Full text: St. Ingberter Anzeiger

Sl. Ingberler Anzeiger. 
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*.* Sit. Ingbert, den 5. April. 
Diie jetzige Lage Fraukreichs 
vird am besten ill istrirt durch einen Ausspruch seines Präsidenten 
khierz, den er vor einiger Zeit gegen einen Diplomaten äußette: 
Ich din der Massenverwalter eines bankerotten Hauses Gott 
heiß, od es noch in Zukunft wieder Geschäfte machen kann.“ 
Frankreich geht auf der Bahn seiner politischen und staatlichen 
stegeneration und sozialen Reorganisation nur mit Schneckeneile 
orwärts. Wobl lassen sich Wanden, wie sie Frankreich durch den 
roßen äußern Krieg und den nachfolgenden schrecklichen innern 
Jufruhr geschlagen wurden, nicht in wenigen Monaten ausmerzen 
ind es mag noch eine geraume Frist dahin streichen, bis Frank⸗ 
reich wieder die alte Stufe des Glanzes uud Wohlstandes einn immt; 
ba nichts desto weniger ist der gegenwärtige Zustand der Läh— 
nung und des Stockens der Staatsmaschine in Frankreich kaum zu 
egreifen. Noch hat das Provisorium des Hr. Thiers keiner de⸗ 
juütiven Regierungsform Plotz gemacht; die Parteien zerwühlen 
eßwegen das Land und machen für ihre Candidaten Propaganda, 
jede sich retht große Mühe gebend, um die Gunst des 
oͤolkes zu gewinnen und die definitive Herrschaft installiren zu 
onnen; denn der tünsten und stärksten muß schließlich als Preis 
die Krone zufallen, und kann es doch auch Niemanden verwehrt 
verden, für jene Zeit zu sorgen, wo das Provisotium einem 
Desinitivum doch endlich weichen muß. 8* 
Und so waͤchst die Zahl der Unzufriedenen mit der gegen⸗ 
wärtigen Regierungsform immer mehr. Die Nationalversammluug 
irbeitet zwar, kommt aber schlecht vorwäris und weiß die zur 
derstellung des Gleichgewichts im Budget nöthigen Steuern kaum 
uͤ finden. Und als Hr. Thiers dem Finanzminister aus seinen 
Finanznöthen zu helfen suchte und die Steuern durch seine schutz 
sollnerischen Steuervorschläge ergiebiger zu machen beabsichtigte, 
berliert er ein bedeutendes don seiner früheren Popularität. Aber 
dessen ungeachtet hält er mit der Zähigteit des Alters an seiner 
Schutz Zoll ·Politik fest, ohne zu bedenken, daß er dadurch manche 
industrielle Gegend Frankreichs völliger Verarmung aussetzen würde. 
der Präsident hat einmal, wie alle hohe Personen, seine Stecken⸗ 
pserde. Die mit Vorliebe von ihm getummelten sind das schutz— 
zöllnerische und das militärische. Vor allen Dingen liegt ihm die 
Armee am Herzen und ist es klar, daß er, indem er sie wieder 
Jerzustellen bemüht ist, um Frankreich in alter militärischer Macht⸗ 
vdollkommenheit erstehen zu sehen, für sich und seine Nachfolger des 
Wortes des großen Kurfürsten gedenkt: „Aus meinen Gebeinen 
foll derKächer entstehen!“ Doch darf man ihm wohl unbedingt 
Glauben schenken, wenn er für seine Person jede kriegerische Nei⸗ 
gung in Abrede stellt und gegen den Schluß einer seiner jüngsten 
Reden, als könne er fich gar nicht von ihm tretrnen, elf Mal des 
Wortes „Friede erwähnt. Die „Köln. Ztg.“ meint wohl hierzu; 
Es dürfte Jch. Niemand einlullen lassen durch die Verschwendung. 
welche man hier mit Friedensverstcherungen treibt; denn dies 
wäre der einzige Luxus, den der Stand der Finanzen nicht nur 
zestatte, sondern sogar zur Pflicht mache. 
Uehber die Atistchwn die in Berlin ueen Seits über 
die Lage Frankreichs courfiren, berichtet did Altgen. Ztg.“ von 
dorten: „Es ne unrichtig, aus dem Umstande, daß man hier 
die französischen Zustände mit Sorge verfolgt, folgern zu wollen, 
daß ein besonderer Argwohn gegen Thiers beim Reichskanzler 
herrsche. Die großen Ausgaben, die derselte Afür die Armen machen 
vill, gehören in dasselbe Kapitel, wie semẽe““Schutzzolleigenheiten. 
Der Präsident der Republik ist nun einmal in seinen frühern 
Ansichten befangen und zu alt, um zu lernen. Ebenso wie er 
wider alle Vernunft darauf besteht, die Rohstoffe zu besteuern, ob— 
vohl dies gar kein finanzielles Resultat geben kann. so lange 
Frankreich durch die Verträge gebunden ist; so ist es auch ein 
unumstößlicher Glaubenssatz für ihn, daß er eine Armee von 
400, 000 Mann haben mußse, damit Frantreich seinen Platz in 
kutopa wieder einnehme. Äber Angriffsideen gegen Deutschland, 
der der Gedanke, sich der Zahlung der 3 Milliarden dadurch zu 
entziehen, daß man europäische Vermittelungen herauf beschwöre, 
iegen ihm gam ferne. Er ist doch zu sehr Staatsmann, um nicht 
zu erkennen, daß Frankreich auf lange Zeit ganz außer Stand zu 
»iner gro zen Aktion ist und die einzige Aufgabe hat seine innern 
Wuuden zu heilen.“ — So dentt man in Berlin und dort ver— 
teht man sich so ziemlich auf politische Wetterprophezeiung. Das 
st sicher, in der Ohnmacht Frankreichs liegt die sicherste Ga—⸗ 
rantie des Friedens. 
Deutsches Reichh. 
Münmch:en, 26. März. In analoger Anwendung der mit 
dem 1. April ds. Is. in der Armee eintretenden Veränderungen 
von Chargen⸗ und Funktionsbezeichnungen auf das Gendarmerie⸗ 
orps wird angeordnet, daß: 1. der Commandaut des Gendar- 
merie⸗ Corps als Chef“ desselben, 2. die Compagnie ˖ Commandanten 
us „Compagnie⸗Chefs“, 3. die Ober-⸗ und Unterlieutenants als 
„Premier,“ bezw. „Second⸗Lieutenants,“ 4. die Oberbrigadiers 
L. Cl. als „Oberwachtmeister“ (mit dem Range von Hartschieren), 
5. die Oberbrigadiers 2. El. als „Waochtmeister“, 6. die Bri⸗ 
zadiers als „Sergeanten“ (ad 5 und 6 mit dem Range der 
Thargen, deren Benennung sie führen) bezeichnet werden, und daß 
7. .die Stations-Commandanten und die Gendarmen ihre 
zisherigen Bezeichnungen, sowie den Rang als Unteroffiziere 
deibehalten. 
München, 2. April. Nach Beendigung der Neubewaffnung 
der noch in Frankreich stehenden 2. bayerischen Division mit dem 
Werdergewehre, welche bis Ende dieser Woche durchgeführt sein 
wird, hat die bayerische Infanterie eine Schießwaffe, welche alle 
bis jetzt bestehenden Armeegewehre an Soliditüt, Einfachheit und 
Leistungsfähigkeit“ übertrifft. In Spandau werden gegenwärtig 
immer noch Proben wegen eines neuen in der deutschen Armee 
inzuführenden Gewehres vorgenommen; die noch konkurrixenden 
Syfteme sind das Werder'sche und das des Württembergers Mauser, 
ollte auch das letztere zur Einführung gelangen, so ist doch für 
das ganze deutsche Heer ein gleiches Kaliber (11 Millimeter) und 
eine gleiche Patrone gefichert, wodurch ein gegenseitiger Munitions⸗ 
austausch ermöglicht ist. Auchwird in der Manipulation mit 
zeiden Gewehren nur ein kleiner Unterschied beim Laden bestehen, 
so daß im Nothfalle sogar eine gegenseitige Aushilfe mit Gewehren 
hei sofortiger Benützung stattfinden kann; ja es können sogar beide 
Bewehrgattungen ohne den geringsten Nachtheil in einer Abtheilung 
aebeneinander bestehaan. 
Die Herstellung thunlichster Gleichmäßigkeit zwischen der 
oᷣayerischen Armee und dem Reichsheere im engeren Sinne des 
Wortes macht: trotz aller Gegenbestrebungen erfrenliche Fortschritte. 
Neuerdings ist angeordnet worden, für die leichte Reiterei, zu 
welchet hier außer den Chevaurlegecs auch die Uhlanen gerechnet 
wverden, die Remonten, statt wie bisher aus dem eigenen Lande, 
aus Litthauen zu beziehen. Bekanntlich hat sich die bayerische 
eichte Cavallerie, ihrerzeit unter Napoleon I. won europaischem 
Renommé, Dank einer vernachläfsigten Pferdezucht trotz zanerken⸗ 
ienswerther Tapferkeit der Mannschaften in den beiden letzten 
Zriegen, der Tüchtigkeit der übrigen bayerischen Waffengattungen 
nicht völlig ebenbürtig zu zeigen vermocht 
Der Verweser des Erzbisthums Freibung, Weih— 
»ischof Kübel, hat an das badische Ministerium des Innern eine 
Mittheilung gerichtet, in welcher er gegen die Ansichten, welche das 
Staatsministerium gelegentlich einer Interpellation zu! Gunsten der 
Altkatholiken kundgegeben, sowie gegen die von der ersten und zweiten 
dammer bereits angenommenen Anträge in Bezug auf die katho— 
liischen Lehrinstitute und Missionen Protest einlegte. Eine Antwort 
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Vom Rhein, 30. März wird der „Kölnischen Zeitung ge—⸗ 
chrieben: „Wie man vernimmt, wird »sich die nächste Woche in 
Fulda zusammentretende Bischofs-Conferenz auch mit der Frage 
eschaftigen, wie es mit den Censuren detjenigen Katholiken zu 
jalten ist, welche sich weigern, die vaticanischen Decrete vom 18.