Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Annzeiger. 
Der St. Ingberter Anzeiger (und das mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt, mit der Dienstags⸗ Donnerstagb und Sonntag 
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Dienstag, den 20. Februr 1872 
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3Zur Arbeiterfrage- 
Immer mehr und mehr setzt sich in drn weitesten Kreisen die 
Ueberzeugung fest, daß das Studium der socialen Frage nachgerade 
ein Gebot der Selbsterhaltung ist, und daß sich derjenige ein hohes 
Verdienst um die bürgerliche Gesellschaft erwirbt, weicher die Ur⸗ 
sachen dieser verhängnißvollen Zwietracht aufdeckt und die geeigne⸗ 
sen Mittel zur Versöhnung in Vorschlag zu bringen weiß. J 
Das Thema is so unerschöpflich, daß Jeder, welcher sctchh Deutsches Beich. 
damit ernstlich und gründlich befaßt, trotz aller Vorarbeiten in der München, 15. Febr. Auf der heutigen Tagesordnung 
Lage sein wird, neue Gesichtspunkte zu finden und allerhand der Abgeordnetenkammer stand der Antrag der Abgeordneten Dr. 
Zweifel aufzuklären; und selvst dann ist die Mühe des Forschers Frankenburger und Genossen betr. „die Gründung eines allgemeinen 
ine verlorene, wenn er sich darauf beschränkt, die bereits früher Staats-Schulfonds und die Aufhebung des Schulgeldes für den 
ermittelten wissenschaftlichen Ergebnisse zusammen zu tragen und Anterricht in den Volksschulen.“ Das Petitum geht dahin, die 
dem Leser durch eine klare und ansprechende Form zugänglich zu dammer wolle beschließen; 1) aus dem auf Bayern treffenden 
machen. Antheil an den französischen Kriegsentschüdigungsgeldern sei die 
Wo Selvstjucht und Leidenschaft im Innern toben, da versagt Summe von zehn Millionen Gulden zur Gründung eines Staats⸗ 
der Gehoͤrnerd gewöhnlich den, Dienst, und die Wahrheit muß Schulfonds zu verwenden; 3 das Schulgels für den Unterricht 
nderheli an das Ehr des Menschen. pochen, bevor ihr endlich an der Vollsschule ist aufgehoben, der Betrag desselben wird zur 
aufgethan wird. 33 * der e drwren aus den ginen de 
5 F — .ju errichtenden Staats -Schulfonds übernommen. — Die Tendenz 
— Art hr v lost derjenige der e des Anirages geht, wie aus den demselben beigefügten Motiven zu 
warmes Herz für die Interessen der Arbeiter hat und ihre Nothe gen M 
— 38 — —— 2 ersehen ist, dahin: die Volksschule und mit ihr die Volksbildung 
gern mildern möchte, sehr bald abgeschreckt wird, sobald er die * et 342 
AInvernünftigen Forderungen, den uͤnversöhnlichen Geist und die du heben, perneh essere ne BLage der chrer nacha ig zu 
deidenschaft kennen lernt, welche im Innern der Partei Platz ge⸗ de um un eich dem allgemein laut — auf 
ca Jaben und die gute Suche vergiflen. nentgerulich eit des Unterrichts in der Volksschu e gerecht zu werden, 
griffen Artr: welche Unentgeltlichkeit dem vom Staate mit Recht geübten Schul⸗ 
Andererfeits muß zugestanden. werden, daß viele Capitalisten wang enispricht. — Dieser Antrag hal schon im Ausschuß viel— 
ihre begünstigte Lebensstellung als ein selbstverständliches und un— fache Arfechlung erlitten, vg iree der Kamner die Äbweisung 
abände rliches Naturgesetz und die Ansprüche der arbeitenden Klasse hesselben mit 6 gegen A Stimmen ußfehlen Gegen den Amrag 
als eben so unberechtigt ansehen, wie der Sclavenhalter das Ver Durde namentlich geltend gemacht: der Ertrag des Werktags⸗ und 
langen nach persönlicher Freiheil bei seinen Sclaven für unberech: Zonmtags-Schulgeldes in Bahern betrage weit über 800600 fl. 
ligt erachtet haa. Wäürde man nun auch sämmiliche Zinsen des projektirten Schul⸗ 
Di allcrerste und unerläßlichste Voraussetzung füt den Frie- gnds ad 10 Millionen Gulden zum Zwicke der Aufhebung des 
den und die Versöhnung zwischen Capital und Arbeit ist die An- Schulgeldes verwenden, so wüurden diese Zinsen doch erst die 
ennung der lehleren als den höher berechtigten Factor der Zumme von 400000 Guiden decken und es müßte die größere 
Production. Hälfte von 4. bis 600,000 Gulden auf anderem Wege hiefür 
In dem Coalitionsrechte haben die Arbeiter ein wirksames Zufgebracht werden. Dazu aber kommt weiter, daß, um Allen 
Mittel zur Verfechtung und Durchführung berechtigter An— gerecht zu werden, auch für jene Kreise und Gemeinden das Schul⸗ 
sprüche erlangt. Die Coalitionsfreiheit ist eine der werthvollften deld bezahlt werden müßte, welche es bisher aus eigenem Antrieb 
Errungenschaften, die das Arbeiterihum in den letzten Jahrzehnten qauf das Kreiss und Gemeindebudget übernommen haben. In der 
erreicht hai. Durch die Coalition tritt die Ärbeit zum ersten Pfalz zum Beispiel werden nur 9097 Gulden und in Unterfrauken 
Maͤle dem Capital als eine geschlossene und organisirle Macht nur 36,890 Gulden Schulgeld von den Einzelnen bezahlt, weil 
gegenüber. Wenn die Arbeitet diese Macht nicht mißbrauchen; diese Kreise selbst mit den schwersten Opfern nnentgeltlichen Volks« 
wenn sie den Beweis liefern, daß fie sittlich reif sind; wenn sie schulunterricht an den meisten Orten eingeführt haben, während in 
den Kampf zur Verbesserung ihrer Lage ehrlich und mit Achtung Piittelfranken die Einzelnen 178,000 Gulden Schulgeld zahlen 
der Interessen des Nächsten führen; wenn fie ihr Glück und ihre müssen. Zur Dechung aller dieser Bedürfnisse müßte ein Fond 
Seligkeit nicht darin sinden, alles Bestehende umzustürzen: dann zeschaffen werden, dessen Zinsen jährlich mindestens eine Million 
werden die Erfolge der Coalitionen heilsam sein, und die Lage betragen, d. h. ohne Berechnung der Verwaltungskosten ein Fond 
der arbeitenden Klassen wird von Jahr zu Jahr eine bessere und hon dirca 23 Millionen. Diese und andere Gründe wurden denn 
menschenwürdigere werden. Wenn dieselben aber einem unaufhör⸗ auch bri der Verhandlung in der heutigen Kamm—ersitzung hervor⸗ 
lichen Klassenkampf und einem nterationalen Terrorismus hul · zehoben. Der Kultusminister erklarte, er sei im Princip ebenfalls 
digen; wenn sie den Ruin des Capitals und die Vernichtung der ür die Unentgeltlichkeit des Volksschulunterrichts, es sei aber für 
gesammten wirihschaftlichen Ordnung dredigen, — so werden sie ihn noch eine ungeldste Aufuabe, in welcher Weise der Staat die 
die Lösung der großen civilisatorischen Aufgabe erschweren und uforderiichen bedeutenden Mittel aufbringen folle. Die Staats⸗ 
aufhalten. Durch folche Miitel stoßen sie die öffentliche Meinung 'egierung werde im Uebrigen der Sache die gebührende Aufmerk⸗ 
von sich ab, und um des Gesetzes und des öffentlichen Friedens aiakeit zuwenden. Daraufhin wurde der von den Abgeordneten 
Fillen trelen viele wohlmeinende. Menschen auf, die Seile des Dr. Frankenburger uud Genossen gestellte Antrag durch Masoritats 
Capitals über, die sonst geneigt wärcn, die Sache der Arbeit zu beschluß verworfen. 
verfechten. —Mäuünchen, 15. Febr. Rachdem der Koͤnlg die neue dor— 
Nicht in der Vernichtung, sondern in der Dienstbarmach⸗ mation und Eintheilung des Heeres genehmigt., ist dieselbe wie in 
ung des Capitals liegt die Erfüllung aller Wünsche der Menschen. Preußen und bei anderen deutschen Truppentheilen. Als Einfüh—⸗ 
Nicht durch den Ruin der Arbeitgeber, sondern durch das gemein- — ist der 1. April d. J. 
same Streben nach moteriellen und sittlichen Gütern kann eine bestimmt. Es werden u. A. das Arlillerie Corps-Commando und 
gerechtere sociale Ordnung aufgebaut werden. Das Feldgeschrei das Genie Corps Commande aufgelöst und den Artillerie⸗Genie⸗ 
uß nicht lauten: „Mehr Lohn und weniger Arbeit, sondern mehr Regimentern der beiden Armee⸗ Corps einverleibt. 
Arbeiisleistung, und ein größerer Nutzeffekt der Atbeit.“ anchen, 16. Febt. Der deutsche Kalser hat im Ramen