Full text: St. Ingberter Anzeiger

Excessen vorzubeugen. Fürst Bismarthielt es für angemessen ist — Lyon und Marseille als deutsche Städie aufgeführt sint 
yor seiner Abreise nach Varzin eine Verständigung der Mitglieder Nach den Prüfungen, die wir erfahren haben und wie wir je 
des Staatsministeriums über diese Dinge herbeizuführen, und! über die Projecte unferer Feinde aufgeklärt sind, werden wir ohn 
deßhalb wurde diese Angelegenheit in der heutigen Sitzung in Be⸗ gZweifel dafür sorgen, daß der Plan Ottos de— Großen ein Traun 
rathung genommen. Die Staatsregierung will alle gesetzlich ge⸗ bleibt; dazu gehört aber nothwendig, daß die Arbeiten des Fricdo 
vährleisteten Freiheiten innerhalb des Gewerbeverkehrs bestehen bei uns mit den Arbeiten des Kriegs geeichen Schritt hallen 
iassen und schützen, eben so sicher kann man aber auch darauf Preußen (wir dürfen nicht müde werden, es zir wiederholen) ba 
rechnen, daß sie jedes gesetzwidrige Ausschreiten der Parteien ader mit unferem Gelde ein ungeheueres Netz von Kanälen, welches si 
die gestellte Grenze der Freiheiten hinaus mit aller Energie zur luns bedrohlicher ist. als seine Krupp'schen Kanonen und dap 
Rechenschaft ziehen wird.“ durchsticht es den St. Gothard. An uns ist es aufzupassen un 
Wbenn inzwischen auch offiziell der Neugierde rücksichtlich der nur auf uns selbst zu zählen. Die von unferen so schwer bettot 
besonderen Zwecke, welche auf dem Fürstencongreß verfolgt worden fenen östlichen Departements ergriffene Initiative jagt den südliche 
rein sollen, nicht entsprochen wird, so suchen die allwissenden Be⸗ Gegenden, durch welche die Rhone fließt, was sie zu thun haber 
richterstatter gewisser Blaͤtter dem Mangel in anerkennenswerther Paris, 18. Sept. Der Toast, welchen der Commandaen 
Weise abzuhelfen; so hat neuerdings wieder der Londoner Standard“ des englischen Schiffes „Sultan“ bei Gelegenheit da 
aus Berlin die Nachricht erhalten, es werde bestimmt versichert, Besuchs des Hrn. Thiers in Havre während eines den Behdrdu— 
daß Rußland die Aufhebung des Pariser Friedensvertrages als der Stadt gegebenen Frühstücks ausbrachie und welcher in Frant 
Preis, seines freundschaftlichen Zusammengehens mit Oesterreich eich so großes Wohlgefallen hervorgerufen hat, lautete: Mein 
und Preußen verlangt habe; eine Entscheidung sei noch nicht er⸗ Herren, die öffentliche Meinung in England ist, ich freue mig 
olgt. Diese dürfte auch wohl schwerlich erfolgen, da die Mitthei- 3 sagen zu können, noch immer und sogar mehr als je Frankre 
lung ohne Zweifel dem großen Entenschwarm zugezählt werden jünstig, dem schönen Frankreich, das wir ?alle lieben. Ich su 
muß, den die Kaiser⸗Zusammenkunft bereits aufgescheucht hat. neinen Theil schätze mich glücklich, dazu ausersehen worden 
Ful da, 19. Sept. Morgen findet die Schlußsitzung der ein, England an ihren Küsten zu vertreien und ihren berühm 
Bischofskonferenz siatt. Vor der Abreise vecsammeln sich die Prä- Präsidenten bei seinem Besuche zu begrüßen. Gestatien Sie mi 
aten zu einem gemeinsamen Gebet in der Gruft des h. Bonifacius ilso, zu trinken auf das schöne Frankreich, auf alle seine Führ— 
Luremburg. Der „HK. Z.“« schreibt man von hier? und auf den ansehnlichsten von allen, auf Herrn Thiers!“ De 
Zum 16. d. M. wird der Betrieb unserer Eisenbahnen in deutschen Maire und der Unterpräfect erwiderten mit Toasten auf das eng 
Handen sein⸗ und ein Theil der Erwartungen unserer Deutschfreunde lische Volk, die Königin und den Prinzen von Wales. 
wird sich verwirklicht haben. Wir hofsen gein, daß auch unsere Das „Journal officiel? publicirt die Ernennung des General⸗ 
übrigen Erwartungen, in so fern dieselben auf Deutschland be⸗ Chanz y zum commandirenden General des sicbenten Armeecorpe 
ruhen, nach und nach in Erfüllung gehen werden. Die General- in Tours, sowie diejenige des Generals Ducrot zum Com— 
Direction der Betriebsverwaltung von Elsaß⸗Lothringen hat soeben mandeur des achten Ärmeecorps in Bourges,. — Der Prasiden! 
ihre Fahrtarife in den Zeitungen unseres Landes veröffentlicht der Republik wird von Trouville nach Paris zurückkehren und in 
Die Billigkeit dieser Tarife findet hier allgemeinen Beifall. Elysͤe Wohnung nehmen. — Man glaubt, daß derselbe einige 
Wien, 14. Sept. Die Nachrichten aus Gatizien lauten Wochen daselbst verweilen wird. 
sehr traurig. Die Ernte ist in einem Grade mißrathen, daß die Die Fahnen, welche Frankreich in seinen früheren Kriegen 
Behörden nichts geringeres als eine vollständige Hungersnoth in lerbeuiete, sind jetzt wieder in der Kirche der Invaliden aufgehäng 
Aussicht stellen. Die Leinberger Handelskammer hat bereits die worden. Bis jetzt fehlen jedoch die preußischen. 
schleunigste Sistirung des Zolls befürwortet, der den Eingeng rus⸗Die Gerüchte, daß der Prinz von Wales und der 
ischen Getreides belastet. (A. Zz3zæz. russische Thronfoiger gegen Ende Ockober Hrn. Thiers einen 
Frankreich. ofsiziellen Besuch abstatlken werden, erhalten sich. Wie man ver⸗ 
Paris, 15. Sept. Der „Siecle“ meldet nach Berichten ichert, wäre dieser Plan zuerst in Kopenhagen zur Sprache ge 
aus Nanch, daß die städtische und departementale Anleihe Behufs ommen, wo fich die Gemahlinen der beiden Prinzen in der leßten 
Anlegung eines Saone⸗-Maas⸗Kanals in wenigen Tagen, nämlich Zeit gesehen haben. Endgiltiges ist jedoch nicht abgemacht. Die 
vom 27. August bis zum 2. Sept., gedeckt worden isi. Es handle Interhandlungen werden aber, wie man behaupiet, eifrig fortgesehz 
iich, meint das Blatt, jetzt noch darum, die Rhone durch einen Ferner sagt man (was sehr unwahrscheinlich klingt), daß der Prin— 
Seiten⸗Kanal mit dem Mittelmeer und zwar wo möglich direck von Wales, wenn er nach Paris kommt, von einem Ministet be⸗ 
nit dem Hafen von Marseille zu verbinden, da der Kanal Saint gleitet sein werde. Die Festüchkeiten selbst sollen in Versaill es, im 
Louis für die Bedürfnisse des modernen Verkehrs nicht genüge. ölysée und im Schlosse von Fontainebleau stattfinden. 
Die Sache sei um so dringender, als binnen weniger als zehn Amerika. I 
Jahren die St. Gotthardbahn, dieser „Meisterstrich des Herrn Die in New⸗Orleans angesiedelten Elsaͤsser und Loth 
». Bismarck“, dem mittleren und nördlichen Europa eine shnelle ringer zogen — eiwa 2000 an der Zahl — zum französischer 
und wohlfeile Verbindung gebffnet haben werde, welche den Handels Tonsul und erklärten daselbst ihre Anhänglichkeit an Frankreich. 
berkehr Frankreich's mit dem fernen Orient abzuschneiden drohe. 
Machen wir uns keine Illusionen, sagt der Siecle, die wirthschaft⸗ 
liche Politik Preußen's ist für uns noch gefährlicher, als seine 
Rüstungen und sein Heeressystem. Herr von Bismark gibt sich 
die groͤßte Mühe, uns das Gegentheil glauben zu machen. Man 
erinnere sich der wirthschaftlichen Umwälzung, welche die Entdeck⸗ 
ung des Caps der guten Hoffnung für unsere Handelsstraßen nach 
iich zog. Diese Entdeckung gab der politischen Macht Jialien's 
den Gnadenstoß und das letztere war nur mehr ein geographischer 
Begriff, als wir ihm so großmüthig beistanden, sich aus seinen 
Ruinen wieder aufzurichten.(i) Wir brauchen diesen Beistand nich! 
zu bedauern, aber wir müssen jetzt alle Maßregein trefsen, daß wir 
nicht von der Nachbarschaft und Betriebsamkeit unseres ehemaligen 
Schützlings zu leiden haben. Schon mußte Marseille, welches auf 
einen Lorbeeren eingeschlummert ist, sich die indische Post entrückt 
sehen; Brindisi und Genna werden einen Theil seines Trasits 
erben. Auch Lyon sollte nachdenklich werden. Diese beiden mäch ⸗ 
igen Industrie-⸗ und Handelsstädte, welche der Krieg verschont hat, 
dürfen nicht vergessen, daß wir im Osten nur noch eine durch⸗ 
ocherte Grenze haben. Ihre Schlachtfelder sind die biden Meete 
velche unsere westlichen und südlichen Küsten lLespülen; mögen sie 
wenigstens dort ihre Ueberlegenheit behaupten. Ach, in den Stürmen 
sind uns die Schuphen von den Augen gefallen. Wir fehen Deutsch⸗ 
land nicht mehr hinter einem Schleier von Einbildungen, sondern 
in seiner ganzen drohenden Wirklichleit. Die Lyoner Fabrikanten, 
die Spinnet der südlichen Departements, die Rheder und Kauf— 
herren von Marseille sollten sich jetzt erinnern, daß in dem von 
Dito dem Großen hinterlassenen Plane einer Wiederherstellung des 
eichs — einem Traum, dessen erster Theil durch die Eroberung 
ron Elsaß Lothringen für den Augenblich in Erfüllung gegangen 
V e r mi s ch t G. 
F Zweibrüden, 16. Sept. (Schwurg erichts-Verhand 
lungen der Pfalz.) Mit einer kurzen Ansprache, worin er der 
Geschworenen ihre Aufgabe naͤher erläuterte, eröffnete heute Morgen 
8 Uhr Herr Appellrath Dercum die Schwurgerichtssitzungen 
und wurde sodann zur Verhandlung des 1. Fall es übergegangen 
Am 7. Juni abhin kehrte Diensttnecht Kehr von Erlenbach bei 
Wirth Franz Peter Müller in Landau ein mit dem Ersuchen, ihm 
auf einige Tage Kost uud Logis zu geben. Kehr hatte nämlich di 
Absicht, nach Amerika aussuwandern und wollle die paar Tage 
die ihm noch bis zur Abreise übrig blieben, in Landau zubringen 
Sein ganzes Vermögen, bestehend in etwa 200 fl., führte er ir 
seiner Reisetasche bei sich. Müller qartierte ihn bei seinemsKnechte 
Johann Christoph Nikolay, dem heutigen Angeklagien, in dehser 
Kammer im Hinterhause ein. Dort verbarg Kehr seine Reisetasch— 
mit dem Geld in seinem Bette, ohne jedoch dem Nikolay, den e 
als zun Hause gehörig für ungef ährlich hieit, eir Geheimniß darau⸗ 
zu machen. Am Sonntage, den 9. Juni, als Kehr nach Billig 
heim auf den Markt gegangen war, konute Nikolay der Versuchun 
nicht länger wiederstehen, holte die Reisetasche aus ihrem Verstecke 
schnitt sie auf und bemächtigte sich mehrere Geldrollen, worauf e 
sie wieder an ihren alten Platz brachte. Mittags erzählte er nur 
den Eheleuten Müller, daß in i hrem Hause eiwas verborgen se' 
und führte sie zum Beweise dieser seiner Aeußerung in die Kam— 
mer an Kehr's Bett, aus dem er die Reisetasche herausholte. Aut 
»em Gewichte sahen die Eheleute Müller, daß Geld darin sei 
egten sie aber, ohne sie weiter zu besehen. wieder an ihren frie 
jeren Platz. Gegen Erwarten kehrt e Kehr erst Mittwoch wieder 
zurück. Inzwischen hatte Ehefrau Müller, dit ihrem Knechte nid