
so tief und schwer, daß er mich wahrhaftig 
dauerie. Dee Sache war mir auffallend, und 
ich nahm mir die Freiheit, eß zu melden.“ 
Lord Cuthbert hatte erst gleichgültig zug 
gehört, dann erbleichte er plößlich. 51 
Wie sah der Mann aus, Walson?“ 
TDas ist schwer zu sagen, Euer Gnaden. 
denn er trägt einen großen Zahnbund, hat 
die Mütze tief in die Stirne gedrüdt und den 
Rockkragen hinaufgeschlagen. Jedenfalls aber 
muß er erst krank gewesen sein, denn das Ge⸗ 
sicht ist abgewagert und die Hände weiß. wie 
die eines Wiegenkindes.“