Full text: St. Ingberter Anzeiger

Sl. Ingberler Zenzeiger 
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der St. In berter Anzeigee und das mit dem Haudtblatte verbundene Unterhaltungsblatt, mii der Dientlage⸗ Daounerbiags⸗ and Soniag 
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Ac 70. — ESaumstaga, den 2. Maei. 1874 
Deutsches Reich. — 
Mänchen, 28. April. Ueber eine der letzten Sitzungen 
des obersten Schulrathes betreffs einer Leorganisation der huma⸗ 
aistischen und Realgymnasien, sodann die Gewerbeschulen verlautet, 
daß ein Vorschlag begutachtet wurde, dah'ngehend: an den Latein— 
schulen eiue neue Klasse, eine Art Vorlurs anzureihen, in den dann 
Schüler nach zurückgelegtem 9. Lebensjahre anfzunehmen seien; an 
diese Klasse follen sich dann Lateinschule und Gymnasium in ihret 
jetzigen Gestalt anschließen. Die Errichtung einer vierten Klasse 
an den Gewerbeschulen wurde in derselben Sitzung vom obersten 
Schulrathe nicht begutachtet. Warum letzteres vider das mehr— 
jährige Drängen und das in der Augsburger Wander-Versamm⸗ 
lung erst kürzlich fast einstimmig ausgesprochene Verlangen der 
lechnischen Lehrer Bayerns belieht wurde, bedarf jedenfalls noch der 
Aufklärung. 
München, 28. April. Die feierliche Trauung des Herzogt 
Karl Theodor von Bahern mit der Prinzessin Maria Josepha 
von Braganza, geboren am 19. März 1857, einer Tochter des 
1866 gestorbenen Dom Miguel von Portuga!, hat heute auf 
Schloß Heubach stattgefunden. Die Neuvermählten werden in 
einigen Tagen in Schloß Possenhofen eintreffen. 
München, 28. April. Die Nachricht, daß das Kriegsmi⸗ 
aisterium mit dem Plan umgeht, in der Armee statt des Raupen⸗ 
helmes den Gensdarmeriehelm (Pickelhaube) einzuführen, bestätigt 
sich. Es soll dies auch der Grund sein, weßhalb die seit dem 
April v. J. zu den Kriegsministerial Ensschließungen in Betreff 
der Neuuniformirung der Armee noch nicht erfolgten Entscheidungen 
iber den Generalshelm ꝛc. nebst den dazu gehörigen Breschreibungen 
und Zeichnungen sistirt sind. (N. C.) 
Berlhinn. Die Mehreinnahmen der Staatskasse im ver⸗ 
zangenen HZahre (34 Millionen Thlr.) rühren zumeist von den 
höheren Erträgnissen der Bergwerke, der Forsten, der indirekten 
Steuern und der Preußischen Bank her. Auch die Eisenbahnen 
lieferten einen Mehrertnag von 6 Millionen, der aber durch eine 
gleich hohe Mehrausgahe wieder aufgezehrt wurde. 
Berlin, 26. Vpril. Beim Reichstagsschlusse im Weißen 
Saale waren etwa 150 Reichstagsmitglieder anwesend. In der 
Diplomatensoge befanden sich der französische, österreichische und 
rürkische Botschafter sowie mehrere Gesandte. Die Bundesraths⸗ 
mitglieder unter Tührung des Ministers Delbrück standen kinkts 
»omn Throne. Der Kaiser, vom Kronprinzenund den Prinzen 
sarl, Friedrich Karl? Alexander, Georg, August von Württemberg 
zefolgt, wurde mit enthesiastischem Hoch begrüßt, das der Reichs⸗ 
ags. Präfident ausbrachte. Bei Verlesung der Thronrede wurde 
zet auf Erhaltung des Friedens bezügliche Possus mit Beifallsbe⸗ 
eugung aufgenommen. Ein Hoch dauf den Ka'ser, ausgebracht 
durch den bayerischen Minister Fäustle, schloß die Feieclichkeit. 
Berlin, 26. Aptil. Nach einer neuen Entscheidung des 
handels⸗Ministers sol durch die über eine Inhaltsbezeichnung der 
Schankgefäße ergehenden Polizei-Verordnungen den Gästen nur die 
Möslichkeit gewuhrt werden, in den Schankwirthschaften die Menge 
des in dem einzelnen Schankgefäße verabreichten Getränkes an dem 
Befäße selbst zu controliren, dodurch aber nicht der freien Ver— 
dändigung der Betheiligten über irgend ein außerhalb der Maß 
takstufungen des 8 5 der Aichorduung liegendes Quantum von 
Betränken hindernd entgerentreten werden. Danach würden also 
die bisher über diesen Gegenstand ergungenen Polizei⸗-Derordnungen, 
vonach die betreffenden Gefäße nur zur Verabreichung eines dem 
Soll-Inhalte wirklich entsprechenden Quantums benutzt werden 
ürfen, wieder aufzuheben seinn. 
Berlin, 27. Aprit. Das preußische Abgeordnetenhaus, 
velches, um die Verhandlungen des Reichstages nicht zu stören, 
jertagt worden war, bevor es alle seine Geschäfte erledigt hatte, 
st seit einigen Tagen wieder versammelt. Die wichtigsten Gegen⸗ 
lände, mit denen es sich noch zu befassen hat, sind die Gesetzent 
aurfe über eine Anleihe von 50 Millionen Thaler. zur Erweiter⸗ 
Netzes der Staatseisenbahnen, über die Verwaltung t—xle, 
digter Bisthümer und über die Synodalordnuag für die? prott- 
dantische Kirche. .. ** 
Aus Berlbin, 28. April, meldet man der „Allg. Ztg.“ 
Da das vom Reichstag beschlossene Civilehegesetz, als in mehreren 
Bundesstaaten nicht ausführbar, Beanstandung findet, so wird 
draussichtlich dem Reichstag in der nächsten Session ein ander— 
veitiger Gesetzentwurf vorgelegt werdeen. 
Berlin, 28. April. Die acht Elsasser Reichsabgeordneken, 
velche bisher an den Berathungen des Reichstags theilgenommen 
jatten, haben nach längerer Erwägung beschlossen, zur Herbstsitzung 
urückzukehren und an den Berathungen des Reichstags theilzu— 
aehmen. 
— Ein Erkenntniß des königlichen Ober-Tribunals vom 5. 
März 1874 lautet: Auf einen in einer Fabrik beschaftigten jugend⸗, 
ichen Handwerks-Luhrling finden die Vorschriften der Bundes⸗Ge— 
verbeordaung vom 21. Juni. 1860, 88 149 Nr. 7150, 130 ff. 
Anwendung. (ks handelte sich um einen Fall, wo Jemard in 
iner Thon- und Ofenfabrik eine Anzahl noch nicht 16 Jahre 
alter Personen zu einer regelmäßigen Beschäftigung angenommen 
und im Juni 1873 daselbst befchäftigt hatte, ohne daß die jungen 
Leute mit einem Arbeitstuch versehen waren und ohne daß eine 
riste derselben im Arbeits-Lokal ausgehängt und der Polizeibehörde 
nitgetheilt worden war. 
Aus Naffsau, 28. April.“ Wie wir verlässsg hören, wird 
der Kaiser bon Oesterreich während der Anwesenheit des Czaren 
in Ems zu mehrtägigem Besuch dahin kommen. — Der Bischof 
von Limburg ist wegen Besetzung zweier Pfarrstellen zum zweiten 
Male, und zwar für den 6. Mai vor —— geladen. 
63. 49 
Wisen, 29. April. Das Abgeordnetenhaus erledigte das 
dlostergesetz in der zweiten Lefung.“Zung 18wurde ein· Amen— 
dement von Fux angenommen, wonach die kisterliche Dieciplinar— 
zewalt niemals angewendet werden darf, um die Befolgung der 
Gesetze oder die freie Ausübung der staatsbürgerlichen Rechte zu 
hindern, zu 8 27 ein Zusatz Kopps betreffs der periodischen Vi— 
itation aller Klöster durch die Landesbehörden. 
Frankreich. 
Paris, 27. April. Der deuische Reichstag ist geschlossen 
ind man sieht sich hier in seinen gehegten Erwartungen etwas ge—⸗ 
äuscht, hofft jedoch, daß es küuftig fchon noch Gelegerheit geben 
vird sich französischerseits uber Verhandlunden und Abstimmungen 
m Reichstage zu freuen. Einstweilen begnügt man sich, den Ra— 
tionalliberalen gehörig den Text zu lesen, sie zu warnen und da— 
rauf aufmerksam zu machen, welche schwere Last sie durch ihre Ab⸗ 
timmung in der Militärfrage dem Vande aufgebürdet haben. 
out comms chez nous. — Sehr viel wird jetzt geredet und ge⸗ 
chriebtn üder das Septennat Mac Mahons resp. über eine de⸗ 
initive Regierungsform. Ferdinand Boyer rich“et einen längeren 
Btief an dem Director der „l'Union“, in welchem er erklärt, daß 
das Septennat nur als eine Vorbereilung zur bleibenden Republik, 
die sich nicht an die Person knüpft, zu betrachten sei, eder aber 
ur Monarchie. Die Carlisten haben die Correspondenzen, die von 
Barcelona nach Pladrid geschickt werden sollten, verbrankt. — Die 
crümmer der Bande von Villar, die bei Piedra Bucra geschlagen 
vurde. haben sich nach Portugal geflüchtet, wo sie entwaffnet und 
nternit wurden. Die „Correspondenc'a““ glaubt zu wissen, daß 
die Carlisten 18,000 Mann in der Gegend von Balmaseda con 
ꝛentrirt haben; ebenso sollen sie auch 16 Stück Kanonen von 
Bilbao dahin geschafft' haben. — F 
Paris, 28. April. Bordeauxer Blaͤttet berichten, der 
Herzog Decazes (Minister des Aeußeren) habe bei einem Diner 
auf der Präfektur in Libourne wichtige Veruͤnderungen der Regie-⸗ 
rungspolitik beim Wiederzusammentritt der Nationalversammlung 
angekündigt. Aus det Ansprache habe man erfehen woilen, daß 
Vac Mahon nothwendig finde, den republikanischen Gesinnungen 
ves Landes mehr Rechnung zu tragen. Mac Mahon äußerte zu 
inem Mitaliede des linken Centrums, seiner Ansicht nac a nit