Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
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der St. Ingberter Anzei ger (und das mit dem Hauptblatte verbundene unterhaltungsblatt, nit ver Dienztaze⸗ —XR und Sonnlag 
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M 121. Samstag, den 8. August — 11872 
** St. Ingbert, den 1. August. 
Wichtiger als die in Aussicht gestellten Entievues gekrönter 
haupter, die je doch noch zunächst in das Gebiet der Conjektural⸗ 
litik gehören, ist sür die Tageschronik der überraschende Erfolg 
der främzösischen Auleihe der jetzt aus allen Theilen 
Furopas durch Zahlen constatirt ist. Und so haben denn auch alle 
hachrichten aus Frankreich jetzt nur den einen Zweck: die Glori⸗ 
itation der großen Anleihe, die Milliarden hervorzaubert, wie Pilze 
uus der Erde wachsen, dadurch den Beweis liefernd von dem „un⸗ 
xmeßlichen“ Kredit, den Frankreich in der Welt hat, und den zu 
lorificiren man die Backen nicht voll genug nehmen kann. Der 
ẽrfolg der Anleihe ist eine Thatsache, die die Franzosen über die 
mdere nicht minder constatirte Thatsache trösten mag, daß diese 
Anleihe nur den Zweck hat, die Folgen eines der unheilvollsten 
driege, die Frankreich je geführl hat, wieder gut zu machen. Wenn 
ich das Ausland und besonders auch Deutschland so überreich an 
ieser Anleihe betheiligte, so hat dies zunächst in finanziellen und 
uicht in politischen Erwägungen seinen Grund. (Obgleich wir die 
Betheiligung an der Anleihe nicht billigen. Siehe deßhalb den Ar— 
ikel:, Die bevorstehende französische Anleihe“ in Nr. 109 d. Bl.) Das 
Fadital, das, wie wir ja wissen, sehr kosmopolitischer Natur ist, 
würde sich gewißnicht so bereitwillig zeigen, wenn es sich dabei nicht in 
ster Reihe um Realisirung der Vortheile handelte, die man sich von 
)er Anleihe verspricht Die Spekulation hat sich auf das Unter⸗ 
jehmen gestürzt, weil sie das Geschäft für gut hält und selbst dabei 
in Geschäftchen machen will. Und so ist es am Ende nur baare 
yewinnsucht, welche die Listen der Subscript 'onsbogen schwellt. 
Ffine innere oder äußere Krisis, wodurch die Zahlungsfähigkeit 
Frankreichs nur einigermaßen in Frage gestellt würde, würde aber 
uuch bald die reichen Hoffnungen der Spekulation nieder stimmen 
md diese ermatten machen; sie würde, wie das Organ des Präsi⸗ 
denten, das „Bien public“, selbst eingesteht, das angebliche Ver⸗ 
xauen des Auslandes in eine Börsenpanik verwandeln. Deun mit 
den Subscriptionen, führt es weiter aus, ist allein noch nichts ge— 
han. Für Frankreich ist vor allem das feste Unterbringen der 
Anleihe eine Lebensfrage und dazu ist Ruhe die Grundbedingung; 
nie geringste Krisis würde die Rententitel des Auslandes dem 
ranzösischen Markte wieder zuführen. Dies mögen die Franzosen 
nit ihrer Gloiresucht sich gesagt sein lassen und lieber darauf be⸗ 
»acht sein, ihre Anleihe unter Dach zu bringen, als aus dem 
länzenden Resultat der Anleihe-Zeichnung politisches Kapital zu 
chlagen, und sich der Illusion hinzugeben, Europa wolle durch seine 
kinzahlungen einen künftigen Rachekrieg Frankreichs unterstützen 
ind beschleunigen. — — 
Thiers hat am 29. Juli in der Vertrags-Komssion die von 
bm verlangten Erklärungen über die innere Lage abgegeben und, 
die es heißt, unter anderm die feste Hoffnung ausgesprochen, daß 
pätestens in einem Jahre das französische Gebiet vollständig von 
en Deutschen geräumt sein werde; im Monat Februar würden 
ier Departements und die beiden anderen einige Monate später 
tlögt werden; was Alles den Deutschen ebenso angenehm sein 
dird, als den Herrn Franzosen. — 
Was sonst im Bereich der Tagesgeschichte liegt, ist nicht von 
hedeulung oder bewegt sich auf kirchlichem Gebiete. Juteressant ist 
nur eine aus Rom stammende Mittheilung der „Köln. Volksztg.“ 
vonach in nächster Zukunft die „Genfer Correspondenz“ das ton⸗ 
ngebende Organ der Jesuitenpresse, aufhört zu erscheinen. Noch 
ir einiger Zeit vom Vatikan aus protegirt, hält man die leiden⸗ 
choftliche und maßlose Sprache des Organs nicht mehr fuͤr ange⸗ 
eigt, indem man glaubt, durch sie für die vertretene Sache mehr 
achtheil als Rutzen in Erwactung zu haben. 
Deutsches Reich. 
Mündchen, 29. Juli. Der deutsche Kaiser wird auf seiner 
seije durch Bayern im strengsten Inkognito reisen, so daß jeder 
tmpfang zu unterbleiben hat. Wegen der zu derselben Zeit statt⸗ 
indenden Unipersitäts-Jubelftier wird diesmal ein persönliches Zu—⸗ 
ammentreffen des Kaisers mit unserm König nicht stattfinden. 
Münchenm, 30. Juli. Die Reise, welche der Kronprinz 
des deutschen Reicheß gegen Mitte dieses Monais von Berchtes⸗ 
Jjaden nach Ingolstadt beabsichtigt, wird sich, wie es heißt, nicht 
iuf Besichtigung der Festung beschränken, sondern auch eine In⸗ 
pizirung verschiedener Armee-Abtheilungen stattfinden. Man bezeich⸗ 
net in hiesigen militärischen Kreisen namentlich das 1. Kürassier⸗ 
Regiement und mehrere Batterien des 1. und 4. Art.⸗Regiements, 
velche nach Ingolstadt abgeordnet werden solllen. 
—München, 30. Juli. Im Vandrathsabschied der Pfalz 
purde ausgesprochen, daßz dem Antrag, es möge ein das gesammte 
Schulwesen regelndes Gesetz — unter Voransiellung des Grund⸗ 
atzes der Trennung der Kirche von der Schule — zu Stande 
ommen, unter den gegenwärtigen Verhältnissen keine Aussicht auf 
ine Vereinbarung der gesetzgebenden Faktoren gegeben sei. 
München, 30. Juli. Das eben erschienene Militärver⸗ 
rdnungsblatt publizirt das am 1. Oktober Jl. J. in Wirksamkeit 
retende Militärstrafgesetzbuch für das deutsche Reich nebst dem 
Tinführungsgesetz hiezu bom 20. Juli l. J. U 
Die Steuerprinzipalsumme beträgt für den Regierungsbezirlk 
der Pfalz pro 1872 1,047,840 fl. 20 kr. wonach sich ein Steuer⸗ 
prozent auf 10,478 fl. berechnet. 
München, 31. Juli. Zufolge Entschließung des kgl. Fi⸗ 
nanzministeriuns wird vom 1. Okt. d. J. an der Siz des k. 
Forstamtes Elmstein nach Neustadt a/H. verlegt. 
München, 31. Juli. Nach telegraphischer Nachricht aus 
Rom ist die Pränconisation des Abtes Haneberg als Bischof von 
Zpeier im letzten Consistorium vollzogen worden. 
München, 31. Juli. Universitätsfeier. Empfang der 
Deputationen. Minister v. Lutz, von den Ministern v. Pfretzschner 
und von Pfeufer, begleitet, überbringt im Auftrage des Königs 
dessen Glückwunsch und verkündete die unten naher angegebene Sti⸗ 
»endienstiftung und bie Ordensverleihungen. Recior v. Döllinger 
dankt Namens der Universität. Es folgen die Begrüßungsreden. 
Bürgermeister Erhardt spricht Namens der Residenzstadt, Sybel 
zür die deuischen, Max Müller für die außerdeutschen Universitäten, 
Ernst Curtius für die gelehrten Gesellschaften, Herrwanger für die 
Mittelschulen, Student Kraus für die Studentenschaften. — Der 
dönig hat anläßlich des Jubiläums aus den Mitieln der Cabinets- 
'asse ein Stipendium von 100,000 Gulden für Studirende der 
Geschichte oder zum Zwecke einer wissenschaftlichen Reise gestiftet. 
—Dem Rektor der Universität, Professor v. Döllinger, ist das 
Großcomthurkreuz des Kronenordens, dem Prorektor Giefebrecht 
der Titel eines Geheimraths, den Professoren Prantl, Roth, Brinz, 
Helterich, Hecker der Kronenorden, den Professoren Schmid, Voit, 
Müller, Radelkofer der Michaelsorden verliehen worden. 
München, 31. Juli. Festvorstellung im Hoftheater glän⸗ 
end; der König mit großartiger Ovation empfangen; langer 
Jubel, dann Gesang der bayerischen Nationalhymne von Allen; 
zer König freudigst bewegt. 
In Bamberg hat ein hervorragender Jesuitenpater mit 
dem Erzbischof geheime Unterredung gepflogen. Derselbe kam von 
Brüssel, ist sodann zum Bischof von Augsburg abgereist und soll 
die Aufgabe haben, an sämmtliche Bischofssitze in Süddeutschland 
uu reisen, und in Betreff der zu beobachtenden Haltung mit den 
hetreffenden Bischöfen ins Benehmen zu treten. Wie vermuthet 
vird, hat derselbe über das Ergebniß seiner Mission in Rom 
Bericht zu erstatten. 
Die fremden Jesuiten, so wird dem „Nürnb. Corresp.“ 
wie es scheint von interessirter Seite geschrieben, sind nicht eiwa 
auf gut Glück in Oesterreich eingewandert, und sie legen nicht 
ꝛtwa auf's Ungewisse hin ihre Kapitalien in österreichischen Liegen⸗ 
schaften an. Sie haben vorher Erkundigungen eingezogen, ob und 
inter welchen Bedingungen sie Aufnahme zu erwarten hätten, und 
ie haben, allerdings nur von dritter Hand, aber auf Grund 
uthentischer Information, die Zusicherung erhalten, daß sie nur 
den Bestimmungen des allgemeinen Fremdengesetzes uuterworfen