Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberker AAnzeiger. 
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Ehronik der Ereignisse des Jahres 1871. 
S1. Januar. Die Süd⸗Armee nimmt bei Verfolgung der in das 
Grenzgebirg geworfenen franz. Ost⸗Armee den Straßenknoten Lac de Point 
and fängt 1500 Franzosen. — Der Waffenstillstand tritt auch für die zweite 
Armer und die Armee des Generals Chanzy in Kraft. — Gambetta erklärt 
in einer Proclamation an die Präfecten, seine Politik des Widerstandes bis 
zur Erschöpfung fortsetzen zu wollen. FL 
J. Februar. Dijon wird wieder von Deutschen besetzt. — Die ab⸗ 
ziehende französische Ost-Aemee wird von der sie verfolgenden Süd· Armee bei 
Chatean de Jour (südlich Pontarlier) erreicht uud geschlagen. 
S. Februar. Prinz Friedrich Karl verlegi sein. Hauptquartier nach 
Tours. —Gefechte der Sůd-Armee mit den nach der Schweiz übertretenden 
französischen Truppen. 
A. Februar. Garibaldi trifft mit seinem Stabe in Chalons⸗fur⸗Saone 
ein. — Gambetta nimmt seine Entlassung. J 
3. Februar. Die Sud⸗Armee besetzt Lons le Saumier (O Meilen 
jüdlich Besangon.) —— 
7. Februar. Vor Paris beginnt die Ablieferung der Geschüte und 
Waffen der Pariser Armee. — J 
8. Februar. Die Foris Hautes⸗Perches und Basses⸗Perches bei Bel⸗ 
fort werden von der Belagerunas⸗Armee genomwmen 
gestellt, ihr die 210 Millionen Kriegssteuer, die sie an Preußen 
zezahlen mußte, zu ersetzen. Sie stützt sich darauf, daß Paris den 
Waffenstillstand nicht allein für sich, sondern für ganz Frankreich 
abgeschlossen habe. Der Seinepräfekt hat die 450,000 Franken 
Aufwandsgelder, die bisher die Stadt ihrem Präfecten zukommen 
ieß, auf 6000 Franken reduzitt. Das Stadthaus wird also in 
Zukunft keine große Festen mehr geben. 
Dych eẽt.⸗l Anzere Erceettrbktnisse“ und das 
Büchelchen“. 
Versprochenermaßen kommen wir wieder auf das obige Thema 
urück. 77 der allgemeinen Erfahrung wohl wissend, daß durch 
nähere Beleuchtung eines Uebelstandes hin und da wehe gethan 
vird, so lassen wir uns doch dadurch nicht abhalten, das Kaufen 
nuf's Büchelchen, das wir nach unserer Ausführung getrost als 
inen Uebelstand bezeichnen dürfen, an dieser Stelle einer unpar⸗ 
eiischen Besprechung zu unterziehen nach dem Grundsatz „Nieman- 
den zu lieb und Niemanden zu leid.“ 
In keinem anderen Orte der Pfalz grassirt das Kaufen auf's 
Büchelchen so sehr wie hier und so ist es dem Fremden auch höchst 
auffallend, in den Metzger⸗, Bäckere und Kurzwaarenläden die 
meisten Käufer aus dem Arbeiterstande auf das Büchelchen kaufen 
zu sehen. Sogar Kleinigkeiten von nur einem oder einigen Kreu— 
zern im Werthe werden nicht sofort bezahlt, sondern ins Büchelchen 
eingeschrieben. Warum nun dieses? Ein Theil macht geltend, wir 
jaben nicht Geld, um sofort zu bezahlen, müssen erst das Ende 
»om Monat und den kommenden Zahltag abwarten und ein an⸗ 
derer Theil, vielleicht der kleinere, bezahlt aus Bequemlichkeit oder 
aus falscher Speculation nicht sogleich beim Kaufen, obgleich er 
das Geld dazu hätte. Vielleicht gibt auch das Würstchen oder 
der Weck ꝛc., was alles bei der Ausbezahlung am Schluß vom 
Monat vom Megger, Bäcker ⁊c. gratis gegeben wird, bei empfind⸗ 
amen Gemüthern den Ausschlag, im Monat nur ein- Mal zu 
bezahlen, denn bei jedesmal'gem Bezahlen des Gekauften würden 
diese Gratiszugaben ja in Wegfall dommen. Der so glaubt, täuscht 
sich; denn er hat seine Gratiszugabe (ich darf es wohl sagen) 
zwei⸗ ja dreifach bezahlt. In der jetzigen Zeit schenken Geschaͤfts- 
leute nichts weg. Auf alle Fälle täuscht fich der gewaltig, der 
in dem Glauben zu profitiren, auf's Büchelchen kauft; er ist ge⸗ 
bundener, abhängiger, muß sich oft mit einer schlechteren Waare 
zegnügen und sie am Ende auch noch theuerer bezahlen. 
Was die Entschuldigung des einen Theils anbelangt, daß sie 
nicht Geld haben, um sofort zu bezahlen, sondern erst den Zahl⸗ 
tag abwarten müssen, so dürfen wir getrost sagen, ohne uns in 
social⸗wirthschaftlichen Betrachtungen zu ergehen, stets die praltische 
Seite der Frage im Auge behaltend, in den meisten Fällen liegt 
die Schuld an den Betreffenden. Das Gekaufte muß ja doch, so 
es der Käufer ehrlich meint, bezahlt werden. Doch viele, und das 
ist gerade die heikle Geschichte, denken in der ersten Hälfte des 
Monats nicht daran, es wird ohne an ein ökonmisches Budget zu 
denken, ohne zu rechnen, ob sich auch Aus- und Einnahmen die 
Wage halten, darauf zugekauft, es geht ja auf's Büchelchen. Denn 
das ist sicher, sobald sofort beim Einkaufen bezahlt wird, wird 
man sparsamer in den Ausgaben, als wenn der Betrag vorläufig 
noch aufs Papier gesetzt wird. So lommt es, daß schließlich die 
Ausgaben die Einnahmen in einem Monat übersteigen; beim Mo⸗ 
natsschluß bleibt eine restirtende Schuld, die unter der Hand an⸗ 
wächst, bis man um einen ganzen Monat zurück ist. Daß dieses 
in vielen Fällen demoralisirend rückwirkt, wer will es bezweifeln? 
So hat der Käufer auf das Büchelchen statt Vortheile, wie er 
dielleicht denken mag, nur Nachtheile, aus denen aber dem Ge— 
chäftstreibenden, Metzger, Bäcker, Kaufmann, ꝛc., bei dem er kauft, 
zurchaus keine Vortheile erwachsen. Er klagt, wünscht das Büchel⸗ 
hen an das Ende der Welt und er weiß wohl warum. Denn wie 
pon manchen Büchelchenskunden wurde er schon angeschmiert mit 
wei, drei Collegen der Reihe nach; wie oft schrieb er schon sein 
Buthaben in ein Büchelchen ganz sauber ein, aber ohne je einen 
Deu HNes Reich. 
München, 5. Febr. Der König wünschte diese Tage dem 
ganzen Minifleriums wegen des Sieges in der Kammer Glück und 
zdeehrte den Präsidenten Graf Hegnenberg ⸗Dux mit dem Geschenke 
seines Bildnisses. 
München, 6. Febr. Der Staalsminister der Finanzen 
hat bei dem Präsidium der Kammer der Abgeordneten ein Nach- 
iragspostulat für Erwe'terung der Hafenbauten in Ludwigshafen 
überreicht. — Die Abgeordneten Dingler und Alwens haben einen 
die pekuniäre Stellung der Obergerichtsschreiber in der Pfalz be— 
treffenden Antrag eingebracht · 
Mannheim, 7. Febr. Das „Mannheimer Journal“ mel⸗ 
det: Die Berliner Provinzial⸗Diskontogesellschaft errichtet ein Zweig 
geschäft in Ludwigshafen, um das Pfälzer Geschäft zu cultiviren; 
die Gründung findet unter der Theilnahme der tonangebenden 
Finanzkreise stait. Director wird Herr Mammelsdorf vom Mann 
heimer Bankhause Salomon Maas, eine tüchtige beliebte Kraft 
Die Pfälzer Bank bestellte als weitern Director Herrn Falkenburg 
aus Coln. 
Berlin. Nachdem die Gerüchte von einer Verständigung 
der europäischen Cabinete gegenüber der Internationale einiger 
maßen verstummt waren, touchen sie jetzt in einer Rachricht der 
„Königsb. Hat. Zig.“ wieder auf, der zufolge, nach einer Mit⸗ 
theilung aus guter Quelle, Graf Schuwalow, der Chef der geheimen 
Polizei in Rußland, mit einem Gehilfen an die verschiedenen Hofe 
Europa's abgeordnet sei, um ein Programm gegen die Internatio⸗ 
nale zur Besprechung vorzulegen. 
Berlin, 7. Febr. Der Generallieutenant v. Podbielski 
ist an Stelle des verstorbenen Generals der Infanterie v. Hinder⸗ 
sin mit Führung der Geschäfte der General⸗Inspection der Artil- 
jerie beauftragt worden, während der Generalmajor v. Bülow 
bisher Commandeur der Garde⸗Artillerie:Brigade, zu den Offizieren 
bon der Armee versetzt und zur Dienstleistung bei der General- 
Inspection der Artillerie commandirt worden isht. 
Berlin, 7. Febr. Die „Spener'sche Ztg.“ meldet: Der 
Bischof von Straßburg hat hierher berichtet, daß Cardinal Antonelli 
der Curie eröffnet habe, er werde das Concordat von 1801 als 
nicht mehr zu Recht bestehend ansehen. Die Reichsregierung theile 
zwar diese Auffassung nicht, sieht aber demnächst Verhandlungen 
über eine neue Ordnung der Beziehungen zwischen dem Staat und 
der Kirche in Elsaß ˖Lothringen entgegen. 
J Frankreich. A 
Paris, 53. Febr. Der Finanzminister verdffentlicht Docu⸗ 
mente, wornach die Gesammtsumme aller 41871 eingegangenen 
directen Steuern 194 Milliarde, also fast 82 Millionen über den 
Budgetvoranschlag beträgt. Ferner hat sich statt des in Folge der 
Jahresereignisse befürchteten Steuerausfalls von 23,414 Millionen 
ein. Minus von nur 7624 Millionen ergeben. (Fr. Ztg.) 
Die Stadt Paris hat jeßt an den Staat die Forderung