Full text: St. Ingberter Anzeiger

Sl. Ingberler ZAnzeiger. 
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1 — J— 
— *.*SGSt. Ingbert, 16. Februar. 
Das glorreich erstandene neue deutsche Reich unter dem Scepter 
ines Königs von Preußen als deutschen Kaiser, es ist das Un⸗ 
ugenehmste, das Widerwärtigste, das Ungelegenste, was das 
Schicksal unseren Ultramoutanen und Jesuiten bringen konnte; es 
st für sie, wie man zu sagen pflegt, ein Schlag ins Compioir. 
daß sie nun mit allen möglichen deutschfeindlichen Elementen 
unerhalh und außerhalb der Grenzen Deutschlands Verbindungen 
iagehen und anzustreben suchen, um mit deren Hilfe dem neuen 
deutschland so bald als möglich die Lebensflamme auszublasen, 
es ist dies die einfache Cousequenz, die aus ihrer Stellung und 
Tendenz dem Reiche gegenüber folgt. Interessante Schlaglichter 
zuf diese Bestrebungen wirft ein unter dem Titel „esuitische 
hläne“ kürzlich erschienener bemerlenswerther Artikel der „Pfälz. 
host.“ 
„Es unterliegt wohl keinem begründeten Zweifel mehr, daß 
on Rom aus eine Aussöhnung mit Rußland im Werke ist. Wenn 
wir dies nicht aus römischen Correspondenzen wüßten, so müßte 
s uns die Haltung der clericalen Presse Europas deutlich ver⸗ 
ünden. Diese wird nicht nur in religiösen, sondern auch in 
„olitischen Dingen von Rom inspirirt und commandirt. Auf 
Fommando Roms schweigt sie, auf Commando redet ste, auf 
sommando lobt und tadelt sie, auf Commando macht sie von 
zeute auf morgen die külmsten Schwenkungen und fällt den wüthend 
in, dem sie gestern noch aus der Hand gegessen hat. So eileben 
sir es denn, daß sie plötzlich mit dem Wuthgeschrei gegen Rußland 
zachgelassen hat; das bedeutet: Es sind Unterhandlungen im Werk. 
dierauf hört man in der Genfer Correspondenz einige günstige 
leuferungen über den Großfürsten Michael, der in Rom Besuch 
ibstattete; das heißt? die Verhandlungen stehen günstig. In einigen 
Vochen wird man in allen ultramontanen Blättern von dem „edlen 
daiser Rußlands“ lesen, der allen humanen Bestrebungen zugänglich: 
st, und an dem sich die anderen Fürsten Europas ein Beispiel der 
Toleranz nehmen könnten; und der staunende Leser kann sich nicht 
klaren, wie der „blutrünstige Barbar, dessen Hände geröihet sind 
„om Herzblut der edlen Polen“, wie der „Unterdrücker der katho— 
ischen Kirche in Polen“* (in welch' schmeichelhaften Redensarten 
ich die Ultramontanen bis vor kurzer Zeit über den Kaiser von 
kußlaud ergingen) plötzlich zu dieser neuen schönen Rolle gekommen 
it. Sollte dieses Stadium eintreten, so würde das so viel bedeuten 
ds „die Unterhandlungen sind fertig, der Bund zwischen Roin! 
ind Rußland ist geschlossen. — 
Was wollen die Jesuiten in Rußland, was suchen sie bei 
jem Todfeind ? Um welchen Preis werden sie das Polenbolk 
ait seinen Gegnern aussöhnen. und ihre Diener in Polen! 
uu getreuen Knechten russischer Politik machen? Was müßte der. 
Har bieten, wenn die Achillesferse des Reichs, der nationale Haß 
dolens durch Rom aus dem Wege geschafft würde? — 
Sehen wir uns nach dem Preis um, um welchen das Polen⸗ 
»olk vertauft wird, so kann es nur die Allianz Rußlands mit 
dom gegen Deutschland sein. Man hat die Eifersucht mancher 
anächtigen russischen Kreise gegen Deutschland bemerkt, man streckt 
ine Hände aus nach Bundesgenossen, um den gehaßten Feind zu 
ernichten. Die Netze der Jesuiten sind nicht nur nach Peters⸗ 
urg, sie sind noch mehr nach Paris ausgeworfen, wo man mit 
ler Kraft die Sache der Bourbonen und die weiße Fahne unier 
ützt, wo um jeden Preis der König Heinrich V. den Throun 
esteigen soll. Damit wäre die Tripciallsanz: Rom mit seiner 
reissigen Armee, Frankreich und Rußland, abgeschlossen. Gegen 
ven dieselbe sich richtet, daͤrüber kann dem Einsichtigen kein Zweifel 
ein. Die Staaten, welche die ueueste Zeit geschaffen hat, welche 
or Allem dem Jesuilismus feindlich gegenüberstehen, sind Deutsch— 
and und Italien. — Italien zu zertrümmern, die Bourbonen nach 
Neapel und Madrid, den Papst auf den weltlichen Thron zurück— 
uführen, den Kaiser von Oesterreich zu umgarnen, Frankreich 
kcvanche gegen Deurschland zu bieten und Raßland, den gefürch- 
eten Nebenbuhler im Herzen Europus vom Halse zu schaffen, das 
ind große, weitreichende Pläne, aber nicht zu groß für den Je⸗ 
juitismus, der schon Größeres ersonnen und ausgefühet hat. 
Zugegeben. daß wir vielleicht auch zu schwarz sehen. mag 
auch der Bund zwischen Rußland und Frankreich noch in weiter 
Ferne liegen, das sind wir überzeugt, die Freundschaft der Jesuiten 
mit Rußland bedeutet eine Teufelei gegen Deutschland, und es 
dürfte wohl der Mühe werth sein, daß Fürst Bismarck sich einmal 
näher besähe, was dort im Osten gesponnen und ersounen wird.“ 
Und Fürst Bismard kennt wohl seine Pappenheimer; er ist 
nicht der Mann, der eine Sache aus den Augen verliert, die ihre 
Spitze richtet gegen ihn und sein Werk, und als solches wird die 
Geschichte das neue deutsche Reich mit dem wieder erstandenen 
daiser in ihren Blättern verzeichnen ; er weiß einen Hieb, und 
pürde er auch von tückischer Jesuitenhand geführt, wohl zu pariren. 
Daß er auf der Warte steht, das hat er seinen Feinden neulich 
gesagt, und daß er mit seinem Argusauge auch ihre feinst gespon⸗ 
nenen Fäden bis in die geheimsten Werkstänten hinein verfolgt, 
das kunnten sie aus seinen weitern Außerungen mit Evidenz heraus 
lefen. Aber sie treiben es auch weit, mit jedem Tage stellen sie 
sich ungeberdiger, zeigen sie es klarer, daß ihnen der moderne 
Ztaat, in dem nur das Gesetz, nicht eine Partei oder ein Stand 
herrscht, ein Dorn im Auge ist. Ihr Haß gegen ihn treibt sie 
zur Flucht vor der Idee des modernen Staales überhaupt, den 
sie den heidnischen, den gottlosen, den unchristlichen nennen. Ja, 
dise Aussicht ist ihnen genommen, deu deutschen Kaiser Wilhelm J. 
frierend im Büßerhemde im Hofse des Schlosses zu Canossa stehen 
zu seben, wie weiland Kaiser Heinrich IV. Und drob ihr Zorn, 
hre Agitation, angesichts derer miaan wohl mit Polonius sagen 
nuß: „Ist's Tollheit gleich, so hat es doch Methode!“ Verfolge 
ihre Pläne, und — Polonius hat Recht; es steckt Methode in 
der Tollheit. Doch ruhig! Mit Methode wird ihnen auch entgegen 
getreten werden und — ohne Tollheit. — 
Deutsches Reich. 
Münch en, 14. Febr. Der Abg. Dr. Anton Schmid hat 
als Referent des 2. Ausschusses der Kammer der Abgeordneten 
über den Antrag des Abg. Dr. Frankenburger und Genossen, die 
Gründung eines allgemeinen Staatsschulfonds und die Aufhebung 
des Schulgeldes für den Unterricht in den Volksschulen betreffend, 
den Vorschlag gemacht, zu beschließen, daß dem Antrag eine dolge 
nicht zu geben sei. Der Abg. Frhr. v. Stauffenberg hat hierauf 
in ver Sitzung des 2. Ausschusses 2 Anträge eingereicht: einen 
Podificationsantrag, der die Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs 
bezielte, durch welchen das Schulgeld für die Volksschuͤle aufge— 
hoben und der dadurch entstehende Entgang auf Gemeinde, Kreis 
ind Staat vertheilt würde, und einen Präjudizialantrag: daß die 
Sache bis zum Erlaß der neuen Geschäftsordnuung zurückgestellt 
werde.“ Bei der Abstimmung wird der Präjudizialantrag des 
Frhrn. v. Stauffenberg mit 6 gegen 2 Stimmen, dessen Modi⸗ 
icationsantrag mit 7 gegen 1 Stimme verworfen und der Antrag 
des Referenten mit 6 gegen 2 Stimmen (Irhr. v. Stauffenberg 
und Crämer) angenommen. Der Cultusmimster v. Lutz hatte imn 
der Sitzung erklärt, daß die kgl. Staatsregierung im Principe für 
die unbedingte Aufhebung des Schulgeldes ohne allen Vorbehalt 
jei; der unentgeldliche Unterricht sei eine nothwendige Folge des 
Schulzwangs. Was die Ausführung betreffe, so könne die Negier— 
ing gegenwärtig der Vorlage der Aufbesserung der Lehrer gegenüber 
ein solches Postulat nicht stellen. Mit der Uebernahme der ganzen 
dast auf die Staatskasse würd⸗ eine Ungerechtigteit gegen jene 
Hemeinden begangen, welche das Schulgeld bereits auf ihre Kassen 
lbernommen hätten. Die geforderte Summe von 10 Millionen 
würde bei weitem nicht ausreichen, da nach den Berichten der Re— 
zierungen eine nicht unerhebliche Vermehrung des Schulgeldes 
ringetreten ser; die Entnahme dieser 10 Milllonen aus der Kriegs⸗ 
entschädigung sei auch nichts weiter, als eine Deckung aus laufen⸗ 
den Mitteln. Gegen den Antrag des Abg. Frhr. v. Stauffenberg 
ich auszusprechen, habe die Regierung kelnen Anlaß, da er nu