Full text: St. Ingberter Anzeiger

Sl. Ingberler Anzeiger. 
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Dienstaq, den 2. Januar «221872 
M 1. J — 
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*,* St. Ingbert, 1. Januat 878. 
9— Als An vorigen Neujahrstage der königl. Oberfeldherr der 
Fuutschens Heere im Kreise der Fürsten und Generäbe zu Versailles 
die denkwürdigrn Worte sprach: „Ich erhebe mein Glas, um das 
neue Jahr zu begrüßen; auf das vergangene blicken wir mit 
Dank, auf das beginnende mit Hoffnungen; der Dank gebührt dem 
Heere, das von Sieg zu Sieg geflogen, — die Hoffnungen richten 
aͤch auf die Krönung des Werkes, einen ehrenwollen Frieden“; da 
brannte die Kriegsfackel freilich noch in vollem Feuek, doch ducfde 
schon der schließliche volle Sieg als gesichert gelten. Im Norden, 
Westen und Osten; Frankreichs hatten unsere Heere noch heiße 
sKampfestage, die aber alle Ehren und Siegestage für sie wurden, 
zu bestehen und schließlich erlag auch die übermüthige Hauptstadt 
Paris ihrem unvermeidlichen Geschicke. 
So brachte uns deß abgelanfene Jahr Sieg auf Sicg über 
wälsche Waffen, gleich dem Siegesjahre 1870 und endlich auch 
die „Krönung des Werkes“, den heißeriehnten Frieden. Und ehren⸗ 
boll war für uns dieser Frieden, denn wir haben erreicht, was 
eit der Zeit unserer Väter für Deutschland erstrebt wurde: De 
Finheit und deren organische Gestaltung, die Sicherung unsecer 
Grenzen mit einem schon vor Jahrhunderten verloren gegangenen 
Stücke guten deutschen Bodens, den beiden Provinzen Elsaß und 
Deutsch⸗Lothringen und die Unabhangigkeit unserer nationdlen 
Rechtsentwickelung. Atso S'eg, Frieden, Einheit, diesen herrlichen 
Dreillang brachte uns das verllossene Jahr.. 
Und so steht nun Deutschland da, gewaltiger unsgeachteter 
als je zuvor, stark und selbstbewußt als der zuverlässige Horxt und 
Bürge des europäischen Friedens,; aber deßwegen nicht übermüthig, 
nicht herausfordernd. Drum dürfen wir hoffen, daß der heißer— 
fämpfte Frieden ein dauernder sei. Und diese Friedenszuversicht, 
sie eutspricht in vollsten Maße dem Sinne und. Geist, welcher die 
Völker selbst erfüllt. So werden die Fragen, die nach der Lös⸗ 
ung der großen deutschen und italienischen noch von Zeit zu Zeit 
von sßich sprechen machen, von der Alles reifenden Zeit ohne große 
Wehen schon zur Entbindung und Lesung geführt werden. Unter 
allen Umständen aber bietct die Friedensbestimmung in ganz Eu⸗ 
ropa und der halsächliche Stand der politischen unb militärischen 
Verhältnisse Reu⸗ Deutschlands so starke Bürgschaften des Friedeus, 
wie sie kaum jemals dorhanden waren. 
Und im Vertrauen auf einen dauernden Frieden widmet sich 
unser Volk mit rastlosem Eifer den Arbeiten des Friedens, dem 
Ausbau seines glorreichen Hauses im Jnnern. Ein Blick auf das, 
was bis jetzt in dieser Hinsicht geschehen ist, läßt erkennen, wie 
dedeutsam, wie erfreulich die Ergebnisse dieser Arbeit sind. Läßt 
auch der thatsächliche Stand unserer inneren Angelegenheiten noch 
mauches zu wünschen übrig, gute und starke Fundamente der Frei 
heit und Volkswohlfahrt, sind gelegt und unser deutsches Volk 
besitzt die Kraft, sofern es nicht am Wollen fehlt, darauf. weiter 
zu' dauen. Wenn audh allenthalben particularistische Sonderlinge 
bdem Fortschritte der freiheitlichen Gestaltung Deutschlands ein 
Bein zu stellen suchen; diese bleibt doch in stetem Flusse. Die 
Bestrebungen jener werden schadlos vorübergehen, wie der Sturm 
im Glase Wasser und den Drang nach Außen nur wachsen ma⸗ 
chen. Der Geist läßt sich nicht dampfen.“ Kämpf wird es 
freil.ch geben, aber ohne Blut und Gisen; jenen Kampf, von dem 
Georaoͤ Herwegh sagt:: 1 eee 
Ein Kampf muß uns noch werdhen — 
Und drinn der schönste Sieg, —3 3 
Der letzte Kampf auf Erden. * — 
Der leßte heil'ge Krieg.““ 
Doch soll das Großs und Ganze seine Aufgabe erfüllen, so 
dersäume auch der Einzelne nicht, seine Pflicht zu thun. Dem 
Brundsatze zu leben: für Vaterland, Recht und Freiheit zu kam⸗ 
In, muthig und ruhis seine Pflichten zu erfüllen, — dies sei das 
Belbrnißz eines jeden Einzelnen am ersten Tage im neuen Jahre, 
and wenn er dann im Laufe desselben dieses die leitende Richt. 
cchnur seiner Thuns und Handelns sein läßt, so wird auch das 
Jahr 1872 als Ehrenjahr in der Geschichte Deutschlands ver⸗ 
eichnet stehen. 
In diesem Sinne, freundl. Leser, bessen Gruß und Glückwunsch 
um neutn Jahre! 
Deutsches Reich. 
München, 30. Dec. Durch kgl. Entschließung wurden 
Zollzugsbestimmungen zum deutschen Kriegsdienstgesetze hinsichtlich 
er Dienstzeit der Wehrpflichtigen erlassen, aus welchen wir folgende 
wei Hauptbestimmungen mittheilen: 1) Alle Wehrpflichtigen, welche 
im 1. Januar 1872 ihre Dienstzeit in der aktiven Armee und 
Keserve noch nicht zurückgelegt haben, sind zur Uebernahme eines* 
zierten Dienstjahres in der Reserve verpflichtet und treten erst nach 
hollendung dieses vierten Reserve⸗ Dienstjahres in die Landwehr; 
renselben üegt demnach einschlüssig der fünfzährigen Dienstver pflich⸗ 
uug in der Landwehr eine Gesammtmilitär-Dienstzeit von 12 
zahren ob. 2) Diejenigen Wehrpflichtigen dagegen, welche nach 
Ren bisherigen Bestimmungen mit dem 1, Januar 1872 berrits 
n die Landwehr überwiesen sind, werden don obiger Beftimmung 
zinsichtlich der Dienstzeits-Verlängerung nicht berührt und sind da⸗ 
jer nach Vollendung einer eifjährigen Gesammtdieunstzeit mit Ab⸗ 
chied zu entlassen. 
Mänchen, 30, Dec. In klerikalen Kreisen wird erzählt, 
daß der Benediktiner - Abt von St. Stephan zu Augsburg, ein 
Mann in den fünfzigeren Jahren, zum Bischos von Speyer aus⸗ 
ꝛrse hen sei. ————— 
Wiesbaben Im' den' beiden Kreisen des Westerwaldes 
ind gegenwärtig nicht —wentger als 22 Lehrerstellen unbesetzt. 
Wenn man bedenkt,“ daß heutzutage ein gewöhnlicher Grubenar« 
heiter (ein solcher verdient nämlich 25æ530 Sgr. per Tag) mehr 
erdient, als mancher⸗ Lehrer, dann kann man sich eher darüber 
ouudern, daß nicht eine noch größere Anzahl Lehrerstellen vaccant ist. 
Berluin, 30. Dec. Wir erwähnen bereits, daß dein Reichs— 
'ag in seiner nächsten Sefsion ein allgemeines Münzgesetz vorgelgt 
verden wärde, wie denn ein solches nach Einführung neuer Reichs⸗ 
goldmünzen auch gar nicht länger zu entbehren ist. Ueher die 
Principien, welche hierbei werden beobachtet werden, theilt man 
zer „Berl. Börs. Ztg.“ nun von gut unterrichteter Seite Folgen⸗ 
Hez mit: Das Geseß soll -die Ausgabe. von Scheidemünzen und 
deren Ausprägung regeln, nachdem darch das Gesetz über die Aus— 
»rägung von Reichsgoldmünzen bereits die Ausprägung größerer 
Bertbstücke geordnet ist. Selhstverständlich wird in dem neuen 
Besetz die Mark à 100 Pfannige als die MuünzeEinheit angenommen 
vderden. Es werden zur Ausprägung gelangen Jehn.Pfennigstücke 
son denen 1035 Stück ein Pfund feines Silber enthalten und 
227 740. Stück ein Pfund wiegen werden.‘ Ferner Fünf-Pfennig 
zuücke mit dem halben Werth in Silber und Kupfer, Zwoxöftn 
nigstücke und Ein-Pfennigstücke in Kupfer mit dem entspr. Beudr 
Werthverhältniß. Von höheren Silberstücken würden auszuhragen 
ein Viertelmarkstücke im Werthe von 25 Pfennigen, Halbemarkstücke 
m Werthe von 50 Pfennigen, Markstücke und Dreimarkstücke, die 
unseren gegenwärtigen Thalern im Werthe gleich stehen. Die Prägung 
zieser Silbermünzen soll derjenigen der neuen Goldmünzen voll- 
ommen entsprechen, so daß auf der einen Seite das Bildniß des 
dandesfürsten, auf der anderen der Reichsadler“ wit darunter be⸗ 
findlicher Werthangabe zur Ausprägung gelangen werde. 
Die „Germama“ meldete dieser Tage, es wäre vielfach dak 
Gerücht verbreitet, der Cardinal Prinz Hohenlohe solle Jum Primae 
don Veutschland“ ernannt werden. 34,8 nun die Kreuz⸗ 
eitung: Wir haben voa dem Gerücht weder das Mindenste gehört, 
roch köͤnnen wir demselben irgend, welche Glaubwürdigteit bei⸗ 
nessen. — 
Frankri —— — J 
Paris, 28. Dez. Wie vorauszusehen war hat Baron Al- 
hons von Rothschild die Ehre abgelehnt, mit irgend einem Can⸗ 
idalen der Rue d'Arras um einen Sitz in der Nationalversamm⸗ 
ung zu competiren und Pearschall Mac Mahon ertheilte der Umon