Full text: St. Ingberter Anzeiger

Hl. Ingberler Anzeiger. 
der St. Pnaberter Anzeiger lund das mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt, mit der Dienstags⸗, Donnerstags⸗ und Sonntag 
ammer) erscheint wöͤchentlich vi er mtal. Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag. Abonnementspreis vierteliahrig 42 Krzr. oder 
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, 1872 
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M 168. .Donnerstag, den 2u. Oetober 
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Deutsches Reich. 
München. Die vomZ, Nürnb. Corr.“ gebrachle Nachricht, 
daß Staatsrath' v. Lobkowitz zugleichmit der Berufung des neuen 
Finanzministers einen längeren Urlaub angetreten habe, wird jetzt 
in demselben Blatt als falsch erklärt;, derselbhe versehe vielmehr 
nach wie vor sein Amt. 
Staatsminister Lutz wurde am 18. Oct. zum Koönige nach 
Berg berufem, einen eingehenden Vortrag über die bischöfliche 
Denkschrift zu erstatten. Ueber dieselbe sind bereits Verhandlungen 
mit den größeren deutschen zStaaten eingeleitet. 
Mäünchen Gegen den „Bolksboten“ soll eine AAagt 
auf Hochverrath eingeleitet sein, wegen eines Artikels des Frhrn. 
„. Linden, welcher, seit einiger Zeit im „Vaterland, und „Volls⸗ 
boten“ einen Ablagerungsplatz für die Producte seiner vertrackten 
„olitischen Anschauungen gefunden hat. Diesmal ging der Mann 
jo weit, den Kronen Bayern und Württemberg zu empfehlen, sie 
sollten sich von den Versailler Verträgen lossagen, Pdem Reichs- 
chwindel“ ein Ende machen und Preußen in's, Krenzfeuer? stellen 
Berhin, 21. Och.« Der Kaiser, die Kaiserin und der 
xronbrinz werden bei der Feier der goldenen Hochzeit des sächsi— 
chen Königspaares zugegen sein; der Besuch des Kaisers von 
Desterreich ist zur selben Zeit in Dresden zu erwarten. 
Berlin, 21. Oct. In der gestrigen Generalversammlung 
der Berliner Maschinenarbeiter wurde constatirt, daß nur noch 
400 Arberter striken, und der Strike der Pflug'schen Maschinen⸗ 
irbeiter hierauf beendet erklärt. 
Berlien, 22. Oct. Beide Häuser des Landiags nahmen 
jeute ihre im Sommer vertagten Sitzungen mieder auf. Im Ab⸗ 
Jeordnetenhaus legte Finanzminister Camphaufen die Uebersicht 
der Einnahmen und Ausgaben pro 1871 vor, welche einen Ein⸗ 
aahmeüberschuß von 9,373,000 Thalern aufweisen; besonders 
zünstig waren die Ergebnisse der Eisenbahnverwaltung. Sodann 
iegte er den Staatshaushaltsvoranschlag für 1873 vor und be—⸗ 
merkte dazu: das Jahr 1872 weise auf allen Gebieten den leb⸗ 
haftesten Aufschwung nach und habe die Staatseinnahmen durch⸗ 
gehens erhöht. Alle Betriebsverwaltungen ergeben ein disponibeles 
Mehr von 6,404,233 Thalern. Die Matricularbeitrage für das 
Keich wiesen gegen 1872 eine Minderausgabe von 6,100,505 
Thalern aus.“ Mittelst eines besonderen Gesetzes würden 414 
Millionen zur Dotirung von Provinzialfonds gefordert werden. 
eine Million sei sür die Ausführung van Wegebauten in Anschlag 
gebracht. Die Mehrausgaben für die Serviszulagen der Civilbe— 
imten betragen 2,215,000 Thaler. Die Offiziere sollen später 
ierücksichtigt werden. Trotz alledem verbleiben 7,000,666 Thaler 
uur Schuldentilgung. Für das Cultusministerium, Vollsfchulwesen 
und Kunstzwecke sind große Mehrausgaben ausgeworfen. Ein⸗ 
tahme und Ausgaben balanciren mit 206,702,648 Thlr., wovon 
83,180,917, Thaler dauernde und 28,621,728 Thlr. außeror⸗ 
zentliche Ausgaben sind. (Lebhafter Beifall.) 
Das Herrenhaus trat sofort in die Berathung der Kreisord⸗ 
ung ein, welche dort durch den Widerwillen der Junker gegen 
ine Abänderung der bisherigen Kreisordnung in freisinniger zeit 
zemäßer Weise disher ungebührlich verzögert worden war. Der 
Winister des Inneren Graf Eulenburg erklärte: Feudale Stände 
eien heutzutage unmöglich. Die Regierung könne dem im Volke 
ebeudig gewordenen Rufe nach Selbstverwaltung ihr Ohr nicht 
erschließen. Selbstverwaltung sei die Uebertragung der allgemeinen 
dienstpflicht auf das bürgerliche Leben, wie dieselbe füt das mili⸗ 
ärische Gebiet bestehe und Prcußen groß gemacht habe. Dics sei 
die Parole der Regierung, welche er anzunehmen bitte. Hierauf 
vurde die Debatte auf morgen vertagt. 
Die Vorbereitungen zu den Conferenzen in Bezug 
uuf die sociale Frage sollen, wie der „C. S.“ mittheilt, preußi⸗ 
cherseits jetzt so weit abgeschlossen sein, daß die Herüberkunft der 
Isterreichisch ⸗ ungarischen Bevollmächtigten nunmehr zu erwarten sei. 
Der Deutsche Merkur“ verdffentlicht eine Adresse, welche 
dorstand und Lerein des „Evangelischen Bundes in Genf au die 
deuntschen Altlalholiten, d. speziell an Döllinger und) Schulte er⸗ 
sassen haben. Diese sympathische Kundgebung trägt 29 Unter⸗ 
chriften von Geistlichen und hervorragenden JLalen der Schweiz, 
3.aus England, 8 aus Frankreich, 1 aus Holland, J aus Italien 
laus Belgien und 3 aus Americtt. 
Frankreich.. — 
Paris, 201 Oct. Die Räumung der Departements Marene 
uind Haute-Marne hat sich wieder etwas verzögert, da die 
Baracken für die deutschen Truppen immer noch nicht aller Orten 
n bewohnbarem Zustand sind. — Aus Algiser kommen traurige 
Nachrichten über die schreckliche Lage der dahin ausgewanderten 
Eklsässer: die meisten haben kein Geld, sind vom Fieber befallen 
und somit auch nicht im Stande, durch Arbeit ihren und der ihri— 
zen Unterhalt zu beschaffen. 
Paris, 283. Oct. „Bien Public“ veröffentlicht eine Zu⸗ 
schrift des Maire von Nanch an den französischen Bevollmächtigten 
im Haupiquartier der deutschen Occupationstruppen, Grafen Vallier 
worin ausdrücklich gegen die Zeitungsnachricht protestirt wird, daß 
er (der Maire) in Paris gewesen sei, um über Belästigung Seitens 
der deutschen Truppen Klage zu führen. Der Miairelerklärt, Be⸗ 
äsiigungen existirten nur in der Einbildung der Pariser Journa⸗ 
isten, er beklage mit Vallier aus's tiefste die Sprache gewisser 
Journale, welche die besezten Provinzen durch wüthende Angriffe 
zegen die deuischen Truppen unausbleiblich der Gereiztheit der 
Deutschen preisgäben. Der Maire appellirt an den Patriotismus 
der Journalisten und hafft, daß das verbrecherische Hetzen endlich 
aufhöre. 
Italien. 
Rom, 16. Oct. Die „Ital. Nachricht.“ melden, es werde 
oeben in Rom bekannt, daß Bischof Stroßmeyer die Decrete des 
vaticanischen Concils im officiellen Journal seiner Diöcese bekannt 
emacht habe. So hätten denn nun alle Väter des Concils ihre 
Zustimmung zu den Deereten gegeben. 
Bekanntmachung. 
den Raubmörder Heinrich Völker beit. 
100 Thlr. Belohnung. 
Der Taglöhner Heinrich Völker von Bockenheim, 
vegen Mordes durch Erkenntniß des k. Schwurgerichtshofes hier⸗ 
elbst vom 27. April d. J. zum Tode verurtheilt, durch Allerhöchste 
TFabinetsordre vom 26. Juli d. J. zu lebenslänglichem Zuchthaus 
egnadigt, ist am 16. August d. J. aus hiesigem Gerichtsgefäng— 
niß entsprungen. Es wird demjenigen, welcher die Wiederergreif⸗ 
ung desselben bewirkt (den Polizeiorganen und Gendarmen unter 
dem in der Ministerialentschließung vom 4. September 1833 — 
Minist.Bl. der Verwaltung S. 268 — ausgesprochenen Vorbe— 
halt), eine Belohnung von hundert Thalern hie— 
nit zugesichert.“ 
Völtker ist 32 Jahre alt, 5* 20 1“ groß, hat schwarz⸗ 
zraune Haare und Augenbraunen, braune Augen, gewöhnliche Nase, 
jervorstehenden Mund, unvollstäudige Zähne, längliches Gesicht, 
jervorstehende Backenknochen, dunkelbraunen Schnurr- und Kinn— 
zart — jetzt muthmaßlich rasirt — bleiche Gesichtsfarbe und ist 
von mittlerer Statur. 
Besondere Kennzeichen sind: verkrüppelter kleiner 
Finger der linken Hand, eiwa zehn Blutegelnarben am Unterleide, 
auffallend scheuer, unstäter Blick. 
Letzte Bekleidung: Grüne Schützenjoppe mit grünem 
dragen, grünem Besatz und grün eingefaßtem Riegel, schwarze 
Zengweste, braune weite Zeughose mit dunklen-Streifen, auf dem 
inken Knie mit einem blauen Lappen geflickt, Lederschuhe. 
Frankfurt a. M., den 3. October 1872. 
Der Königliche Staatsanwalt. 
Gez. Kunit. 
F. X. Demetz, verantworilicher Redacteur.