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M 158. Sonn⸗⸗a 18874
Deutsches Reich.
Ludwigshafen., 2. Oltober. (Pf. Kur.) Unsere Leser
wissen, daß vom pfälzischen Weinproduzenten⸗ Verein die Anregung
musgegangen ist, die Bestimmungen des Reichsstrafgesetzbuches über
den Betrug in der Art zu verschärfen und beziehungsweise zu er⸗
zänzen, daß dadurch der Weinfälschung das Handwerk gelegt wer
den könnte. In dieser Angelegenheit ist nun neuerlich eine Ent-
ichließung des Ministeriums ergangen, welche die „Neust. Ztg.“
deröffentüicht und die wir ihrer Wichtigkeit halber unseren Lefern
bollständig mittheilen zu sollen glauden. Sie haut.t⸗
„Das unterfertigte . Staatsministerium ist auf Veranlassung
einiger pfälzischer Mitglieder der Kammer der Abgeordneten über
die Frage der Weinfabrikation und deren Stellung zu deu straf⸗
geseßlichen B.stimmungen neuerlich mit dem k. Staatsministerium
der Justiz in's Benehmen getreten. Letzteres erllärte fich hierbei
heteit, die Frage bei den Verhandlungen über die Revision des
Strafgefetzbuches füt das Deuische Reich im Auge zu behalten und
den noch zu gewärtigenden Vorschlägen der zunächst Betheiligten
soweit sie sich als begründet und ausführbar erweisen, volle Unter
ftützung angedeihen zu laffgn.
Xin Versuch, den Bestimmungen des baherischen Strafgesetz⸗
buches von 1861 Art. 316 Ziff. 8 und Art. 325*) Eingang in
das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich zu verschaffen, wird
nach der Änsicht des k. Staatsministeriums der Just iz im Hinblick
nuf das System jenes Gesetzbuches, insbesondere aber wegen der
engen Bewegung der durch Bundesraihsbeschluß festgestellten
Revisionsaufgabe auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen.
Es wird sich nun fragen, ob Paragraph 263**) deds
deutschen Strafgesetzbuches nicht in der Weise erweitert werden
jann, daß die Täuschung des Kaufers über die Beschaffenhei⸗
gelieferten Weines strafrechtlich verfolgbar wird.
Die Schwierigkeit der Aufstellung eines bezüglichen Reates
tiegt in dem Umstande, daß der Betrug als wesentliches Merkmal
*) Der dwen angeführte Art. 316 Ziff. 8 lautet: Mi
Hefangniß nicht unter 2 Monaten, womit Geldstrafe bis zu 1000
fl. verbunden werden kann, ist der Betrug zu bestrafen, wenn er
berübt ist .... 8) wenn Jemand Nahrungsmittel oder Getränke
zerkauft oder sonst gegen Entgelt veräußert, von denen er woh!
veiß. daß sie durch Beigabe fren.der Stoffe gefälscht und in
Folge dissen der Gesundheit nachtheilig sind.
Der oben angeführte Art. 325 lautet: „Wer Nahrungs⸗
nittel oder Getränke, die er zu verkaufen oder sonst gegen
Entgeld zu deräußern beabsichtigt, durch Beigabe fremder Stoff⸗
jäischt, deegleichen wer in solcher Weise gefälschte Nahrungsmittel
oder Getränke, wissend daß sie gefälscht sind, feilbietet, wird
venn die gefülschten Gegenstände der Gesundhe!t nachtheilig sind,
mit Gefängn'ß bis zu 2 Jahren, wom't Geldstrafe bis zu 500 fl.
herbunden werden kann, — andernfalls mit Arrest oder an Geld
bis zu 150 fl. bestraft.
Gewerbe⸗ oder Handeltreibende in deren Magazinen, Kellern
oder sonstigen Räumlichkeiten man Nahrungsmittel oder Getränke
hon der Art, wie diese Persogen sie gewerbmäßig verkaufen, in
der angegebenen Weise gefälscht vorfinden, unterliegen. wenn sie von
Zei Vehieehen dieser Faͤlschung Kenntniß hatten nach Verschiedenheit
der im vorigen Absatz bezeichneten Fälle, den daselbst bestimmten
Strafen.“
*s) g 263 des Reichsstrafgesetzbuches laulet: Wer in der
Asicht, sich oder einem Driitten einen rechtswidrigen Vermögens—
vortheil zu verschaffen, das Vermögen eines Anderen dadurch beschä—
zigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung
dder Unlerdrückung wahrer Thatsachen einen Irrthum erregt oder
unterhält, wird wegen Betruges mit Gefängniß bestraft, neben
welchem auf Geldstrafe bis zu 1000 Thalern sowie auf Verlust
der bürgerlichen Ehrenrechte erlannt werden kann. — Sind
mildernde Umstände vorhanden, so kann ausschließlich auf die
heldstrafe erlannt werden. — Der Versuch ist strafbar““
neben anderem auch die Vermögensbeschädigung des Betrogenen
voraussetzi, daß sonach der Käufer, welcher gegen seine Absicht
ttatt des Naturweines fabrizirten Wein empfängt, eben dadurch
eine Vermögenseinbuße erfahren haben muß, welche sich gleichzeitig
als eine widerrechtliche Bereicherung des Verkäufers (Betrügers)
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„In dieser Richtung sind die den Preiswerth jeder Waare
bestimmenden Momente, Nachfrage und Angebot, so sehr maßge⸗
bend, daß von einem strafrechtlich verfolgbaren Betruge nur dann
die Rede sein kanu, wenn der Minderwerth des fabrizirten
Weines egenüber dem sogen. Naturweine festgestellt wäre. Nun
liefern aber minder begünstigte Lagen in schlechten Jahrgängen
sehr sauere Weine, welche im Handel nicht begehrt werden, so daß
es dahinsteht, ob der fabricirte Wein im Handel den Weinen
zeringerer Sorte nicht mindestens gleichwerth erachtet wird. In
jolchem Falle, kann von einer Uebervortheilung oder Vermögens-
beschäͤdigung des Käufers, sonach von einem Betruge im sirafrecht⸗
lichen Sinne nicht die Rede sein.J)
„Anders verhält es sich allerdings in den — wohl nur
selten vorkommenden — Zällen, in welchen geringwerthiger
fabrizirter Wein unler dem Namen und der Bezeichnung cines
hochfeinen Naturweines aus bevorzugtet Lage verkauft wird.
‚Hat hier in der Absicht. rechtswidriger Bereicherung auf
Seite des Verkäufers eine Täuschung des Käufers stattgefunden,
so l'egt in dem Vorgange auch das weitere Merkmal der Vermögens—
heschädigung des Getäuschten, so daß auch jetzt schon die Annahme
eines Beiruges gemäß Paragraph 263 des deutschen Strafgeseß
buches nicht ausgeschlossen erscheint. Die Schwierigkeit der Verwer⸗
thung dieser Strafbestimmung gegen den betrüglichen Handel mit
fabrizirten Weinen macht sich jedoch nach zwei Richtungen empfindlich
fühlbar.
iuh „Die grözten Mengen Weines gehen im Handel durch viele
dände; es wird daher sehr schwer, thatsächlich festzustellen, wann
uͤnd in wessen Händen im einzelnen Falle ein Betrug geübt
worden ist. Zum Anderen kennt die Chemie bis jetzt keine ein-
fache, leicht zugängliche Methode der Weinprüfung; es fehlt na⸗
mentlich an leicht erkenndaren und untrüglichen Unterscheidungs⸗
merkmalen des gut fabrizir:en Weines.
„In Folge davon werden, wie die Erfahtungen in der
Pfalz im Anfange der Fünfziger Jahre bestätigen, die Untersu⸗
chungen wegen Betrugs durch Verkauf von fabrizirtem Weine sehr
schwierig, complic'rt, kostspielig und enden nicht selten ohne
Ergeb niß.
„In Erwägung dieser Verhältnisse, und da auch ein Verbot
der Weinfabrikation nicht zu erreichen ist, gelangt das k. Staats⸗
ministerium der Justiz zu der Ansicht, daß die Vorkehr gegen
Täuschungen beim Handel mit fabrizirten Weinen in das Geb'et des
Polizeistrafrechts zu verweisen sei, indem etwa nach dem Vorgange
des Paragraph 367 Ziffer 7 des deutschen Strafgesetzbuches**)
derjenige mit Strafe bedroht werden würde, welcher fabrizirten
Wein unter dem Namen Naturwein feil hält oder verkauft. Es
Glẽ werlh in dem Sinn wohl, daß die dazu ver⸗
vendeten Stoffe so theuer kommen, wie der RNaturwein, wobei
indeß die Frage bliebe, woher die Weinfabrikanten sich Capitalien
sammeln. Wenn ich aber eine Waare kaufe, so bestimmt sich ihr
Werth für mich nicht blos nach dem Preis, sondern auch darnach,
ob sie das ist, als was ich sie kaufe, ob sie also den Zwech er—
füllt, zu dem sie mir dienen soll. Und das wird man vom
jabricirten Wein nicht sagen können — ganz abgesehen davon, daß
er auch oft noch gesundheitsschädlich ist. Was die Ministerial⸗
entschließung im weiteren Verlauf von der Schwierigkeit, d'e
Fäischung nachzuweisen, sagt, damit mag es allerdings seine Rich—
aigkeit haben. D. Red. d. „Pf. Kur.“
**., Mit Geldstrafe bis zu 850 Thlr. oder Haft wird bestraft,
wer ..7) verfälschte oder verdorbene Getränte oder Eßwaaren,
insbesondere trichinenhaltiges Fleisch feilhält oder verkauft.“