St. Ingberker Anzeiger.
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4 164. J Donnerstag, den 17. Oetober VVVVVVVV—— 1872
*..*St. Ingbert, den 16. October.
Wohl keine Frage beschäftigt gegenwaͤrtig die Geister mehr
us die soziale; denn sie hat eine solch' große Bedeutung ge⸗
vonnen, daß von ihrer glücklichen Lösung Gesetz und Ordnung
n den meisten europäischen Stagten abhängen. Sie lüßt sich
ucht mehr „einfach‘ ignoriren. Die größten Staatsmänner wid⸗
nen ihrem Studium ihre volle Kraft und Zeit und schauen ihr Deutsches .
n das gefahrdrohende, wetterschwangere Angesicht. Auf den Ver⸗ „Mäünchen, 14. Oct. Kultuͤssminister v. Lütz hat dadurch,
ammlungen der verschiedensten Corporationen, auf Kirchentagen, daß er seiner Zeit Hrn. Gasser gegenüber eine Solidaritätserklär-
herbands- und' Genossenschaftstagen werden Vorträge gehalten, ing des gesammten Ministeriums veranlaßte, die allerhöchste Minß-
im die Situation zu klären und zur Lösung der sozialen Frage limmung heryvorgerufen. Sein baldiger Rücktritt gilt für wahr—
m Scherflein beizutragen. So tagte in der letzten Zeit mit dem cheinlich. (Deutsche Presse.
usgesprochendsten Grundsatze sich mit der Besprechung der sozialen München. Staatsrath Frhr. v. Lobkowitz hat, wie
Frage zu beschäftigen und das Möglichste zur Lösung derselben der „N. Corr.“ meldet; mit dem Tage der Berufung des neuen
eizutragen in Eisenach eine Versammlung, unter dem Namen: Finanz Ministers Berr, als Vorstand der kgl. Staatsschulden⸗
ongreß der Katheder⸗Sozialisten. Ironischerweise haben die Gege Tilgungs-Commission einen längeren Urlaub angetreten; man hört
ner der Versammelten,“ dier sogenannten Manchesterleute, die dem aß er gesonnen sei, um seine Pensionirung einzukommen. (Hr. v.
zrincip der unbeschränkten Freiheit auf dem Gebiete der Industrie, Lobkowiz war zum Finanzminisier im Gasser'schen Cabinet designirt;
es Gewerbes, des Handels und Verkehrs huldigen, sie so genannt, ein Unmuth ist um so begreiflicher, als Hr. Berr im Range
veil die Vertreter der Anschauungen, die auf dem Eisenacher Con⸗ bisher unter ihm stand.)
resse entwickelt wurden, größtentheils Professoren sind. Die Ksa- München, 15. Oct. Der Minister des Innern hat der
heder⸗Sozialisten belonen das Eingreifen des Staates zur recht⸗ hon dem Jesuitenpater, Graf Fugger wegen seiner Ausweisung
ichen Ordnung derjenigen Verhältnisse, in denen die Manchester⸗ erhobenen Beschwerde keine Folge gegeben und dieselbe für unbe—
eute volle Freiheit wünschen, und zwar bis zu dem Grade, daß Jründet erklärt. — Der vormalige bayerische Minister⸗Präsident
ie Uebermacht der Einen bei unbeschränkter Freiheit nicht mehr ind nunmehrige Staatsrath Ludwig Freiherr von der Pfordten
ur Unterdrüdung der Andern, minder Mächtigen, führen kann. jat um das Bütgerrecht der Stadt München nachgesucht und
Ddas, was die Katheder⸗Sozialisten wollen, ist jedenfalls gut und dasselbe vom Stadtmagistrat ohne Gebühr erhalten.
öonnen sie auch mit den Resultaten des Eisenacher Congresses zu— Straßburg, 15. Oct. Heute fand die Probefahrt auf
rieden sein. Der Versuch, Mitglieder der verschiedensten politischen] der neuen Bahnstrecke Saarburg-Saargemünd statt, welche glück
harteien, Arbeitgeber und Arbeiinehmer zusammenzubringen und lich verlief. Der Oberpräfident, die beiden Bezirkspräsidenten und
on ihnen konkrete praktische Fragen aus dem Gebiete der Sozial⸗ viele Bahndixectoren waren anwesend. An den Stalionen fanden
politik diskutiren zu lassen, ist gelungen. In Bezug auf eine sympatische Kundgebungen der Bevölkerung statt.
Inzahl nicht unwichtiger solcher Fragen wurde eine Uebereinstim . Die „Nordd. Allg. Ztg.“ dementirt die Zeitungsnachricht,
rung der Meinungen constatirt, und die Erkenntniß von dem daß Fürst Bism arkesich wegen seiner angegriffenen Gefund-
krnste der sozialen Frage, das Bewußtsein, daß jeder Einzelne,' jeit seinen Urlaub noch uüͤber ein Vierleljahr verlängern ließ. Das
)aß die Gesellschaft, daß der Staat an der Lösung dieser Frage Blatt fügt hinzu: „Fürst Bismarck nahm einen unbestimmten
arbeiten mülsse, fand einen lebbaften Ausdruch. Und so wird schon Arlaub zur Wiederherstellung seiner Gesundheit; wann dieser Zweck
das als eine erfreuliche Thatsache zu begrüßen sein, daß die Wieder- rreicht wird, ist zur Zeit noch unbekannt. Jedenfalls wird eine so
inberufung eines derartigen Congresses für das nächste Jahr durch ange Abwesenheit von den Aerzten nicht als wahrscheinlich be—
zie Niedersetzung eines ständigen Ausschusses gesicher: zu sein scheint. rachtet.“ — Die „Nordd. Allg, Ztg.“ meldet ferner, daß die
Immerhin ist es schon als ein Gewinn anzusehen daß die Manner, Tivilehevorlage noch nicht definuiv festgestellt ist, und fügt hinzu—
die aus dem Studium der Volkswirthschaftslehre ihre Lebensauf⸗ daß erst jetzt im Cultusministerium commissarische Berathungen der
zabe machen, sich entschlossen haben, aus ihren Arbeitsstuben her- bei der Eheschließungsfrage zunächst betheiligten Ressorts (CTultus,
jus- und in die Arena des Lebens hineinzutreten. Uebrigens dustiz, Inneres) stattfinden.
efreuen sich auch die Bestrebungen der Katheder-Sozialisten der Einer Berliner Korrespondenz der „Köln. Zig.“ zufolge hat
zunst der offentlichen Meinung wie die der Regierungen, deren die Denkschrift der Bischöfe ‚nach übereinstimmentden Zeugniffen in
Agane sich auf ihre Seite stellen; ein Beweis, daß das, was kKegierungskreisen einen sehr ungünstigen Eindruck hervorgebracht.
e zu Tage zu fördern suchen, leineswegs ein solcher „Wechselbalg“ Die Sprache sämmtlicher offiziösen Korrespoicdeuzen läht darüber
st, wie allzuängstliche Gemüther glaubten fürchen zu müssen. Was einen Zweifel bestehen. Die auf den Schutz der staallichen In—
m Eisenach das Licht der Well erblickt hat, schmeckt keineswegs eressen gerichteten Vorlagen des Ministeriums, welche die Session
zjach dem „wilden Mann,“ und ist von sozialistischem Communis- der Kammern beschäfligen sollen, können dadurch nur gefördert
aus und communistischem Sozialismus gleichweit entfernt. Die werden·.
datheder⸗Sozialisten predigen nicht Umsturz aller bestehenden Ver⸗ J
zältnisse, wollen leine Aufhebung' der Gewerbefreiheit und des
ohnverhältnisses; sie erkeünen nach allen Seiten das Bestehende
und nehmen.als Ausgangspuntt ihrer Thätigkeit, als Basis
hrer Reformen' die bestehende “volkswirthschaftliche Gesetzgebung,
die bestehenden Formen der Produktion, die bestehenden Bildungs-
ad psychologischen Verhältnisse der verschiedener gesellschaftlichen
lassen und verlangen „eine maßvolle, aber mit fester Hand durch-⸗ zermischtes.
führte Fabrikgesetzgebung,“ Fabrikinspektorate, Bank und Ver- Kaiserslautern, 15. Oct. (Verloosung.) Die
Jerungsämter, „Enqueten in Bezug auf die soziale Frage“, Be- Verloosung von Industrieausstellungsgegenständen mußte nochmals
ränkung der Kinder⸗ und Frauenarbeit, Verm'ttelungscommissionen, auf unbestimmte Zeit verschoben werden, da die amtliche Kontrole
»hiedsgerichte: Eintreten des Staates für Erziehung und Bildung der Nummern noch einige Taze in Anspruch nimmt. So unlieb
er untern Klassen ꝛc. diese Verzögerung sein mag, um so größere Sicherheit liegt darin
Eine prattische Folge des Congresses wird zunächst darin zu für das Publikum, daß die Verloosung mit der größten Sorgfalt
inden sein, daß die preußische Regierung die Verhandlungen dese und Gewissenhaftigkeit geleitet wird. 1Kais. 3139
selhen mit der größten Aufmerk samkeit verfolgt hat und daß die
stesuktate derselben, wie die öffi ziöse „Prov. Corresp.“ mittheilt,
in den demnächst aufzunehmenden Conferenzen —zwischen Preuß en
und Oesterreich betreffs der sozi alen Frage werden berüchsich i gt
werden. —