Full text: St. Ingberter Anzeiger

Si. Ingberrer ZAnzeiger. 
der St. Ina berter Anzeiger (und das mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt, mit der Dienztags⸗, Donnerstags⸗ und Sonntags 
hummer erscheint wochentlich vie rmal: Dinbtag, Donner stag, Samstag und Sonntag. Absnnemenlsvreis vierteliährig 42 Krzt. eder 
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4 87 Samstag, den 5. Juni — 
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Deutsches Reich. 
—München, 2. Juni. Durch Kriegsministerialrestript wurde 
verfügt, daß auch in diesem Jahre wieder zahlreichere Beurlaubun⸗ 
gen zur Zeit der allgemeinen Ernte gestattet werden können; d'e 
u diesem Zwecke beuriaubten Mannschaften müssen aber spätestens 
ig zum Beginne der Regiments-Exerzitien wieder bei ihren Ab⸗ 
he lungen eingerüctt sein. 
Mäünchen, 2. Juni. Zu den größeren Manövern einiger 
xreuß. Armeekorps werden mehrere höhere bayer. Officiere des Ge⸗ 
eraistabs, sowie der verschiedenen Waffengattungen abgeordnet, 
dahrend den Mansvern der beiden bayer. Armeekorps mehrere 
höhere Officiere der preuß. Armee beiwohnen werden. 
München. Der „Südd. Pr.“ geht von unterrichteter Seite 
e Mittheilung zu, daß nicht, wie es neulich hieß, die bayerischen 
dreuzerstücke demnachst eingezogen werden sollen, sondern die alten, 
is 1783 geprägten, sog. gewalzten Dreißigkreuzer⸗ und Füůnf⸗ 
ehnkreuzer⸗ Stücke, und zwar deshalb damit sich das Publikum nicht 
zurch Hingabe an Wechsler derselben mit Verlust entledige. 
Veriin, 1. Juni. Als die Quintessenz der Ausführungen 
dord Derby's in der gestrigen Oberhaussitzung ist wohl die Con 
jaticung der Thatsache zu betrachten, daß die englische Regierung 
it dem Anerbieten ihrer guten Dienste in Berlin vermitteln woll⸗ 
zwischen Deutschland, welches die französischen Rüstangen als 
go bereiiungen zu einem demnächst gen Kriege betrachtete und Frank⸗ 
ich, welches in den deuischerseits erhobenen Vorstellungen nur 
nen Vorwand sah, dessen sich die Reichsreg'erung bedienen wolle. 
in den Krieg gejen Fiankreich zu erneuern. England wollte da⸗ 
uuf beiden Seiten b ssehende Mißtrauen beseitigen. Welcher Art 
an Ergebniß der englisch-russischen Vorstellungen gewesen, darüber 
at Derby jede Erkrärung vermieden. Thatsache ist, daß der deut⸗ 
he Boischafter in Paris seit der Mittie April nicht mehr auf die 
rüheren Vorstellungen wegen des Cadresgesetzes zurückgekommen 
vo und daß der Reichskanzler die ihm untergeschobenene Absicht, 
on Frankreich die Einstellung der Armeeorgan sation zu verlangen. 
Abrede geftellt hat. Unter diesen Umständen kann es nicht 
— E Resultat der Kri⸗ 
iiz bezeichnen, das die Großmächte das Recht Frankreichs anerkannt 
hatten, die Armeeorganisation in dem beabsichtigten Umfange durch⸗ 
ufühhren. — Der Reichskanzler, welcher h'erher gekommen ist, um 
n König und die Königin von Schweden zu begrüßen, wird vor 
aussichtlich schon morgen Berlin wieder verlassen und sich zu einem 
längeren Aufenthalt nach Varzin begeben. Von einer Wiederholuno 
er Kur in Kissingen ist nicht mehr die Rede. 
Berltin, 2.“ Juni. Der Koͤnig von Schweden ist heute nach 
Dresden abgereist. Der Kaiser und der Kronprinz holten den 
adnig vom Schlofse ab und begleiteten ihn bis zum Bahnhof 
Der Abschied hatte den berzlichsten Charakter. Der Kaiser über—⸗ 
— V 
Der „Koͤln. Ztig.“ wird telegraphirt: Fürst Bismarck hat 
dem schwedischen Königspaare seine Aufwartung machen wollen, aber 
Ze. Majestal den Koͤnig verfehlt. Konig Oskar fuhr darauf beim 
wswärtigen Amte vor, um den Fürsten zu besuchen, —raf ihn aber 
benfas nicht zu Hause. Gleichwohl hat der Koönig den deutschen 
Reichstanzler gesprochen und ihm eine besondre Auszeichnung wider⸗ 
jahren lassen, indem er ihm den höchsten schwed schen Orden, das 
Broßlreuz des Seraphinen-Ordens, verlieh. 
Der „N. bad. Losztg.“ wird aus Mannheim von einem 
dffitier berichtet, drꝛr die zur Einübung des neuen Gewehres ein— 
derusenen Refervisten, Männer, welche den Krieg miigemacht und 
welche großentheils den gebildeten Ständen angehören, folgender⸗ 
maßen traltirt: „Saubande,“ „Bücgerbande,“ „Bengel.“ „Lüm⸗ 
mel“ Saulkerl,“ „Wie trägt denn der Jude wieder sein Gewehr!“ 
xc. zc. Der Name dieses epaulettirien Rüppels ist, dem Gewährs: 
mann der „N. bad. Ldeztg.“ zusolge, Premietlieutenant Frhr. v. 
Windisch. 
In Freiburg i. B. verabreichte ein Unteroffizier dem als 
riniahrig⸗ Freiwilligen dienenden Sohne des früheren Oberbürger— 
meisters, Landtagsabgeordneten und bekannten liberalen Parteifüh— 
ters Fauler beim Exerzieren eine schallenrde Ohrseige. Der junge 
Mann beherrschte sich und meldete den Vorfall. 
Frankreich. 
Pacis, 31. Mai. Die große Truppenrevue über die Gar—⸗ 
nison von Paris, welche im Boulogner Wäldchen statthaben soll, 
st von dem Marschall Mac Mahon auf Sonntag den 13. Juni 
estgesetzt. 
Paris, 1. Juai. Obschon die Franzosen froh sind, jetzt 
yor Krieg bewahrt zu sein, so will ihnen doch die pldtzliche, em⸗ 
chiedene Einmischung Englands in die europäischen Angelegenhei⸗ 
en gar nicht zusagen. Mürrisch referiren die Blätter über diege⸗ 
trige Auseinandersezung Derby,s, welcher von französischen Rü⸗— 
tungen (preparatiss (zum Kriege sprach. Die „Debats“ troösten sich 
»amit, daß Fraukreich noch lange nicht mit seiner Armeeorganisation 
ertig sei, und deßhalb die Diensie Englands gerne annehme, das 
den Krieg so lange hintertreiben müsse, bis die Franzosen ihn mit 
kErfolg führen könnten. — Die französische Ostbahn läßt jetzt präch⸗ 
ige Eisenbahnwagen, nach amerikanischem Systeme, mit Speiser und 
Schlafcabineten ausgestattet, bauen, welche auch von Paris, nach Ay— 
ricourt laufen. — In Fruzeres (Puy de-dome) wurden 5 Bergleuite 
yucch schlagende Wetter getödtet. 
England. 
London, 2. Juni. Die handelsamiliche Untersuchung über 
den Untergang des Dampfers „Schiller“ begann vor dem Green— 
vicher Polizeigericht. Die Compagnie bestritt die Competena des 
englischen Serichts, über ausländiges Schiffseigenthum abzuurthei⸗— 
en, will übrigens dem Gerichtshofe bei der Untersuchung de ilflch 
sein, ohne Prajudiz für die Interessen im eigenen Lande. Der 
Rechtsbeistand des Handelsamts ertlärte den Gerichtshof für com— 
vetent. Man sieht dem Resultat mit dem größten Interesse ent— 
gegen. 
Bermischtes. 
* Wie alljährlich, findet auch heuer wieder ein Pferderennen⸗ 
verbunden mit bereits genehmigter Verloofung in Zoeibrücken 
Statt; eine Zeit hierzu ist vorerst noch nicht f'rirt, jedenfalls aber 
vartet man die Militärmanöber ab. Anmeldunagen hierzu sind 
zereits in Masse eingela fen and verspricht demaach diese Festlich— 
leit eine recht besuchte zu werden. 
T EGellene Preisverhältnisse) In Folge dir günstigen 
Bitterung sind die Kartoffeln derart im Preise gesunken, daß der 
Tentner, so wie sie der Stock gegeben, zu 18 bis 20 kr. berkauft 
vird. Da nun das Dutzend Eier gegenärtig 18 kr., ein Pfund 
Butter 45 kr. ein Milchferlel 12 fi, ein guies zehntäg'ges Kalb 
20 fl. kostet, so erhält man für ein Dutz⸗nd Eier 100 Pfund 
Kartoffeln, für ein Pfund Butter 200 Pfund, für ein Milchferkel 
2600 Pfund, für ein Kalb aber 6000 Pfund oder hunderimgi so 
odiel als das Kalb Schlächfersewicht liefert, urd zweihundertmal so 
wiel. o1s ein Milchferkel (a 18 Pfund) lebend wiegt. 
(Zweibr. 3.) 
Bergzabern, 2. Juni. Vorgestern Abend ereignete sich 
»as Unglüdk auf der Kapeller Straße, dah der Aders nann Schopfer 
von Barbelroth, der in betrunlenem Zustande auf seinem Pferde 
jaß, von demselben herabfiel und von den Rädern desmit Sleinen 
beladenen Wagens zerdrückt wurde. Derselbe ist erst 36 Jahre 
alt und war nichts weniger als ein Gewohnheitste'nter. (S. W.) 
Unsere Münchener Correspondnz (schreibt die Pfälzer Posi) 
neldet uns über Jugendverwilderung aus Kaiserslauterge 
dieser Tage war fast die ganze Sitzung des l. Poiizeigerichts der 
hoffnungsvoll aufblühenden Kaiserslauterer Jugend“ gewidmet, vas 
den Richter sowohl, als auch den Polizeianwalt oft zur höchsten 
gemerkungen veranlaßte. So wurden u. A. zwei Werktagsschüler 
zu je 3 Tagen Gefangniß verurtheilt, weiche, als ihnen der Leh⸗ 
er wegea behartlichen Nichtbesuchs der Schule mit Anzeige drohte, 
die bekannte Götz d. Berlichingen'sche Einlodung an ihn erließen. 
Wie auch an den höheren Lebranstalten ein köorderlicher und geist ger