Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberter Znzeiger. 
Der Stt. Inaberne r Anzeiger (und das mit dem Huuptblatte verbundene Unterhaltungsblatt, mit der Dienstags⸗ Donnerztagz- und Sonnta 
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Deutsches NReich. 
München, 5. Dez. Wie wir erfahren, wird der k. Ju⸗ 
stizminister, Hr. Dt. v. Fäustle, sich demnächst in Angelegen⸗ 
heiten des deutschen Civisprozesses nach Berlin begeben. 
München. Nach dem „Bayer. Kur.“ baben jene der hier 
neugewählten Gemeindebevollmächtigten, welche der ultcamontanen 
Pariei angehören, beim Staatsanuwalt die Einleitung einer Unter⸗ 
suchung wegen „Fälschung der Wahlen“ gestellt. 
In Karsisrudhe hat am 1. do. die größte bisherige Ver⸗ 
sammlung in Betreff der Tabaksfrage stattgefunden, und zwar, 
wie schon erwähnt, auf Veranlafsung des hiesigen Bürgermeisters 
Moll. Der uͤrsprünglich von Mannheim eingenommene, rein 
negative Standpunkt, der Tabal gar nicht eigentlich als geeigneteres 
Steuerobject als das Salz auerkennt, konnte im Lause der Ver⸗ 
handlungen nicht festgehalten werden. In erster Reihe blieb frei⸗ 
lich der Satz: wenn möglich, gar keine õarhöhung; in zweiter steht 
der Versuch, durch doppelten Aufschlag des erhöhten inländischen 
Steuerbeträges auf den Einfuhrzoll für fremden Tabak die inlän⸗ 
dische Production zu schützen. Jür uns und die Pfalz ist die 
Frage diel weniger eine theoretisch principielle, als die eminent 
praktische: wie retten wir den für große Landstriche zum Lebens⸗ 
element gewordenen Tabaksbau? Diese Frage wird man auch im 
Bundesraäth und im Reichstag als eine berechtigte, ja unabweis⸗ 
liche zu würdigen wissen. Abgesehen von der dem Bundesrath zu 
ubergebenden Gesammitpetition, wird übrigens auch durch Deputa⸗ 
sonen das inländische und das Reichsinteresse für das thunlichste 
Berücksichtigung der süddeutschen Ir teressen, die größtentheils zu⸗ 
gleich allgemein deutsche sind, rege erhalten werden. In manchen⸗ 
sreifen ist man übrigens der Meinung, daß eine in Folge hoher 
Steuer eintretende Beschränkung des Tabaksbaues nicht die vor⸗ 
trefflichen süddeutschen Gelände treffen werde, sondern in erster 
Reihe die dürftigeren norddeutschen, welche dann der Mitwerbung 
nicht mehr gewachsen sind, so daß die Existenzfrage des Tabaks⸗ 
baues durchaus nicht als süddeutsche behandelt werden kann. Frei⸗ 
uͤch der Umfang des Jateresses ist diesseit des Mains weit größer— 
Frankreich. 
Paris, 6. Dez. Die Rechte rechnet mit Sicherheit auf 
eine Umbildung des Cabinets in ihrem Sinne. Unter den Mini— 
stercandidaten für ein solches Cabinet werden genannt: Dufaure 
für das Innere, Martel für die Justiz, Fonton für die Arbeiten, 
Vitet für den Unterricht. Gerüchtweise verlautet, daß Thiers mit 
dem früheten kaiserlichen Finanzminister Mange wegen Uebernahme 
des Finanzministeriums verhandelt habe. 
WVBVersailles, 6. Dez. Der „Agence Havas“ zufolge ist 
es nicht wahrscheinlich, daß vor Ablauf einiger Tage die Ernen⸗ 
nung neuer Minister stattfindet. Die Regierung erwarte mit Un⸗ 
geduld die Beschlüsse der gestern gewählten Commission. Wegen 
Verlängerung der Krisis herrscht zwar große Beunruhigung in 
ganz Frankreich, indessen ist die öffentliche Ordnung nirgends 
gestört. 
Von dem Kriegsgerichte in der Rue du Cherche Midi 
in Paris wird eben als Epilog zum Kriege ein interessanter Pro— 
zeß verhandelt, der das Francks⸗Tireurwesen trefflich charakterisirt. 
Es werden ein halbes Dutzend dieser mit der Hahnenfeder ge⸗ 
schmückten Gelegenheitshelden abgeurtheilt, die, wenn man dem 
Anklageakte und dem Zeugnisse der von ihnen auf eigenem Grund 
und Boden gebrandschatzten Mitbürger Glauben beimessen dacf, 
unter dem Vorwande, dem Vaterlande zu dienen, als patentirte 
Raͤuber ihr Handwerk ausübten. Die Leute hatten sehr wenig die 
gefürchteten Ülanen auf's Korn genommen; sie hatten es vielmehr 
auf die Waarenhallen, Tabaks⸗ und sonstigen Vorräthe friedlicher 
—X0 ausgeplündert und wenn sich die 
Einwehner dagegen wehrten, erging es ihnen schlecht. So wurden 
in einem einzigen Dorfe sechs Personen, Männer und Weiber 
ihrer Habe beraubt, ermordet und die Leichen in die Seine ge— 
worfen. So handelten die Herren Francs⸗Tireurs an ihren eigenen 
Landsleuten! 
WEngland. 
London, 4. Dez. Rach einer dem „Globe“ aus Man⸗ 
bester zugegangenen telegraphischen Mittheilung wird die franzö⸗ 
ische Regierung auf Aufrechterhaltung des von Thiers schon bei 
Zündigung des allen englisch-französischen Handelsvertrages pro⸗ 
zonirten Zolltarifes bestehen, England aber die Einführung von 
loßen Compensationszoͤllen verlangen. Das Blatt spricht die 
Meinung aus, daß die Ratification des Handesvertrages nicht eher 
Jatlfinden wird, bis Frankreich sich nachaiebig erweist. (T. N.) 
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Zermischte s. 
Aus Lüttich wird gemeldet, daß die Maas und ihre 
Nebenflüsse ausgetreten sind, und daß die Gewässer seit dem Win⸗ 
er vdon 1850 51 eine soiche Höhe nicht erreicht haben. Zwischen 
züttich und Mastricht sind alle Felder überschwemmt. In Seraing, 
Fupille, Jemeppes, Huy und anderen Orien haben verschiedene 
Fabriken die Arbeit einstellen müssen, wodurch die Arbeiter in große 
Roth gerathen. Nach den neuesten Nachrichten steigt das Wasser 
noch immer. 
F Lent's ,45 wimming Circus? wird in Ruhrort, da 
der Besitzer nach Amerika zurückkehrt, dem Verkaufe ausgesetzt. 
ünd doch kein Weltuntergang. Wie Professor Klinkerfues 
in Goͤttingen berichtet, bat am 27. November ein Zusammenstoß 
der Erde mit dem Biela'schen-Kometen stattgefunden. Zu dem— 
elben überraschenden Resultat kommt Prof. Galle in Breslau, der 
hereits in einer Zuschrift an die Schles. Ztg. den Nachweis führt, 
daß die Meteorschwärme, die am 27. Nov. Abends in so wunder- 
barer Fülle beobachtet wurden, nichts anderes als Theilchen des 
Biela'schen Kometen gewesen sind. Die Meteore hatten ihren 
Radiationspunktt am Fuße des Sternbildes Andromeda, genau dem 
Punkte, von welchem her nach seinen Berechnungen Theile des 
Ziale'schen Komeien der Erde begegnen mußten. 
4Ein entsetzliches Ereigniß), das fich in einer Stadt in 
Itlünmnois zugetragen, meldet ein amerikanisches Blatt. Ein 
riefiger Luftballon, der eben aufsteigen sollle, gerieth in Brand 
und flog mit einem Arbeiter, welcher beschäftigt war, den Ballon 
qu füllen, nachdem das Ankerthau verbrannt war. in die Luft. 
Da der Arbeiter in der Nähe des Korbes war, verstrickte er fich 
und stieg, einen Fuß nur im Korbe, und sich an den Seiten fest⸗ 
haltend, bis zu einet Höhe von 100 Fuf. Bald verlor auch er 
die Stütze im Korbe und, nur noch auf die Kraft seiner Hände 
angewiesen. stieg er bis zu einer Höhe von 300 Fuß. Jetzt ver⸗ 
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zum Entsetzen ver versammellen 45500 Zuschauer vor ihnen zu 
BZoden. So lange der Körper in der Luft war, war er fast 
aufrecht, fiel aber rückwärts, als er in die Nähe der Terra firma 
war und schlug mit solcher Wucht zu Boden, daß die Erschütter- 
ung in ziemlicher Entferaung noch gespürt wurde. Der Koörper 
var ganz zerschmettert und dlutete aus Mund und Nase. Der 
Ballon fiel nicht weit davon ebenfallz zu Boden und war bald 
gerbrannt. 
Volkswirthschaft, Handel und Verkchr. 
Wegen Unterbrechung des Verkehrs auf den spanisschen 
Fisenbahnlicien dürfen bis auf Weiteres Fahrpostsendungen nach 
Spanien via ElsaßLothringen beziehungsweise im Transit durch 
Frankreich nicht ** B-karderung vorgenommen werden. 
Dienstesnachrichtend 
Auf die Steuer⸗ und Gemeindceinnehmerei Kirchheim am Eck, k. Be⸗ 
irklsamts Frankenthal und Rentamts Grunstadt, wurde der Steuer⸗ uud 
hemeindoesnanehmere Marekkarven Gauersheim. auf Ansuchen versetzt. 
Für die Ueberschwentmlen am Ostseestrande 
jnd eingegangen: Von Herrn K. 2 fl. 
Bis jetzt zusammen 14 fl. 15 kr. 
Zur weitern Empfangnahme von Beiträgen ist gerne bereit 
Die Expedition des St. Ingberter Anzeigers- 
—7. X. Demeß. vera worniher Redacteur —