Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Slt. Ingberker Anzeiger 
der St. Inabert er An zeige r(und das mit dem Hauptblatte verbundene Uaterhaltungsblatt, mit der Dienstags⸗, Donnerstags- and Sonnta 
tummer erscheint woöchentlih viermal: Dinstag, Donners tag, Samstag und Sonntag. Adbanne nentspreis vierteljährig 42 Krzr. oder 
J 12 Silbergr. Anzeigen werden writ 4 Krzr. die dreispaltige Zeile Blattschrift oder deren Raum berechnet. 
Donnerstag, den 17. September 1874 
Deutsches Reich. 
München, 13. Sept. Da die Mittel zur Bestreitung 
er Besoldungen in dem dermaligen Finanzgesetz⸗ 
in der Weise nicht vorgesehen sind, wie sie die neue bereils in 
Wirlsamkeit getretene Schulordnung bezüglich der vermehrken Lehr— 
räfte erheischt, auch ferner eine vollständige Tilgung durch den 
Keichsreservefond unthunlich erscheint, so ist einer Entschließung 
»es Cultusministeriums zufolge an den vollständigen Studien- 
nstalten der Unkerricht an der zu errichtenden 1. Lateinclasse den 
eweiligen Gymnasialassistenten zu übertragen; an Anstalien, an 
jenen zur Zeit keine Assistenten sich befinden, müssen Behufs Auf—⸗ 
gellung solchet Anträge gestellt werden und werder dann mit solchen 
dehramtscandidaten, welche aus dem Concurse dieses Jahres her— 
vorgehen, besetzt werden. Ihre Gehaltsbezüge werden aus dem 
steichsreservefonds bestritten werden müssen. Andden isolirten 
dateinschulen dagegen hat der Unterricht an der 1. Classe von 
den Lehrern der vorausgehenden Classen übernommen zu werden. 
Fine Besetzung der neu geschaffenen Lehrstellen mit wirklichen 
Ztudienlehrern wird somit erst nach Genehmigung des nächsten 
Budgets statthaben. 
München, 14. Sept. Der Kriegsminister, Frhr. von 
Kranckh, welcher sich vorige Woche nach der Pfalz begab, um den 
Lruppen -Manövern beizuwohnen, ist gestern Morgen hierher zu⸗ 
rückgekehrt und hat sich heute wieder auf seine Besitzung bei Salz— 
yurg begeben. — Wie wir vernehmen, ist die Verweisung des Kull⸗ 
mann, der das Attentat auf den Reichskanzler verübt, vor das 
zächste untecfränkische Schwurgericht nunmehr erso'gt und wird die 
Aullage gegen Mitte des nächsten Monats zur Verhandlung 
jelangen. 
Berlin, 15. Sep'ember. Die großen, von dem nä sten 
deichstage zu berathenden juristischen Gefetze: 1. Entwurf eines 
Zerichtsverfassungsgesetzes, 2. Strafproceßordnung, 3. Entwurf 
iner Civitproceßordnung, alle drei mit umfangreichen Begründ 
ingen versehen, werden bereits seit dem 12. ds. Mis. vom Bu— 
eau des Reichstages unter die Mitglieder desselben vertheilt. 
Belgien. Vermischtes. 
Der heurige Congreß der „Internationale“ in Brüssel, der F, Aus St. Ingbert, 14. Septemder, wird der „Zwei⸗ 
ider schwach besucht war, wird durch folgende Stelle aus den De— brücker-g8 g.“ geschrieben: Ueber den Bau der Zweigbahn St. Jug⸗ 
zatten so vollständig gekernzeichnet, daß jede weitere Kritik über- bert-St Johaun verlautet aus guter Quelle, daß, rachdem sich 
lüssig erscheint. Der Deutsche Vrohm sagt: „Das Capital ist die Technmiker beider Bahnen über die Richtung und Anschlüsse der 
in sich nichts. Die Bibel hat gesagt: Wer nicht arbeitet, soll euen Bahnlinie geeinigt haben, bezüglich der Ausführung dersel— 
nuch nicht essen. Es darf hinfort nur Arbeiter geben. Man muß en zwischen der preußischen und der bayerischen Regierung dem⸗ 
e Vampyre umbringen, die das Proletariat aussaugen.“ — äächfi ein Staatsbertrag abgeschlossen werden wird, wonach diese 
zürger Coulon betonte, man müsse tabula rasa machen mit der zahn mittelst eines besonderen Geleises zwischen Brebach und 
egenwärtigen Gesellschaft, mit ihren Gesetzen und Institutionen, 5t. Johann in die Saargemünder Eisenbahn einmünden wird. 
nit Allem, und müsse die Commune stark machen. „Man muß die Direltion der pfälzischen Bahnen hat sich mit den Grund— 
as Capital nehmen, wo es ist, denn es gehört dem Volke.“ — deen, welche die Saarbruder Eisenbahn für den Betrieb dieser 
zürger Flahaut setzte auseinander, daß die Revolution von 1871 zinie aufgestellt hat, größtentheils einberstanden erklärt, und wird 
d. h. die Pariser Commune) nur darum zerschellt ist, weil das ie Saarbrücker Bahn den ganzen Fahrdienst der Linie nach 
holt noch zu menschlich denkt. Wenn die Commune gesiegt hätte, zweibrücken übernehmen, wogegen die Pfalzbahn das Siations 
würde auch die Presse für sie gewesen sein. Aber die Bürger- ersonal stelli. — Am 14. d. P. haben in Weißenburg die Ver— 
resse ist feig; sie verleumdet und greift das Proletariat an,wo andlungen zwischen bayerischen, preußischen und reichsländischen 
sein Haupt erhebt. Wehe ihr, wenn es einst Sieger ist! Die Seamten wegen Abschluß der Staatsberträge über die Bitscher 
Jresse hat sich als schädlich erwiesen — man muß sie in der neuen ind die St. Ingberter Bahn begonnen. Es ist alle Aussicht vor⸗ 
eialen Ordnung beseitigen. Das Capital ist nichts; die Arbeit ist sanden, daß dieselben zum Ziele führen werden. Am 24. August 
Ules! Das Elend hat den höchsten Grad erreicht! Man hat eine vurde der Staatsvertrag wegen der Saargemünder Bahn abge⸗ 
edliche Revolution nicht gewollt — man soll eine andere haben! chlossen. 
darauf siürmischer Applaus. — Im Berliner Diebsbierlel hat Man meldel der „Rheinpfalz“ aus Eusserihal: Am 18. d. 
nan genau dieselben Grundsätze in den allumfassenden Satz ge- Mis. verunglückte dahier der fünfzehnjährige Jakob Becker 
leidet: „Allens muß verunjenirt werden.“ „eim Viehweiden. Derselbe schlang das eine Ende des Strickes, 
Spanien. dessen anderes Ende um die Hörner einer Kuh geschlungen war, 
Ein Madrider Blatt, „Orden“, erzählt wieder eine carli- um seinen Naden und knüpfte es unter dem Arne sest. Durch 
tische Schandthat, die diesmal speziell der famosen Donna Blanca Preitschenknallen wurde die Kuh scheu und schleifte den schwächli 
ur Last fällt. Wir möchten fast glauben, die Erzäühlung wäre chen Knaben fort. Der Unglückliche wurde todt aufgefunden. Neben 
rdichtet, würde sie nicht durch die offiz dsen, Correspondencia“ be— ihm lag sein Sackmesser, mit welchem er wahrscheinlich den Strick 
iätigt. Das gedachte Blatt schreibt: „Als es kürzlich in Vinaroz zu durchschneiden verfucht hatte. 
Grovinz Castellon) bekannt wurde, daß das dortige Hauptkorps 
der Carlisten unter Don Alphonso und Don a Blanc; dahin zu⸗ 
rückkehren würde, und eine Bürgerin diese Nachricht ihrer Nach⸗ 
barin miltheilte, rief Letztere, eine Liberale, aus: Ich wollte, daß 
diese Donna Blanca zum Lohne für ihre Missethaten auf dem 
Wege hieher gekreuzigt werde. Kaum waren die Carlisten einge⸗ 
jogen, so denuncirte auch schon die ersterwähnte Frau ihre Freun⸗ 
in bei einem der Führer, und dieser eilte zu Donna Blanca, ihr 
)ie Verurtheilung der Verbrecherin anheimsteliend. Donna Blanca 
aiktirte solgende Strafe: „Die Frau wird gefedert durch clle 
dauptstraßen geführt; hinter ihr her wird ihr Gatte schreiten, 
velcher der Frau fünfzig Hiebe zu versetzen hat; er wird diese 
diebe mit aller Kraft fuͤhren, da er sonst füfilict wird. Nach Bi 
ndigung des Umzuges werden dem Maune jene fünfzig Hebe zu⸗ 
ückerstattet, die er seiner Frau gespendet.“ Donna Blauca verlangte 
nuch, daß eine Tochter dieses Ehepaares, ein junges, schönes Maͤd 
hen, gleichfalls gefedert werde; alle'n auf gew'ss⸗ Einflüsse hin 
zlieb dieser Theil des Urtheilez unausgeführl. Diesem Urtheile 
ufolge wurde die Frau entkleidet, mit Honig und Th'eer bestri⸗ 
hen, in welche Substanz eine Unzahl kleiner und großer Federn 
Jesteckt wurden, auf einen Esel gesetzt und durch die Straßen ge— 
ührt; ihr folgte ihr Gatte, mit einem Prügel versehen. Er 
vurde von einem karlistischen Detachement mil Bajonneitstichen 
zedroht, wenn er auf sein Weib, die Mutter seiner Kinder, nicht 
räftig genug losschlug. Es gehört zum richtigen Verständniß die⸗ 
es Eteignisses, daß bis zum Beginne unseres Jahrhunderts die 
Ztrafe des „Federns“ speziell jeren Weibern zuerkannt wurde, 
»ie bei werkthätiger Unterstüzung, der Prostitution irgend einen 
zroßen Skandal hervorgerufen hatten. Das Geschrei der Unglück⸗ 
ichen, die dumpfe Entrüstung in der Bevölkerung, der heulende 
Jubel der Carlisten — dies Alles produzirte einem schauerlichen 
Totaleffeltt. Mitten h'ndurch flüsterte man sich die Worte Donna 
Blanca's, dieser „Hhäne der Theokratie“, zu: „Auf diese Weise 
vird man uns achten lernen.“ Man zweifelt an dem Aufkommen 
des unglücklichen Ehepanres“