Full text: St. Ingberter Anzeiger

Amerika. 
»Newvyork, 20. Okt. Die Einladung der nordamerikani- 
schen Regierung zur Theilnahme an der Ausstellung zu Philadelp'a 
im Jahre 1876 ist bis jetzt von 21 Nat'onen angenommen wor⸗ 
den. Es befinden sich daruater folgende europäische Mächte: 
Norwegen, Schweden, Deuischland, Frankreich, Belgien und die 
Niederlande. Eine schleunige Zusage Großbrittanniens wäre sehr 
erwünscht, da deren Erzeugnissen besondere Aufmerksamkeit gewidmet 
verden soll. 
2* 
Vermischtes. 
fKaiserslautern, 11. Nov. Heute Vormittag 
wurde bei e'nem hiesigen Metzger ein Korb doll Würsste confiscirt, 
weil darin ein großer Zusatz von Stärkemehl enthalten war. — 
In der gestrigen Sitzung des k. *Zuchtpolizeigerichtss wurde der 
Schuhmachergeselle Adam Sschunz 24 Jahre alt, von Grünstadt, 
wegen 8 verschidener Diebstahlsverbrechen und eines Diebstadls— 
zersuchs und wegen Entwendung, verübt im Jahre 1873 und 1874 
nittels Einsteigens und Einbruchs im wiederholten Rückfalle, unter 
Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von 10 
Jahren, zu einer Zuchthausstrafe von 10 Jahren und einer Haft⸗ 
strafe von 14 Tagen verurtheilt. Es waren dies seiner Zeit die 
diel besprochenen Einbrüche und Viebstähle, welde bei Banquier 
Möser, Kaufmanun Franz Schm'tt und Restaurateur Carra verübt 
vorden sin. Kaisersl. Ztz.) 
F Dem Landw'irth CEhr. Ackermann iu Kirchheim— 
botanden verunglückte am Samstag dem „N. W.“ zufolge, 
ein Pferd auf folgende Weise. Dasselbe schlug gegen ein neben 
tehendes, durch einen Pfahl von ihm getrenntes Pferd, mit den 
Hinterfüßen aus sprang dabei über den Pfahl und spießte sich 
denselben in den Leib. — Wie dasselbe Blatt bört, ist gegen 
zinen dortigen Metzger wegen Schlachtens und Verkaufs einer kranken 
uh Untersuchung eingeleitet. 
F Speyer, 11. Nov. Bei der gestrigen Gemeinderaths⸗ 
wahl in Schifferst dt ist es äußerst lebhaft zugegangen. Von 850 
wahlfähigen Bürgern sind 798 giltige Stimmzettel abgegeben woiden. 
Die Partei Tillmann ließ einen schwer kranken Mann per Chaise 
in das Wahllocal führen, um ihm die Ausübung seines Wahl 
rechtes zu ermöglichen. Darüber war die andere Partei sehr er— 
jzürnt, und einige Heißsporne wollten den Wagen umwerfen, wurden 
aber von der einschreitenden Gendarmerie daran verhindert. Das 
Resultat der Wahl wird wohl erst in einigen Tagen bekannt 
verden. (Sp. A.) 
Kirkel-Neuhäusel, 8. Nov. Bei der gestern 
dahier abgehaltenen Gemeinderathswahl betheilizten sich 128 von 
219 Wahlberechtigten. Die Stimmen fielen auf 112 Candidaten. 
Von den früheren 13 Gemeinderäthen wurden nur 4 wiedergewählt 
und zum Adjunkten Friedrich Seel von Kirkel ernannt. 
f Nach der „Pf. V.“ kommt in den nächsten Tagen vor 
dem pfälz. Appelgerichte ein schon 300 Jahre schwebender Wald 
prozeß zwischen den Gemeinden Winterborn und Kalkofen gegen die 
hess. Gemeinden Wöllstein, Gumbsheim und Pleitersheim zum end 
ziltigen Entscheide. Es handelt sich um Waldservituten, welcht 
die bayerischen Gemeinden lin einem Walddistr'ct in Anspruch neh⸗ 
men, der auf dem Bann von Winterborn gelegen ist, den hess. 
Gemeinden eigenthümlich zusteht und unter dem Namen Eichelscheid 
und Wöllsteiner Wald bekannt ist. Der Prozeß, unter der Herr⸗ 
schaft eines deutschen Kasers begonnen, wird seine Beendigung 
sinden zu einer Zeit, wo weeder ein deutscher Kaiser an der Spitze 
des Reiches steht. 
f Die vom k. stat'stischen Bureau herausgegebene Zusamriren- 
telluug der allgemeinen Viehzählung vom 10. Januar 1873 im 
Königreich Bayern ergab aus 627,658 Viehhaltungen: 3583,949 
Pferde, 60 Maulthiere und Maulesel, 180 Esel, 3,006,263 Stück 
Rindvieh, 1,842, 190 Schafe, 872,098 Schweine, 193,881 Ziegen, 
338,787 Bienenstöcke, 62 Pfund Cocons. 
fMünchen, 6. Nov.) Wie oft scheinbare Ju.diezien 
hjöchst verhängnißvoll wirken können, zeigt sich wieder bei den 
nach der Ermordung der Kämmer'schen Eheleute von der k. Poli⸗ 
jzei mit der größten Gewissenhaftigken zur Entdeckung des Thäters 
zeführten Forschungen. Der Stationsdiener Blümle, zur Zeit an 
der Osibahnstation Hagelstadt stationirt, war hterher gekommen, 
um verschiedene Privatangelegenheiten zu bereinigen udd kehrte 
Dienstag Nachmittag um 4 Uhr nach Hagelstadt zurück. Die 
Unthat ist bekanntlich am genannten Tage zwischen 5 und 6 Uhr 
pollführt worden. Bei seiner Anwesenheit kam er auch, um Be⸗ 
lannte zu besuchen, in das Haus des Buchbinders Oettl Nr. 18 
am Marienplatze und hinterließ dafelbst seine auf Papier geschrie⸗ 
bene Adresse. Dieselbe wurde jedoch zu allem Mißgeschicke vor 
der Thüre des Ermordeten verloren und bei der Augenschein⸗ 
aiahme dem Untersuchungsrichter vorgelegt. Auf dieses hin wurde 
nun telegraphisch dessen Verhaftung angeordnet, welche Morgens 
31/3 Uhr in Hagelstadt erfolgte. Es wurde ihm hierbei nicht 
einmal die Zeit gelassen, sich ordentlich anzulleiden. Zudem hatte 
ꝛer vermeintliche Mörder eine Wunde an der Nase aufzuweisen, 
— wie sich herausstellte, von einem aufgegangenen Geschwürchen 
jerrührend — ferner hatte er sich hier seinen Vollbart in einen 
Stutzbart umwandeln lassen, und zu allem Unglücke war ihin noch 
yor seiner Verhaftung die Nachricht zugeganzen: „Schulden be— 
ahlt.“ Hierher verbracht, stellte sich Blümle's Unschuld schnell 
jeraus. Wie aber, wenn Aumer nicht verhaftet und geständig 
vorden wäre? (N. Pr.) J 
München, 10. Novbr. Am vergangen Sonnabed 
nahm die Koeps-Intendantur eine unvermuthete Kassenrevision bem 
2 Inf.Reg. vor, wobei sich ergab, daß die Summe von 12,000fl. 
ehlte Ein Zahlmeister ist verschwunden. 
FAus Baiern, 7. November. Zu Schönbronn einem 
Beiler bei Sch'ellingsfürst in Mittelfranken, ist in einem Stalle 
inter dem Hornvieh die Lungenseuche ausgebroch n? die poligei- 
ichen Maßnahmen sind angeordnet. Die Seuche soll durch einen 
Ichsen eingeschleppt worden sein, welcher vor ungefähr acht Wochen 
nuf dem Ansbacher Viehmarkt gekauft wurde. 
— Von Neujahr ab werden bei allen Reichsskassen die neuen 
deichsmünzen in Düten derart verpackt, daß dieselben in 20— 
Markstücken 2000 Mark, in 10-Markstücken 1000 Mark, n 
zoldenen 62Markstücken 500 Mark, in silbernen 5-Markstücken 200 
Mark, in 2⸗Markstücken und 1-Markstücken 100 Mark, in 50⸗und 
20 Pfennigstücken 50 Mark, in 10 und 5 Pfexnigstücken 10 Mark, 
in 2und 1.Pfenigstücken 2 Mark enthalten. Zur Berpeckung 
der Goldmünzen mird rosafarbenes, zu Silbermünzen weißes, zu 
stickelmünzen blaues und zu Kupfemünzen graues Pap'erverw ndet. 
Saarbrücken-St. Johann, 7. Nov. Der am 
2. November zusammengetretene Affisenhof hatte gestern über ein 
zrauenvolles Verbrechen abzuurtheilen. Eis 43jähriger,, als 
Trunkenbold und Vagabund belannter Tazlöhner Gieorg Hirtz von 
Niederlimberg hatte am 8. April d. Is sein n 83 Jabre alten) Vater 
unter empörenden Umständen ermordet. Der frech leugnende Ver⸗ 
zrecher, welcher selbst Vater zweier Kinder ist, wurde überführt un 
zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe verurtheilt. — 
— Um 7. Dezember werden hierselbst vor Notär Röchling die 
den Erben des kürzlich verstorbenen Kommerzienraths Wagner 
jugehörigen 4 Glashütten (die Mariannenthaler Tafel-Glashütte 
ind die Mousselin Glashütte bei St. Ingbert, sowie die alte und 
neue Louisenlhaler Glashütte bei Püttlingen, resp. Malstatt-Burbach 
zelegen), deren Produkte in Deutschland wie in Frankreich sehr 
gesucht sind, öffentlich versteigert. 
FMaiuinz, 8. Nov. Gestern Morgens sprang Arbeiter 
Schmitt, welcher im Mainzer Bahnhof beschäftigt ist, in der Nähe 
son Alsheim vom Zug und fiel so unglücklich, daß er mit den 
Beinen unter die Räder kam und ihm das eine Bein abgefahren 
vurde Außerdem fiel am Abend ein Wagenwärter der Rhein. 
Pahn, welcher auf dem Dache von Personenwagen die Vichter 
inzünden wollte, herunter und wurde von einem heranbrausenden 
Bersonenzuge in zwei Theilt gefahren. — 
Berlin, 4. November. Wie weit die Roheit einzelner 
agenannter „Arbeiter“ geht, davon liefert, schreibt die ,Tribüne“ 
'olgender Vorfall, der in Potsdam spielt, ein sprechendes Zeugniß. 
Drei Zimmergesellen, die bei einem dortigen Meister Beschäftigung 
jatten, legten eines Tages die Arbeit „wegen nicht genügenden 
dohnes“ nieder und verübten auf dem Zimmerplatz den größten 
Unfug. Unter Anderem fiel das Kleeblatt über einen mit Bret⸗ 
ertragen vom Kahn beschäftigten Arbeiter, dem man nicht wohl 
wollte, her, der Eine packte ihn am Kopf, der Andere am Unter⸗ 
leib und der Dritte an den Beinen, und so wurde der Unglüg⸗ 
liche der Länge nach ins Wasser gewocfen! Dann stießen die Er⸗ 
redenten mit einem Bootshacken nach ihm, warfen ihn mit einem 
dnüttel und suchten unter dem Kriegsschrei „der Keil muß ver⸗ 
jaufen“ ihn zu hindern, sih an das Land zu retten. Rur mit 
Mühe gelang es dem Ueberfallenen, wieder festen Boden zu 
jewinnen. Die rohen Patrone haben für die Musterleistung eine 
Prämie von 9 Mönaten Gefaängniß erhalten. 
Paris, 8. Nop. Der Ex-Koniz von Hannover, der 
jelanntlich blind ist, aber diesen Zustand Niemand merken lassen 
vill, wohnte heute mit dem Marschall Mac Mahon den Wett⸗ 
rennen bei Auteuil bei. 
FPetersburg, 2. Nov. Bei einem gestern in Kron⸗ 
tadt ausgebrochenen Feuer sind 104 Wo mhäuser nebst den dazu 
zehörigen Nebengebäuden (nach anderer Mittheilung 197 Gebäude) 
otal niedergebrannt, darunter die hölzerne Kirche der Mutter 
Battes von Wladimir, das Kaufhaus mt 50 Magazinen, das 
dotel de Paris. Tausende von Menschen sind obdachlos; das 
ẽlend ist groß. Die Gluth war eine so fürchterliche, daß die 
Blocken der abgebrannten Wladimirkirche geschmolzen sind. Wie 
nan fagt ist das Feuer durch eine umgestürzte Erdöllampe ent⸗ 
tanden.