Berlin, 19. Mätz. Der Culturkampf dringt immer
riefer ins Volk, wosür als Beweis gelten mag, daß dieser Tage:
in Dienstmärchen bei der Polizei nicht als satholisch, sondern als
‚ultramontan“ aggemeldet wurde.
Berlin, 24. März. Ein im „Reichsanz.“ veröffentlichter
Erlaß des Kaisers an den Reichskanzler spricht den Dank des Kai⸗
sers für die zahlreichen Glüdwünsche freudig ansprechenden Inhalts
aus, d'e er aus allen Theilen Deutschlands, von jenseits der Grenze
aud aus außereuropäischen Ländern erhalten habe, die er als Be⸗
weise ihm persönlich geltender Theilnahme nicht ohne tiese Rüh—
rung zu überblicken vermöge und die ihn zugleich erfrischen durch
——
— Die letzt erschienene Nummer des „Flitzbogen“ erthält fol⸗
genden, in der That charakteristischen Berliner Witz: Bäckerjunge
hat in der Frühstunde an die Thür des noch geschlossenen Budiler⸗
sellers gellopft, um den Vorrath an Backwaaren abzuliefetn. Bu—
dilerfrau offnet und sagt, indem sie das Miniaturgebäck kopfschüt⸗
lelnd betrachtet: „Morgen werd' ick die Diehre lieber erst jar nich
ufmochen; dann stechen Sie die Schrippen man jleich durch'
Schlüsselloch!
FGalsche Einmarlstücke) In den letzten Tagen sind in
Berlin die ersten falschen Einmartflücke mit dem Münzzeichen D
aufgetaucht. Dieselben bestehen aus Zinn und sind in nach echten
Siuͤcken hergestellten Formen gegossen, aber so vorzüglich nach
zeahmt, daß sie leicht für echte gelten lönnen, namentlich so lange
fie noch den natürlichen Glanz besitzen. Als besondere Kennzeichen
dürften das fettige Anfühlen, der fehlende Klang, die leichte Bieg⸗
harkeit des Meialles und das stumpfe Gepräge dienen.
Gelohnte Ehrlichkeit.) Ein Berliner Fabrikant verlor vor
einigen Tagen auf der Straße seine Brieftasche mit einem Inhalte
hon mebt als zweitausend Mark ohne seinen Berlust zu hemerken.
An der Hausthüre seiner Wohnung tritt ein in seiner Kleidung
stark reducirter junger Mann auf ihn zu und fragt schüchtern:
Enlschuldigen Sie, mein Herr, haben Sie nicht etwas verloren ?
Schneli genug entdeckte nunmehr der Fabrikant seinen Verlust.
Schweigend überreichte der Finder dem Fabrikanten die Brieftasche:
Erstaunt betrachtete der Herr einige Augenblicke den redlichen
Finder in den zerlumpten Kleidern, dann sragte er ihn: „Wissen
Sie denn, was die Briestasche enthält?“ — Verzeihen Sie, ja ich
habe nachgeseben; so ungefähr siebenhundert Thaler“, war die Ant⸗
Hort. — „und warum haben Sie das Geld nicht beholten 2“ —
„Ich dachte mir, wenn ich einige Thaler auf ehrliche Weise von
Ihnen vbekomme, so sei es doch besser, als stehlen. Vielleicht haben
Sie auch Arbeit jür mich; das wäre mir noch das Liebste.“ Der
Fabrikant hatte genug gehört. Er nohm den rediichen! Finder
sofort in sein Haus und gab ihm nicht blos Arbeit, sondern auch
wanzig Thaler Handgeld und zwei neue Anzüge, und wenn der
junge Mann so brav bleibt, wie er sich gezeigt hat, ist lebensläng⸗
üch für ihn gesorgt.
Gdilisarisches.) Kürzlich ist der Krupp'schen Fabrik ein
Beschütz von 88cm. Kaliber in Bestellang gegeben, Das bis getzt
schwersie Geschüͤtz der deutschen Küsienartillerie ist die cast in einem
Eremplare vorhandene 30 Jszem. Riug Kanone, welche nech auf
den Krupp'schen Schießplatz bei Essen lagert und erst nach Fertig—
tellung des neueu Arnillerie-Schießplatzes in der Nähe von Zossen
dorthin übergeführt wird, um ihre Panzerwirkung noch imehr zu
erproben. Nach den bei den Vorversuchen auf dem Krupp'schen
Schießplatz mit diesem Geschütz erhaltenen Resultaten übertrifft es
noch weit den bisher in der Wirkung gegen Schiffspanzer, als
zesses Geschütz belannten englischen 12*ec. Wäährend die 80?2
m. Kauore ein Gewicht von 36,600 Kilo eipräsentirt und mit
mer 60 Kilo starken Ladung pri s8matischen Pulvers eire 296
— ioll nach
en aufestellten Berechnungen die 88cm. Kanone circa 54,7 00 gito ar Der Verein deutscher Blecharbeiter und die von den
wiegen und mit der stärksten Ladung von 99 Gred prismatistten elben veranstaltete Fachausstellung in der Residenzsto
Pulvers ein o — Projeltiel ad F 3010 Cassel, welche Sonnabend den 11. Septbr. 1875 eröfin
ceim. hat auf 10 eter Entfe rnurg deim Auftreffen des Ge— — 358
chosses auf die Platte unter ein em Winkel von 90. Grad noch ind Sonntag den 26. Sevtbr. geschlossen wird⸗
loge Pan erungen mit starker HolzeHinterlage glatte zu durch— Die gegenwärtige Geschäflsstockung, der Börsenschwindel un
schlagen. Dieselbe Wirkung erwärtet man vomn 35cm. auf eine in neuester Zeit das deutsche Musterjchutzoesetz haben vielen
Entfernung von 1700 Mit. Mit der Fertigstellung dieses Monst: zrößten deuischen Zeitungen Veranlassung gegeben, den deuische
regeschützes besißzt Deutschland das ichwerste gezogene Küsten dandel und insbesondete die deutsche Industrie in manchmal nir
geschüt. hr schmeichelhafter Weise zu kritisiren. Wir lönnen allerdings ni⸗
Ofenheim hat an dem Tace, an welchem er von dem eugnen, daß bei uds im gewerblichen Leben noch Vieles im Atge
Schwuͤrgerichte freigesprochen worden ist, einen Prozeß von zwei⸗ liegt, aber denvoch halten wir es für Unrecht, wenn im Allgeme
sundertiaujead Gulden gegen die Stadt Pesth gewonnen, und zwar nen kehauptet wind, doß insbeserdere der deuische Handwerker
auch in einer Eisen bahnangelegenheit. nicht bestrebe, vorwärts zu schreiten. Wer das deuische Gewerhe
p'Paris.gteiter, weidde seit mehreren Tagen in einem ieben naͤher lennt, der wes, daß nach Beendigung des deutj⸗
Hause Rue de la Grande Truanderie beschäftigt waren, machten französischen Krieges eine gößete Anzahl Fachblätter und Vere
ei der Aushebung des Erdbodens zu einem Neubau eine interes- deufscher Handwerker und Fabrikanten gegründet wurden, wele
ante Endeckung. Sie förderten nämlich kine grioße vierecdige den Zwed haben, die betreffenden Gewerbe zu heben. Möge
Steinplatte zu Tage, welche auf der einen Seite die Epurch! uns hier erlaubt sein, einen Vercin näher zu betrachten, wir mein
Jarker Abyutzung trug, gleich als sei Jahrhunderte lang über ihre den „BDerein deutscher Blecharbeiter.“ —X
Fläche ein Strick oder eine Kette dahingeglitten. Man ha
augenscheinlich ein Stück einer Brunneneinfassung vor sich, und
oar vorausfichtlich von dem im alten Paris einst so berühmten
iebesbrunnen. Auf einer Seite des Steines nämlich sind fol⸗
zJende Worte eingemeißelt:
L'amour m'a rofait
En 1525 tout à fait.
Der „Liebes-Brunnen“ war dadurch berühmt geworden, daß sich
n ihn zur Zeit Phil: pp August's ein junges Mädchen voller Ver—
weiflung uüber die Untreue ihres Geliebten hineinstürzte. Seit
iesem Vorfalle wurde der rowantische Ort, welchen einst mächtige
Bäume beschattesen, zum Stelldichein zärtlicher Pärchen, und noch
nehrmals suchten dort unglücklich Liebende den Todt. So unter
Franz J1. tin junger Mann, der lieber sterben, als die sproͤde
Zurückhaltung seiner Schönen laͤnger erlragen weollte. Der Sprung
chlug indessen zu seinem Heile aus, denn er fiel weich und ward
zesund und munter wieder herausgezogen; das Mädchen, von so
Ziel Liebe besiegt, reichte ihm ihre Hand, uud aus Dankbarkeit
ließ er den Brunnen, der bereits zu zerfallen begann, renoviren
ind die oben erwähnte Schrift einmeißeln.
Man schreibt aus Toulouse: „Der Strile der Arbeiter
nnen in der Tabakmanufaltur, den man beinahe als beendet be⸗
rachtet hatte, hat zugenommen. 1200 Cigarrenmacherinnen haben
sich geweigert, wieder an die Arbeit zu gehen. Es haben mehrere
luftaufe siattgefunden. Die Polizei und die Gendarmen mußten
inschreiten und etwa zwanzig Weiber sind verhaftet worden.“
Ein nener Apelles.) Ein Amerikaner ist von einem Pariser
Maler schlau düpirt worden. Der Künstler hatte ein Bild: „Der
Tod des Pudels“ gemalt und einen Hund durch Schläge so ab—⸗
erichtet, daß das Thier bei dem Anklick des Bildes jedesmal zu
Hinmern und zu heulen begann. Er lud einen Amerikaner zur
Befichtigung des Gemäldes ein und nahm dabei zugleich den Hund
min. Als dieser nun vor dem Bilde jämmerlich heulte, hielt der
kunstsinnige Yankee das Lamentiren für einen Ausdruck des durch
den Pudeltod“ hervorgerufenen Schmerzes und kaufte das Bild
zu einem enormen Preise.
London, 21. März. Der Pall Mall Gazetie wird ge⸗
neldei: Ein schrecklicher Doppelmord wurde in Fulham bei Colche⸗
ler verübt. Thomas Johnson, ein schwachsinniger Mensch, der
n Colchester bei einem Verwandten wohnte, verließ letzte Nacht
jeimlich seine Wohnung und ging nach Fulham, wo sein alter
Hater und seine Mutler lebten. Et iodtete beide durch Schläge
ni! einem Feuereisen auf den Kopf.
Die Situalion der Arbeitssperte in Südwales will sich noch
mmer nicht beßern, vielmehr scheint sich der Kreis des Strikes
rweitern zu wollen. So kündigten gestern die Eigenthümer der
Fohlengruben von Pembroljhire ihrem Arbeitspersonal eine Lohn⸗
edautiön von 10 Prozent an. Da die Arbeiter sich weigerten
zieselbe zu acceptiren, ließen die Meister sofort ihre Zechen schließen.
Das Kohlenseld von Pembrolhshire ist groß und die Zahl de—
lebeiisiosen in Südwales hat sich somit um 2000 vergrößert.
4 Nach einem englischen Blatte können alle Pfähle unzerstör
har çemacht werden, wenn man sie mit geklochtem Leinöl bestreicht
in welches man so viel Holztohlenstaub eingerührt hat, bis de
Mischung die Consistenz dewöhnlicher Oelfarbe besitzt. Der Erfinde
agt, daß so behandelte Pfahle, nach sieben Jahren aus der Erde
gejogen, noch in demselben Zustande waren. wie zur Zeit de—
rinsteckens.
Der Teufel (schreibt Börne) fürchtet sich nur vor zwe
Dingen, die eben so schwarz aussehen, wie er seibst, vor der Tin
ind vor det Bocdruckerschwärze: damit nur kann man ihn voer
trtiben.