Full text: St. Ingberter Anzeiger

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der St. Inabexter Anzeiger (und daß mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt, mit der Dienstags⸗ Donnerstags⸗ and Sonntagt 
Lammer) erscheint wochentlich v i ernal; Diensta a. Donnerstag, Samstag und Sonntag. Abonnementspreis vierteliahrig 42 Krzr. oder 
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M 77. DDonuerstaa, den 16. Mai u 1872 
Deutsches Reich. 
München, 13. Mai. Die durch Verschmelzung von 4 
Appellationsgerichtenn in 2 nothwendig gewordenen Vorarbeiten 
ind dem Vernehmen nach soweit gediehen, daß in kürzester Zeit 
sierouf bezügliche allerhöchste Entschließungen zu erwarten sein dürften 
München, 13. Mai. Aus „authentischer Quelle“ meldet 
xer „Bayer. Kurier“ heute, daß Hrn. Abbt Dr. b. Han«eber g 
allerdings Seitens der Staatsregierung der Speherer Bischofs⸗Siß 
angetragen worden sei, und in Rom ein Bedenken gegen dessen 
llebernuhme nicht bestehe, daß aber der Genannte von vorneherein 
rllürt habe, er lönnte nur durch einen ausdrücklichen Wunsch des 
bapstes bewogen werden, dem Antrag der Regierung Folge 
u geben. 
—* jetzt so vielfach ventilirte Frage, wie sich der Staat zu 
ven bischöflichen Ecommunicatibnen zu verhalten habe, 
st leineswegs die Frage neuester Feit, sie hat vielmehr eine nach 
Jahrhunderten zählende Geschichte. Mit welcher Festigkeit die Her⸗ 
joge und Kurfürsten Baherns, deren Katholicität historisch fesisteht, 
riesen Excommunikationen das staatliche Veto entgegengehalten 
aben, darüber liefert ein auf der königlichen Hof ˖ und Staats⸗ 
ꝛibliothek zu München befindlicher Coder interessante Belege. Die 
„A. A. Z.“ führt einige der Erlasse an: Max J. läßt 1599 den 
brzbischof von Salzburg wissen: den Landesherra und dessen Be— 
inte mit Drohung der Excommunication zu verschonen und in 
Streitigleiten nach Maßgabe der Reichsgesetze zu verfahren. Der 
herzog schreibt 1600 an den Pfleger zu Reichersberg: nicht zu ge⸗ 
jatten, daß der Administrator zu Passau bei Absolufion vom Kir— 
henbann verkleinert werde. Marx Emanuel erläßt 1719 das Ver⸗ 
hot ar den Dechant bei St. Peler in München, eine Excommuni⸗ 
cafion zu publieiren. An den Bischof von Freising ergeht der Er⸗ 
aß, daß die Excommunication don Peter Burk, Hutmacher, wieder 
bgenommen werde. 17283. Karl Albrecht schreidt 1728 an den 
dischof zu Augsburg: ein Pfarret soll die Excommunication öffent⸗ 
ih widerrufen, oder man wosle ihn aus dem Lande schaffen 5 
1729 an eben diefen wegen Cassirung einer Excommunication: 
erner an den Administrator in spiritnalibus in Freifing wegen 
Aufhebung einer Excommunication. Derselbe Karl Albrecht ertheilt 
—X „Andung an den Bischof in Augsburg wegen einer 
egen einen Landstand verhängten Exkommunication.“ Mit Recht 
in die .A. A. Z.“ diesen Auszugen die Bemertung bei: „Ueber 
ies gesetzliche Verfahren nach vem Borbilde wohlmeinender Re⸗ 
gtrungen würden die heutigen Zionswächter Zeter und Mordio 
dreien. Sie lärmen bon Kicchenverfolgung und wissen nicht, daß 
uet de tscher Staat weit hinter seinen Ansprüchen und Be— 
rhigungen zurückbleibt — nur um des Friedens willen, wah⸗ 
7 wan auf kirchlicher“ (romanischer) Seite von Angriff zu 
uhriff schreitet.“ ——— 
Metz. Der hier lebenden Wittwe eines 1870 auf dem 
iort St. Julien verunglückten französischen Arbeiters BIadis hat 
Kaiserin don Deutschland auf ein Bittgesuch hin die Antwort 
hn lassen, daß die Regierungskasse in Trier angewiesen sei, 
e lebenslangliche Jahresrenie von 300 Fres. und bis zur 
miährigkeit ihrer zwei unmündigen Kinder für Erziehung derfel- 
monatlich 5 Thaler dutzuzahlen. 
— 18. Mai. Der Reichskag hatte ohne Debatte die 
—35 mit Franlteich und Spanien in dritler Lesung ange⸗ 
uen. Derselbe trat sodann in die Dedatte über die die Jesu⸗ 
ateenden Petinnonen, zu welcher mehrere neue Anträge ge⸗ 
a8 * in. Nachdem Moufang für, Wagner, Fürst Hohen— 
* di ingsfürst, Windthorst (Berlin) gegen die Jesuiten 
wird die Debatte auf morgen vertagt. 
— 15. Mai. Die „Nordd. Allg. Ztg.“ kommt bei 
—6 —A Arbeitgeber und Arbeitnehmer 
aten bl — zu dem Schlusse, daß der dolose Bruch, der 
wo Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschlossenen Arbeits— 
9— esehen von dem civbilrechtlichen Schadenersatze, unter 
afgesetz zu stellen sei. Die Coalitionsfreiheit werde da⸗ 
durch nicht berühtit. Der Stand der Dinge erfordere ein solches 
Zpecialgesetz. 0 —— 
— Berkin. Von der diesjährigen Auswanderung nach Ame⸗ 
rika ist besonders aus dem Norden und Sübwesten Deutschlands 
prel gesprochen worden; man hat sie auch auf die Diensipflicht 
ind den Steuerdruck zurückgeführt. Wir können von hier aus, 
chreibt man der M. Z.“ aus Thüringen, nicht ermesse n, wie 
veit diese Gründe zutreffend sind oder nicht; so viel aber darf 
onstatirk werden, daß die Auswanderung zur Zeit des seligen 
Bundestages weit zahlreicher war als jetzt. Es gibt auch für die 
xẽmigration Europamüder besonders günstige Flugjahre, in welchen 
ner Zug nach der neuen Welt lebhafter als sonu zu sein pflegt. 
Auch ist es im deutschen Wesen begründet und gehört zur Mission 
des Deutschen, bewußt und unbewußt, das deutsche Element in 
sjerne Weittheile zu verpflanzen. Von hier aus ist die Emigration 
nach Amerika in diesem Frühjahre nicht erheblich stärker als in 
anderen Jahren. Unter den Auswanderern mag auch mancher 
Militärscheue sein; an diesen Leuten verliert das Deutsche Reich 
uicht viel. Wegen der Steuern wandert abe wohl Niemand 
uus. Sind die Leute wohlhabend, so haben sie in Amerika mehr 
als hier zu bezahlen; sind sie aber unbemittelt, so ist die auf ihnen 
uhende Steuer in Deutschland an sich so unbedeutend, daß sie 
deshalb nicht davon zu gehen nöthig haben. Für die einzelnen 
Fälle sind in der Regei rein locale bder individuelle Gründe ent⸗ 
icheidend. —WW de 
Die Postanstalten des Deutschen Reiches sind anger 
viesen worden, die auf Grund des Bundesgesetzes vom 21.Juli 
1870 ausgegebenen Darlehenskassenscheine des Norddeutschen Bun⸗ 
des, deren Einziehung angeordnet ist, in Zahlung ferner nicht mehr 
anzunehmen; die preußischen Darlehenskassenscheine aus den Jahren 
1866 und 1868 sind hier nicht miteinbegriffen. 28 
Der Kultusminister hat unter Zusammenstellung des Staats- 
ninisterium die Errichtung eines Gymnasiums mit ausschließlich 
»eutscher Unterrichtssprache und grundfätzlicher Gleichberechtigung 
der ebangelischen und katholischen Confession in der Stadt Stras⸗ 
burg (Provinz Preußen) beschlossen. Die Eröffnung der neuen 
Anstalt soll zum 10 April 1878 erfolgen. 
Frankreich. 
AUnter den Generalen, die noch vor dem Kriegsrathe erscheinen 
ollen, besindet sich auch der General Frossard. Die Commission 
vill nämlich von ihm wisfen, wo er waͤhrend der ersten Periode 
der Schlacht don Forbach gesteckt habe. Marschall Baͤz'a imne 
jat sich nunmehr als Gefangener hierselbst gestellt. 
gSBie man aus Versailles erfaͤhrt. hat Marschall Bazaine 
n Berlin angefragt, ob er preußische Generale als Entlastungs⸗ 
eugen vorladen lassen dürfte, ist aber von Fürst Bismarckab⸗ 
chlägig beschieden worden. 7* J 
.Das „Journal de Paris“ erzähld: Vor einigen Tagen hatte 
Herr Thiers einige Personen zum Frühstück Rach seiner Ge— 
vohnheit sprach er mit großer Lebhaftigkeit: Wenn ich“ — jo 
jagte et — „ein großer Mann gewesen wäre, wissen Sie, welcher 
ch hätte sein mögen ?“ Man naunte Alexander, Cäsar, Napoleon. 
„Nein!“ — erwiderte er — X sein mögen; 
ꝛr hat sich das seltenste aller Verdienste erworben, denn er opferte 
ich für ein Vaterland auf, welches er verachtete·· 
England. 
Der Matrosen⸗Strike in Sont hhampton fängt au, 
uuf andere Handelshäfen eine ansteckende Wirkung auszuüben. Die 
dondoner Matrosen haͤben sich nunmehr der Bewegung angeschlossen. 
ẽtwa 1000 Theerjacken hielten gestern ein Meeting, auf welchem 
zeschlossen wurde, einen Schutzverein zu bilden, dessen hauptsäch- 
icher Zweck es sein soll. für alle Klassen von Seeleuten hoͤhere 
Löhne zu erwirken. Ein Strike der Liverpooler Matrosen wurde 
nur durch ein rasches Entgegenkommen von Seiten der Rheder 
»erhindert. Wie es heißt, wollen sich jetzt auch die Heizer und 
Feuerleute det zahlreichen Post⸗ und Passo gier⸗Dampfer der Be⸗ 
vegung zur Erzielung höherer Arbeitslöhne anschließen.