Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Xαιαα, aα , Januar 
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1875 
Deutsches Reich. 
Muünchen, 5. Jan. Der kgl. Staatsrath Dr. v. Fischer 
hal die Leitung des kgl. Justizminifteriums übernommen. da sich 
zer Chef genannten Ministeriums, Hr. Dr. Fäustle. auf mehrere 
Tage in dienstlichen Aagelegenheiten in die Rheiupfalz bege⸗ 
den hat. 
in afsel, 7. Jan. Eine Depuiation hessischer Edelleute und 
Beistlicher wird sich zum Zwecde der Uekberführung der Leiche des 
Zurfürsten hieher nach Prag begeben. 
Berülin, 8. Jan. In dem Bundeskanzler-Amt wird be⸗ 
absichtigt, die Thätigkeit der neuen Reichsbauk schon im April 
Rieses Fahres begiunen zu lassen, und ist man mit den nöͤthigen 
Vorarbeiten bereits beschäftigt. 
Blerlhinn, 7. Jan. Der „Reichsanzeiger“ verdffentlicht eine 
Verordnung, durch welche der preußische Landtag auf den 16. 
Januar einberufen wird. 
Berhin, 7. Januar. Der Reichstag genehmigte heute in 
aritter Lesung die Vorlage über das Heeresetablissement mit der 
neuen von Stephani beantragien Ueberschrift: „Gesetz, betr. die 
peitere Anordnung über die Verwendung der durch das Geset vom 
2. Juli 1878 zum Retablissement des Heeres bestimmten 
106,846 810 Thlr. 
Die „Nordd. Allg. Z.“ schreibt: „Durch die, Zeitungen lief 
in den letzten Wochen die Notiz, daß das Berliner Polizei⸗Präsidium 
erklärt habe, es lönne den Fürsten Bismarck vor neuen Mordan⸗ 
schlägen nicht schützen. — Eine solche Erllärung ist nun zwar 
iach zuverlässiger Erlundigung nicht abgegeben. Gleichwohl würde 
zieselbe nur eine Thatsache konstatirt haben. Denn auch die best 
ausgestattete und best organisirle Polizei ist außer Stande, einen 
Finzelnen in einer vollreichen Hauptstadt vor meuchlerischen Angriffen 
iicher zu stellen. Zu einer Warnung des Fürsten lag und liegt 
ßrund genug vor. Für heute mag es mit dieser Bemerkung sein 
Bewenden haben.“ 
In der „Frf. Zig.“, deren Gewohnheit es doch sonsi 
aicht ist, don Dingen, welche uns das Reich gebracht, gutes zu 
reden, finden wir folgende tröstliche Mittheilung: „Die Befürch⸗ 
ungen, daß der Uebergang der Markwährung eine Erhöhung der 
Preise zur Folge haben würde, haben sich glüdlicherweise nich 
derwirklicht. Diejenigen Ethöhungen, welche mit Neujahr thatsäch⸗ 
ich Platz gegriffen haben (3. B. das Abonnement und Eintrittsgeld 
inserer großen und öffentlichen Gärten) sind nur zufällig mit der 
Aenderung der Münzwährung zusammengefallen und würden auch 
yhne dieselbe erfolgt sein. Dagegen finden wir sonst nirgends er⸗ 
wähnenswerlhe Preissteigerungen. Die Preise der Spreisen und 
Zetränke in den öffenttichen Lokalen sind überall ziemlich 
zenau in Mark und Pfennige umgerechnet worden, ebenso die 
Paarenpreise in den Colonialwaaren- und anderen Gessräften. 
Das Ochsenfleisch ist per Pfund um 2 Kreuzer, das Brod per 8 
Pfund um 1 Kreuzer abgeschlagen. Beide Reduktionen entsprechen 
dem Wegfall der Schlachte uund Mahlsteuer. Es hat sich also auch 
die Behauptung, daß die Beseitigung des Octroi keinen Einfluß 
nuf die P eise haben würde. niht bewaährheitet. Wir find übers 
eugt. daß die in Folge der freien Ein⸗ und Ausfuhr vermehrte 
Konturrenz bald noch weitere Ermäß'gungen der Brod⸗ und Fleisch⸗ 
preise zur Folge haben wird.“ — Diese Mittheilung wird auf 
insere ängstlichen Gemüther in Bayern jdenfalls beruhigend wirken. 
Man hatte sich in der That eingebildel, nach Einführung der 
MNarkrechnung werde gar nicht mit einzelnen Pfennigen gerechnet. 
ondern alles von 5 zu 5 abgecundet werden. Das wird aber 
jewiß so wenig der Fall sein, als man bisher nur von 8 zu 3 
r. rechnete. Das Pfund Fleisch, das bisher 17 kr. gekostet, wird 
ben dann 48, höchstens 49 Pfenn. kosten uind nicht 50 Pf. — 
172/ tr. Die freie Konkurrenz wird schon für das Richlige 
orgen. 
Jedankt und die Hoffnung einer günstigeren Gestaltung der Zukunft 
Spauiens ausgedrückt. Der Köonig reist heute Abend nach Marseille 
ab, wosetbst er sich sofort einschifft. 
Oesterreich. 
Wien, 7. Jan. Priratmeldung aus Prag zufolze ist der 
durdürst Friedrich Wilhelm von Hessen (geb. 20. August 1802, 
vurde Mitregent seines Vaters Wilm V. am 20. September 1831. 
olgte als Kurfürst deim Tode des Vaters, 20. November 1847; 
im 6(20. September 1866 wurde das eroberte Kurfürsten-⸗ 
hum für immer mit dem Koönigreich Preußen vereinigt erklärti) 
zestern Nachmittag 8 Uhe zu Prag gestorben. Nach dem vorge⸗ 
undenen Testament soll die Beerdigung in aller Stille in Kassel 
Statt finden. 
Wien, 7. Jan. Ein Telegramm meldet über den Tod 
des Kurfürften von Hessen: Der Ktucfürst jaß in bester Stimmung 
zestern Nachmittag 3 Uhr mit seinen Söhnen bei der Mittagstafel, 
als er plötzlich rief: Mir ist unwohl und nach fünf Minuten 
verschied. 
England. 
Londo'n, 6. Jan. Die „Times? bespricht die Ausdehnung 
der deutschen Flotie und sagt, England begrüße neidlos das Eni— 
stehen einer neuen Seemacht in jenem großen MNordreiche, welches 
in eini gen Dingen sein Nebenbuhler scheine, in anderen aber sein 
atürlicher Bandesgenosse sei. 
Vemi 5 teo. 
EX. St. Ingbert, 8. Jan. Am Neujahrstage verstarb 
zu Neuhäusel der pensionirte Schullehret Jakob Stemmler 
pon Kirkel in einem Alter von 89 Jahren. In seinem umfang⸗ 
reichen, höchst interessanten Tagebuche schildert der Verstorbene die 
oerschiedenen Perioden seines wechselvollen und langen Lebens, das 
ihn in Krieg und Frieden auf unserm halben Erdtheile herumführte. 
— Ein Wollspinner und dann ein Maurer waren in seiner Jugend 
sjeine Lehrer, und schon von seinem 15 Lebensjahre an war er 
selbst in verschiedenen Winterschulen als Lehrender thätig, bis er 
im Jahre 1808 definitv nach bestandenem Examen als Lehrer zu 
Altsladt angestellt wurde. 1809 zum Mililärdienste ausgehoben und 
ju Colmar und Pfalzburg einexercirt, machte er sodann den 
ranzoͤsisch- bsterreichischen Krieg von 1800 mit. Nachdem er in 
der Schlacht bei Wagram (5. u. 6. Juli 1809) mitgekämpft und 
der Frieden von Wien mit Oefierreich geschlossen war, ging es 
zurück durch Deutschland, durch Frankreich, über die Pyrenäen 
nach Spanien und Portugal hinein. Hier kämpfte er einen der 
schredlichsten Kriege mit, den die Geschichte nennt, bis er in der 
heißen Schlaht an der Almeida Guli 1812) von englischen 
Dragonern überritien und mit Tausenden seiner Waffengefähr⸗ 
len gefangen genommen wurde. Ein Säbelh'eb hatte in der 
Schlacht, ohne ihmSchaden zu thun, seinen Tschalo gespalten. Auf 
dem Transport nach der portugisischen Küste von der Eskorke bis 
ruf's nackte Leben ausgeplündert, mußte er während der Fahri 
nach England auch noch Schiffbruch leiden. Aber auch h'er geretlet, 
lam er glücklich auf großbritanischem Boden an, auf dem er zwe 
Jahre als Gefangener bei Perth in Schotlland weille. Nach dem 
ersten pariser Frieden (0 Mai 1819) wurde er mit seinen Lei— 
densgenossen aus der harten Gefangenschaft entlassen. Zurückgelehrt 
in die Heimath widmeie er sich wieder seinem frühern, ihm hlieb 
gewordenen friedlichen Berufe in der Schulstube. Von 1828 bis 
1856, in welchem Jahre er peysionirt wurde, wirkte er als Lehrer 
uu Kirkel, wo er auch nach sener Pensionirung bei seinen Kindern 
lill und zurückzezogen lebte, geachtet von seinen Mitbürgern, und 
zeliebt und geehrt von seinen zahlreichen S hülern. 
7 Speier. Reg'exungspräsid ni v. Braun hat einer im 
Auftrag des provisorischen Comite des pfälzischen Gewerbemuseums⸗ 
dereins an ihn entsendeten Deputation (Fabrikant Weber und 
Ddirektar Schön von Kaiserslautern, J. B. Wolff von Zweibrücken 
ind Ph. Kaicher von Frankenthal) erklärt, daß er das Protekto—⸗ 
rat des Vereins annehme und Alles, was in seinen Kräften stehe, 
Frankroeich 
Paris, 6. Jan. König Alphons jat in einem Telegramm 
den Ministerpräsidenten der spanischen Armee und dem Volke