Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
— — — —— 
————— — 
der St. FJagbrrter Anzeiger (und das mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt, mit der Dienstags⸗ Donnerstags- und Sonnta 
Nummer) ericheint wöchentlich vi erm al: Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag. Abonnementspreis vierteljährig 42 Krzr. oder 
12 Silbergr. Anzeigen werden mit 4 Kryir. die dreispaltige Zeile Blattschrift oder deren Raum berechnet. 
M 205. — Zonntaa, 1872 
Deutsches Reich. 
In Müngqhen ist in diesen Tagen eine Schrift erschienen, 
die, wenn fie anch nicht ein officielles Generalstabswerk über die 
Betheiligung des einen der beiden bayerischen Armeecorps am 
Feutschfranzoͤsischen Kriege ist, doch die Stelle eines solchen Werkes 
zu vertreten bestimmt sein mag. Sie führt den Titel: „Das 1. 
bayerische Armeecorps von der Tann im Kriege 1870 - 71, nach 
den Kriegsacten bearbeitet von Hugo Helwig, Hauptmann im 
Beneralstab.“ Die beigeg ebenen großen Karten sind von dem lopo⸗ 
zraphischen Bureau des bayerischen Generalstabs gesertigt. 
Ludwigshafen, 26. Deebr. Nach dem bsterreichischen 
Besetz vom 13. Nov. d. Is. können Gegenstände, welche in Wien 
1873 zur Ausstellung gelangen und sich zur Erwerbung eines 
Privilegiums, Marken⸗ oder Musterschutzes eignen, von der Gene⸗ 
ral⸗ Direction der Weltausstellung ein Schutz⸗ Certificat erhalten. 
Dasselbe muz dvor Eröffnung der Ausstellung, also vor dem 1. Mai, 
nachgesucht werden. Diejenigen pfälzischen Aussteller, welche ein 
olches Schutz⸗Certiftcat erwerben wollen, werden gut thun, sich 
deßhblb durch Vermittelung der pfälzischen Gewerbe und Handels- 
tammer an die koͤnigl. baherische Landes ˖ Commission zu wenden. 
In Lippftadt (Westphalen) kam es bei der Anwesen⸗ 
heit des altkatholischen Professors Michelis, welcher dort einen 
Vortrag halten wollte, am 22. Dec. Abends zu so argen Ruhe⸗ 
foͤrungen, daß gegen die zusammeugerottete Menge, welche sich 
trotz wiederholter Aufforderung nicht zerstreuen wollte, eine Schwa⸗ 
zron Husaren zum Einhauen commandirt wurde. Es gab —* 
ache Verwundungen. Prof. Michelis soll einen Steinwurf an den 
stopf erhalten haren. 
Berlhin, 27. Dec. In einem Artikel über den Rücktritt 
des Fürsten Bismarck vom Ministerpräsidium führt die „Provin⸗ 
zialCorrespondenz“ aus, es habe sich darum gehandelt, daß Fürst 
Bismarck, aus dessen schöpferischen Idern die seitherige Gestaltung 
der Reichspolitik im engsten Zusammenhange mit der Entwickelung 
Preußens entstanden fei, auch ferner die Seele der deutschen und 
der damit zusammenhängenden preußischen Politik zu bleiben ver⸗ 
moͤge, ohne von der Last allseitiger Amispflichten und Sorgen 
erdrückt zu werden. Das preußische Ministerium verbleibe auch 
jetzt noch ein Ministerium Bismarck. Die preußischen Minister 
erwarten und verlangen, daß der Reichskanzler ihr eigentlicher 
rechter Präsident bleibe. Die Minister werden ihre höchste und 
hrenvollste politische Aufgabe immer darin erkennen, dem großen 
Staatsmanne, welcher der preußischen und deutschen Politik seit 
zehn Jahren den Stempel seines mächtigen Geistes verliehen, die 
Durchführung seiner Aufgabe für das Gesammtvaterland in jeder 
Beziehung erleichtern zu helfen. Das ist die Bedeutung der jüngsten! 
Veränderung des preußischen Ministeriumz. Daraus ist zu er⸗ 
ennen, daß es sich keineswegs um eine Lockerung der Beziehungen: 
wischen der preußischen und der Reichsregierung, nicht um eine! 
dossagung des Fürsten Bismarck von dem Kinflusse auf die net 
preußische Entwickelung überhaupt handle, sondern uur um Be—⸗ 
reiung desselben von der speciellen Ministerverantwortlichkeit für 
zie Gesammtheit der inneren Berwaltung behufs fernerer rfüllung 
eines großen Berufs für die höchssen Aufgaben Preußens und 
Deu:schlands. 
— 
Vermischtes. 
Darmstadt, 24. Dez. Unmweit der hiesigen Station 
ntgleisse gegen Mittag ein von Aschaffenbdurg kommender Zug. Ein 
Bremser ünd ein Passagier wurden schwer, eine Anzahl anderer 
Bersonen leicht beschädigt. Acht Waggons wurden unbrauchbar. 
Der Ueberschwemmung an der Ostsee droht nun⸗ 
mehr eine zweite Ueberschwemmung und zwar eine Ueberschwem⸗ 
nung mit Bibeln. Die englische Bibelgesellschaft will unter die 
Nothleidenden „Testamente mit Psalmen“ vertheilen. Steine sind 
's gerade nicht, welche das fromme England den Unglücklichen 
dati Brod bietet; viel nahrhafter ist es aber auch nicht. 
(G(Gevanche.) Wir lesen in der „Newyorker Handels⸗ 
eilung“: „Wie man in Europa Morder und Räuber nach Amerika 
jegnadigt, so fangen wir jetzt an, unsere Banditen in Freiheit zu 
etzen, unter der Bedingung, nach Europa zu gehen, was so 
iemlich auf Eins herauskommt. In New⸗Orleans weisen die 
Ddocumente des dortigen Criminalgerichts nach, daß 2 Strolche 
Namens James Steward und James Mo⸗Crast, gegen welche die 
Brand Jury eine Anklage erhoben hatte und die sich dann selbst 
des Angriffs mit gefährlichen Waffen schuldig bekannt haben, am 
28. October gegen ihre eigene Bürgschaft von Doll. 100 auf ihr 
Bersprechen hin, sich nach Liverpool einzuschiffen, unter Androhung 
weijühriger Gefängnißstrafe, im Falle fie hier je wieder betroffen 
verden, entlassen wurden.“ 
Verübung on Unfug —X eu adrenacht betr. . 
Im Namen Seiner Majestät des Königs. 
Nach Ansicht des Art. 39 des Ploizeistrafgesetzbuches, der 
um Vollzuge dieses Artikels erlassenen Konigl. Verordnung vom 
21. Januar 1872 und des den Vollzug des 8 1 dieser Verord⸗ 
ung suspendirenden Regierungsbeschlusses vom 1. Febrnar 1872 
Kreis⸗Amtsblatt 1872 Seite 3983 und 395). 
In Erwägung, daß dem die öffentiche dey und Ordnuung, 
owie die Sicherheit der Personen bedrohenden Unfug des Schie⸗ 
zens in der Neujahrsnacht mit den gesetzlichen Milteln entgegen⸗ 
sutreten ist, 
beschließt die unterfertigte Stelle: 
Der Regierungsbeschluß dom 1. Februar 1872 wird auf die 
Dauer des 31. Dezember 1872 und des 1. Jauuar 1873 
aufgehoben und tritt somit der 81 der erwähnten Konigl. 
VBerordnung vom 21. Januar 1872 für die bezeichneten zwei 
Tage in volle Wirksamkeit— 
Die k. Bezirksämter werden beanftragt, diesem Beschlusse 
zurch Einrücken in die Localblätter und auf sonst geeignete 
Weise die möglichste Verbreitung zu sichern, den Vollzug der 
Ullerhöchsten Verordnung gehörig überwachen zu lassen und 
zei Zuwiderhandlungen neben der polizeilichen Beschlagnahme 
der verbotenen Waffen auf Grund des Art. 839 des Polizei 
shesesenehet die polizeigerichtliche Einschreitung zu veraͤn⸗ 
assen. 
Die Stellen der eirschlägigen Gesetze und Verordnungen 
werden nachstehend besonders bekannt gemacht: 
Art. des 89 Polizeistrafgesetzbuches. 
Wer außer dem Falle des Strafgesetzbuches für das 
Deutsche Reich F 367 Ziff. 9 den Verotdnungen zuwider- 
handelt, wodurch zur Verhütung von Gefahren für die Sicher⸗ 
heit der Personen die Führung bestimmter gemeinfährlicher 
Waffen bestimmten Klassen von Personen oder in bestimmten 
dandestheilen untersagt ist, wird an Geld bis zu füntzehn 
Thalern odee mit Haft bis zu acht Tagen bestraft, wober auf 
Einziehung der verbotenen Wafssen erkannt werden kann, ohne 
Unterschied, ob sie dem Verurtheilten gehören oder nich. 
8 Lder Koönigl. Verordnung vom 21. Januar 1872. 
Die Führung nachstehender Waffen, al 
von Dolchen, Stileten und anderen im Griffe feststehenden 
oder mittels einer Vorrichtung feststellbaren Vtesiern, 
2. von zugesptzten Streichern und von Pfriemen, 
3. von Terzeroren, Sackpistolen und Revolvern, 
k. von Abschraubgewehren, 
5. von Raufringen oder Schlageisen 
istallen unselbständigen Personen (Art. 6 des 
Gesetzes vom 16. April 1868 über Heimat, Verehelichung 
und Aufenthalt) verboten. 
Speier, den 20. Deicember 1872. 
stöniglich Bayerische Regierung der Pfalz, J 
sttammerdes Innern. 
v. Braun. 
4 9 
F. XI. Temetz veranuwortlicher Redacteur. 
Schild.