Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberlker AAnzeiger. 
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Der St. Inaberter Anzeiger (und das mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt, mit der Dienstags⸗ Donnerstags⸗ und Sonntag 
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A6. 
Donnerstag, den 11. Januar —— 
Deutsches Reich. J 
München, 7. Jan. Bei der bevorslehenden Neuregulirung 
der Geldbezuge in der bayerischen Armee sollen die Feldwebel und 
die in deren Charge stehenden Unterofsiciere der sbrigen Wafen · 
gattungen in Zukunfk eine tügliche Löhnung von 54 Kreuzern er⸗ 
halten (bisher betrug diefe 40 Kreuzer); —XV 
die Erlaubniß, außer der Kaserne zu wohnen; auch dürfen säämmt⸗ 
liche Inhaber dieses Grades ohne Zahlbestimmung heirathen. 
Tuͤrch diefe Maßregel soll zweierlei erreicht werden: einmal gewinnt 
die Verwaltung vieie und theilweise große Räumlichkeiten zur 
Unterbringung von Mannschaft, dann hofft man dadurch, daß den 
lnterofficieren das Heirathen erlrichtert und sonstiger Vortheil ge⸗ 
hoten wird, wodurch sie sich eine Familie gründen köunen, dem 
— können und diese 
dauernder dem Waffenstande zu erhalten. 
München, 8. Jan. Der vielbesptrochene Kanzelartikel 
(G 130 a) ist nunmehr bereits zum ersten Male angetufen worden 
Rund zwar bei der wegen eines auch von einem Geistlichen unter⸗ 
zeichneten Aufrufs an die katholischen Männer der Pfarrei Am— 
berg, „eine Beschwerde an das k. Staatsministerium wegen der 
bon der Regierung der Oberpfalz bei der Beerdigung des Melbers 
Zunner getroffenen Anordnungen betreffend.“ erfolgten Confiskation 
des „Amberger Volksblaties“. 
Auf eine bezügliche Anfrage der k. Regierung der Pfalzhat 
fich.. wie man' vernimmt, der Verwaltungsrath der Pfälzischen 
Bahnen bereit erklärt, den Bau und Vetrieb— einer Bahn von 
Zweibrücken über Hornbach nach Bitsch bis zur Landesgrenze, gegen 
eine staatliche Zinsgarantie von 41/2 Procent und · Sicherung des 
Weiterbaues jenseits der Grenze zu übernehmen. (Pf. Ztg.) 
München, 8. Jan. Der akademische Senat hat — wie 
die „A. Postz.“ vernimmt — den Stadtpfarrer von St. Ludwig 
unter Andcohung der Einziehung der Jahresbeiträge aufgeferdert, 
die St. Ludwigaͤpfarrlirche, welche zugleich Universitätskirche ist, 
dem exkommunizirten Offiziator der Universität, Prof. Meßmer, 
für die Abhaltung des alademischen Gottesdienstes einzuräumen; 
für den Fall der voraussichtlichen Weigerung des Pfarrers, wolle 
man gegen ihn im Prozeßwege vorgehen. 
Muünchen, 9. Jan. Die Vorbereitungen und baulichen 
Nenderungen zur Herstellung der neuen Reichsmünze sind in der 
t pPrageanstalt demnächst beendet, und wird die Prägung selbst 
um 28 oder 26. d. Mis. begonnen werden; es sollen monatlich 
200.000 theils 10- theils 20.Markstücke fertiggestellt werden; ein 
Borcath von 10,000 Pfund · Gold ist vorhanden. — Die Präg⸗ 
ung der ersten Abtheilung der auf den Friedensschluß vom 10. 
Mai 1871 zu Frankfurt bezüglichen bayerischen Friedensthaler ist 
mit dem Heutigen beender; es wurden um 30,000 Gulden gegen 
17,300 Stück dieser Erinnerungsmünzen geschlagen. Sollte diese 
Anzahl dem Bedarfe nicht entsprechen. dann wird eine weitert 
Praͤqung vorgenommen. 
Die Anwesenheit des Cardinals Hehenlohe in Deutschland 
wird in Verbindung gebracht mit dem Wunsche der kais. Regier⸗ 
ung, daß die katholische Kirche in Deutschland einen Primas er⸗ 
halie, wie in Ungarn. Dazu bemerklt Sigls „Vaterland“ wüthend: 
Sonst haben die Berliner wirklich keine Schmerzen? Das tatho⸗ 
üsche Deutschland hat in der Person des Eribischofs von Salzburg 
feinen Primas, das preußische aber braucht füt die paar Jahre, 
die es etwa besteht (9), sich nicht um einen eigenen Primas zu 
bemühen. Und gar erst um einen eigenen Hohenlohe!l Wir haben 
an den polit scheu Hohenlohes schon genug und brauchen nicht auch 
noch einen Kirchen Hohenlohe.“ 
Karlsruhe, 8. Jan. Eine landesherrliche Verordnung 
verfügt eine namhaste Verminderung in der Justiz und Verwal⸗ 
tungsorganisation. Es werden 4 Kreisgerichte, 13 Amtsgerichte 
und 7 Bezirksämter aufgehoben. 
Berlin, 8. Jan. Marquis de- Gontaut⸗Biron hat heute 
Nachmittag dem Kaiser seine Kreditive als französischer Botschafter 
uberreichl. Graf Arnim wird morgen in Versailles dieselbe For⸗ 
malität erfüllen — damit wäre dann die Wiederherrstellung der 
regelmäßigen dipliomatischen Bezichungen zwischen Frankreich und 
Deutschland vollend te Thatsache, 
Die „D. A. Z.“ entwickelt in mehreren Artikeln einen, schon 
rüher in einer von dem preuß. Geh. Regierungsrathe Reichenau 
berfaßten Brochüre angeregten Gedanken, nämlich den der Erricht⸗ 
ung eines Institutes von Zweijährig-Freiwilligen. Es sollen 
Fortbildungsschulen errichtet werden, die bestimmt find, die Zeit 
—0 
n das Heer, während welcher vielfach die in der Schule gelegten 
dLeime verloren gehen, auszufüllen, so daß die jungen Leute nicht 
zlos mit nothdürftiger Kenntniß des Lesens und Schreibens, son⸗ 
dern mit einer wicklichen, gründlichen Schulbildung in der Armee 
aufgenommen würden. In diesem Fortbildungsunterricht würde 
hesenders auch der militärische Turnunterricht kultivirt, und in den 
Landgemeinden könnte derselbe, der ländlichen Arbeiten wegen auf 
die Wintermonate beschränkt werden. — Denjenigen jungen Leuten 
nun, welche nachzuweisen vermögen, daß sie 5 bis 6 Jahre lang 
»inen solchen Fortbildungsunterricht mit gutem Erfolge besucht haben, 
'osl wie die „D. Allg. Z.“ vorschlägt, eine Erleichterung ihrer 
Militärpflicht in der Weise gewähret werden, daß ihre Dienstzeit 
bon 3 auf 2 Jahre herabgesetzt würde. Auf diese Weise würden 
wei eminente, Ppraktische Erfolge erzielt werden; einerseits wuͤrde 
der Landesbertheidigung eine größere Masse von berechtigten, brauch⸗ 
haren Elementen zugeführt werden, anderseits würde diese Prämis 
rung des Strebens nach Fortbildung durch Erleichterung der 
Miluärdienstpflicht ein gewaltiges Mittel zut Hebung der Volks- 
bildung im Allgemeinen sen. 
— —— Belgien. 
Namur, 6. Jan. Der Strike von Vezin scheint sich auf 
die angrenzende Provinz Lüttich auszudehnen. Die Behörden sind 
in Thätigkeit, um dies zzu verhindern. — 
Holland. 
Haag, 4. Jan. Die Abschaffung der niederländischen Ge— 
sandschaft am päpstlichen Hofe ist nunmehr in so fern zur Thar—⸗ 
jache geworden, als der König die von beiden Kammern ange— 
nommenen Budgetgesetze unterzeichnet und somit auch die Abschaffung 
der Gesandtschaft im Budget der auswärtigen Angelegenheiten 
—XX 
sehr ergrimmt darüker (K. Z.) 
Bermimichtes. 
fAus ElsaßLothringen. Mit Freuden ist die Ta⸗ 
rifermäßigung für die Eisenbahnen begrüßt worden; denn die 
rüheren Sätze waren so hoch, daß sich die Bewohner nur in den 
illernothwendigsten Fällen zur Benutzung? der Eisenbahnfahrten 
entschlossen. Für die Errichtung neuer Haltestellen an kleineren 
Drien ist man auch sehr dankbar; unur noch zwei Einrichtungen 
liegen sehr im Argen, nämlich der Güteriransport und der so be⸗ 
liebte Omnibusverkehr. — Nach dem französischen Lehrplan war 
der Gesang in den Volksschulen nicht eingeführt. Allgemein freut 
man sich nun, wenn aus den Schulräumen der Kindergesang schallt 
und man kann oft in den verschiedenen Orten Personen in großer 
Anzahl um das Schullokal versammelt sehen, um dem Gesange 
uzuͤhören. Im Schulwesen ist überhaupt schon: sehr -Vieles ge⸗ 
schehen, was von allen Verständigen dankbar anerkannt wird; nur 
herrscht noch allzugroßer Lehrmangel und fehlt es an geeigneten 
Schulräumlichkeiten. Viele Lehrer, hauptsächlich amOberrhein, 
sind nach Frankreich ausgewaidert. 3 
Colmar, 3. Jen. Auf-den 3D. Dez. hatte die nosh 
junge deutsche Casino-Gesellfchaft „Einttacht“ zü Colmar im licht⸗ 
trahlenden Saale des Cafe Taron einen Ball peranstaltet, zu wel- 
hem verschiedene augesehene Colmarir, Faim lien eingeladen waren 
und auch erschiener. Es ist dies in so weit von socialer Bedeut⸗ 
ung, als dies nach dem Kriege hier das erste öffentliche Vergnügen 
ist, in welchem sich das Urdeutsche Element mit dem wiedervereinigten 
beinahe französirten Bruderstamme berührte. Die jungen Elsaässer— 
innen in eledänten Toiletten verrieihen durch ihre sprudelnde Boe—