Sl. Ingberler Anzeiger.
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2 E ⸗ J *2 *
— 109. — Samstaa, den Is. Juli 5 1872
Die bevorstehende französische Anleihe.
Die französische National Versammlung hat am 6 Juli, also
moemselben Toge, an welchem vor zwei Jahren der Herzog v.
zramont seine, berüchtigte und für Frankreich so verhängniß
ol gewordene Rede gegen Preußen hielt, betreffend die Candida—
e des Prinzen von Hohenzollern für den Thron don Spauien
ie SpecialUebereinkunft vom 29. Juni ohne Diskussion und fasst
issimmig genehmat. Wir haven das nicht anders erwartet, denn
ie Uebereinkunft enthält, erhebliche Erleichhterungen für Franukreich
or Allem die Räunung der Marne⸗Linie im September und die
zertheilung der französischen Geldverbindlichkeiten auf einen längeren
zeitaum; so daß das Gleichgewicht des Handels und der Geld⸗
nalauf nicht jn Verwirrung gebracht werden wird. Dabei ist die
olltändige ükiumung des fran düschen Bodens im März 1874
ut höcbsten Wehrfcheinlichkleit gebracht, denn für die letzte Milltarde
nitd sich eine finauziclle Bürgschaft, welche Deutschland befriedigt.
eichtrr sinden lussen, als sür die zur Zeit noch restirenden dre
Milliurden.
Daß es vor dem ensschidenden Act der Genchmigung unter
en Mitgledern und Parteien der Nationalversammlung erst recht
wwhaft herg ug, und Viele sich vermiß'en, die Uebereinkunft zu ver
zerfen, das versteht si h von selbst; wozu wire man denn souveräue
dationatpersramlung? Auch das versieht fih von selbst, daß der
yrpoz v. Brogtie in seinem Berecht üder die Vorlage über
ucse „unerhöste Eatschidigungssum ne“ lamentirt und abermals
hetheuert, die Nitiönalbersammlung weiche dieser grausamen Noth
vendigket. weil sie ni ht auders köne, sei aber an den Ereignissen
sanz unschuldig, die zu solchen. Folgen geführt hütten. Diese Ver -
vahtuug ist wodifeil. Vor nuamehyr zwei Jahren stieß die ganze
deriretung der fran, ösische Nation, wenige Stimmen abgerehnet,
n die Keiegstronpete und konnte die Zit kaum erwarten, wo es
uf Berlin losgiuge. I
Der frauzöishe Finanzminister hat einen Gesetzentwurf ein⸗
rehtacht. welcher die Regierung zu einer Aaleihe von drei Mil⸗
iarden ermäshtigt. De Böcsenmäuner Earopa's spitzen die Ohren,
id das vertraute Organ des Herrn Thiers ldas Bien public)
vill sogir schon wessen, eine Vereinigung von Berliner Ban—
hets habe den Betrag von fünfhuundert Millionen Francs für die
luleihe angebote n. Wir hoffen, daß das nicht begründet ist;
vollen die Berliner Bankiers wirklich fünfhundert Millionen
dtancs don di⸗ser-Aaleihe übernehmen, so würden sie das deutsche
dehlitum in den weitessen Kreisent dafüc zu intkeressiren suchen
nüssen, sith mit seinem Vermögzen und seinen Ersparnissen an dieser
Ualeihe zu betheiligen, und die Folge wäre, daß viele und große
lpital en, die jehzt in inländischen Werthen, für inländische Un—
runeh nungen‘ an elegt find, verkauft, der Cours dieset inländischen
Verthe also gedcückt und den Franzosen das Geld gegeben wücde,
in ihre Verpfl: Ylungen zu erfülleu, auhy wohl qge nachdem die
kenerung' Fraͤutreichs“ in andere Hände fiele) zu Kriegsvorberei⸗
ungen und Rüftuagen gegen Deutschland verwendet zu werden.
Wie aus dem Bericht der Berliner Kaufmannschaft über den
vtigen Huudel und Industrie im Jahre 1871 hervorgeht, isl
vn der vorjahrigen fratzosischen Anleihe da nur wenig gezeichnet
und auch spater verhielt sich das Anlage suchende Capital
agegen. ———
6 Wir wünschten, daß die B.rliner Bankiers und das deuische
'tal sich mit nicht geringerer Zurückhaltung der bevorstehenden
unndiijthen Aaleihe gegenüber verhielten. Vor Allem ist es ein
rv sses pitrĩotisches Anstandsgefühl, das uns bestimmen sollte,
b zu dieser Auleihe nicht zu dräugen. Wir glauben, daß wir
vb nicht nöthig haben. auszufüsren. Wenn künftig die Fran—
wie sie die Gewohnheit haben, prahlen fsollten: „Unset
iedit, der so aläszend aus den jüngsten Prüfungen hervorge⸗
rn in unetrmetzlich. Uasere Arleihe wurde zehnmal überzeich—
Unsere Landsleute uad die Eaglaͤnder wetteiferten; ja auh
. Deuthhen deänugten sichh heran, umn von unseren Bedräng⸗
en, die sie berschuldeien. nodk ein Vrofitben U msnß———
und wir hören schon Herrn Goulard vor der Nationalver
ammlung in dieser Weise prahlen. — sollte uus das angenehm zu
zören sein, würde das unsere Achtunz im Auslamse steigern*
Wer denken, auh das Capital und die Pämer des Capital⸗
haben eine Ehrenpflicht gegen das Deutsche Reich, das mit seinen
WBaffen sie beschützt und ihnen Zuversicht zu inländischen Unter⸗
nehmungen gegeben hat.—
Wen aber das Anstandsgefühl nicht bewegen sollte, der
denle wenigstens an die Sicherheit. Wernß er denn ganz gewiß,
daß im Jahre 1873 picht Gambeitta Prasident der franzo⸗
ischen Republik ist. daß die Franzosen ia eini zen Jahren nicht
einen Rachezug unternehnmen, der sie dann haffentlich noch werter
uiniren würde? Und, selbst davon abgesehen, sind denn die finan⸗
ziellen Verhältnisse Frankreichs, nachdem sie erst das Kaiserreich für
eine verschwender; sche Politik, dann ein zerrüttender Krieg mit
einen Folgen furchtbaͤr geschädigt, ir so hehem Maße Vertrauen
erwichnd, daß wir das Gelid aus soliden, von uns leicht zu über⸗
wachenden-Anlagen herausziehen und in die Verfüzung dieser un—
berechenparen Nation stellen sollten?
J *.*Si. Ingbert, den LI. In i.
Fasl jeder Tig liefett neu Beweise von dem Handein Hind
Behen. des Uitramontarismus mit der Jaternatioual und Sozial⸗
ꝛemokratie. Wer es nicht glauben will dem empfebllen wir nur
nuf einige Zeit die Lektüre der naltramontanen Prefse, um von
einem Unglauden betehrt zu werden. Denn nieven der Peesse der
Sozialdemokratie und den Wanderpredigeen ist es gerade auch die
iltra nontane Presse, die gegen die Herrschaft des Kapitals in den
Händen des Lberalismus eifert, den Arbeiter mit seinem Loose
dadurch unzuirieden macht und in den ge⸗eig eten Momenten durch
berehnete Hetzart kel das Oel in's Feuer gießt. Wir erinnern
nur an das Verhalten der ultramotanen „Essener Blaiter“ wäh ·
reud des Strik?s der Bergurbeiter auf den Berzwerken des Essener
ohlenreviergs. Auch das bedeutendste Ocrgan der pfalzischen ultra⸗
nontanen. Prisse, „d'e Rheinpialz“n lieferte dieser Tage in einem
detzartikel den Be veis von der Verbrüserung des Uttramontanis-
maz mil der Soz'alderaotratie. — De strikendem Tuͤch veber Sun—
brechts respektirten jeit ihrer Arbeitseinstellung, Eude Mai, immer
noch d.e Sthrauken des Gesetzes bis si⸗ Eade voriger Woche: ihre
Lage auf ge vatsame Weise zu verdessern su dten. Der Versuch
nißlang natürlich und die Veriührten werden im Gefängnisse ver⸗
büßen müssen. Statt nun die durch dee iozialdemokratischen Lehren,
— „In dem Hisse des M.beitecs gegen dem Fabrikanten blüht
eine schönste Satlichkeit.“ — „Dus 1tzige Staatensystem ist eine
duge und muz gestürzt werden“ — Wir sind die größte Macht
im Staate uad wir mussen die Herrscher werden“ — v rführten,
aus den Bihnen ruhigen und, leidensch uftslosen Denkens und
dandelns geschleuderten Ar eiter zuruckzuführen auf den Weq der
Bernunft innerq ilb seiner, berechtigten? fforderuugen, hat die
„Rbeinpfalz“ unter den augenblickliih obwalrenden Verhaltn ssen
zurch ihre Sprache, wie ein Cociespoadent bemertt, das Uebel hut
jrößer gemahht und drum in allen billiz deukenden Kreisen die
zerechteste Indignation hervorgerufen. Doch dürften sih die Herren
jzu der neuen Bruderscheft gerade uscht gratuliren. NDas Gericht,
das sie jetzt herauf bischwören helfen, wird, wenn es einmal
'ommen sollte, sie nicht verschönen. Und eimnis maritiös, bemerkt
»rum in diesem Betraff die „Pfälz. Post“: „Uebrigens kann diese
Zorte ihrem Schicktal doch micht entrignen ; kommt wirkhich die
Zeit der Com nune, welche si⸗ Iatzt herherfüncen hetft, so muß auch
nanches fette Klösterchen und man hes feiste Bauchlein darau glauben.“
Wir erinnern uar an die blutigen Katast ophen in Patis wahcend
der Schreckenszeit der Co nmue. —— 3813 übizens die soziale
Frage angeht, so läßt sie ih nicht 1dien darch gesvaltsames Ein⸗
zreffen von irgend einer, Seite, eben so weig wie der Ar⸗
eiter nicht auf eigenmähtige gerwaltseme Wesse sear Vge verbessern
kann. „Wo si die Menschen selbst befrein, da kann die Wobi.
ahrt nicht gedeibe