Full text: St. Ingberter Anzeiger

Kückzang an Schllern immer mehr sich bemeckbar maht, und 
war meist aus Ssyuld der weitaus meisten Kost- und Wohnungs— 
geber derselben, welche ihre Pflegebesohlenen nicht bloß ohne alle 
Aufsicht lassen, sondern sogar die Liederlichkeit derselben noch beför⸗ 
dern, beweist ein jünast in Umlauf gesetztes Circular des Recto— 
rates der Kreisgewerbschule wodurch die Kostleute auf den geistigen 
und fittlichen Rückzang der Jugend, auf den mangelnden Lernfl:iß 
uind das ungeziemende Betragen derselben aufmerksam zemacht und 
die Pflicht ans Herz gelegt wird, den ihnen anvertrauten Jüng— 
lingen die nöthige Pflege und Aufsicht angedeihen zu lassen. Zu— 
gleich wird den Kostzebern eine Tagesordaung für ihre Schüler 
iund der gemessene Auftrag ertheilt, renitente Schüler demnk. Reb 
torate zur Anzeige zu bringen. 
f Wolfstein, 1. Juni. Von der gestern hier tagenden ersten 
Jahresversammlung des Bezirkslehrervereins Lauterecken-Wolfstein 
vurden folgende zur Befürwortung au den Kreisvereinsausschuß 
gestellte Anträge, die Regulirung der Lehrerpension betr.,, mit 
Stimmeneinheit beschlossen: 1) Die Pension eines Lehrers steigere 
sich in kürzeren Zeiträümen nach einer bestimmten Scala, bis sie 
zach zurückzelegten 40 Dienstjahren dem Gehalte gleichkoment; sie 
darf denselben in späteren Jahres aber nicht übersteigen. 2) Die 
Eintritisgebühren und der jährliche Beitrag richten sich?im Proceat⸗ 
satze nach dem zu beziehenden Gehalte oder das b'sherige Princip 
moͤge fortbestehen. 8) Wird ein Lehrer krank, so übernehme der 
Pensionsverein auf beschränkte Zeit die Verw isungskosten; dem er⸗ 
frankten Lehrer dagegen sei der Gehalt ungeschmälert belassen. 
In Bahyern bestehen jetzt 2058 Feuerwehre‘. Nach den 
zisherigen Durchschnittsergebnissen berechnet sich diese Feuerwehr⸗ 
armee auf circa 125,736 freiwillige Feuecwehrmünner. In jenen 
Orten, wo organisirte Feuerwehren bestehen, beträgt die Zahl der 
diesen meist zugetheilten Pflichtfeuerwehrmänner 76,0836, somit ent⸗ 
ziffert sih im Ganzen ein Bestand von 200,772 Mann. Die 
Zahl der bayerischen Feuerwehren hat sich seit Gründung des baheri⸗ 
schen Feuerwehrverbandes, also in 7 Jahren, verzehnfacht. 
„*, Wie neue Erfindungen gewöhnlich erst durch Vervollkomm⸗ 
nung bei ihrer practischen Anwendang wahrhaft nützlich werden, 
o ist dies auch mit den Dachpappe-Dächern der Fall. Diese 
Dächer, welche vor den schweren Stein⸗- und Ziegel-Dächern große 
Vorzüge haben, hatten jedoch noch Mängel, die bisher noch nicht 
zu vermeiden waren; namentlich war das im Sommer dabei häu— 
fig wiederkehrende Abträufeln von Pech und Theer ein höchst un— 
angenehmer Umstand. Durch einen Cementfirniß, welcher aus der 
Fabrik von H. Stolle u. Co. in Berlin hervorgeht und auf 
drie Dächer angewaudt wird, ist es nun gelungen, diesen Uebelstand 
owohl gänzlich zu beseitigen, wie es auch hierdurch erreicht wird, 
den Dächern eine große Festigkeit und Dauer wie auch ein besse— 
res Ansehn zu geben, uad hat sich dies Material schon seit Jah⸗ 
zen volltommen bewährt. 
fGEin Lentschlossener Cadet.) Ein Schüler des Mars, welcher 
erst kürzlich ins Berliner Cadettenhaus eingetreten war, thet sich 
zütlich in einer Restauration. Als er dieselbe verlassen wollte, 
zewahrte erzum großen Verdruß seinen Oberst, dessen Erscheinen ihn 
schnell daran erinnerte, daß er durch den Besuch der Restauration 
einen Arrest von 24 Stunden verwirkt habe. Doch kurz entschlossen 
tritt zr auf einen daherkommenden Herrn in Civil zu, legt seinen 
Arm in dessen Arm und bittet um die Erlaubaiß, so lange mit 
ihm gehen zu dürfen, bis sie an dem daherschreitenden Ob rst 
borüber seien. Bere twillig wird das zugestanden. Nachdem sie 
nun an dem sehr devot grüßenden Herrn Oberst vorbei sind, erzählt 
der Cadett seinem Begleiter, daß in seiner Anstalt ein Tisch „ge⸗ 
führt würde, den er von Hause aus nicht gewöhnt sei, und babe 
er sich darnm in die Restauration begeben, um sich einmal oLdent⸗ 
lich satt zu essen. Da ihm nun le'der sein Oberst begegnet fa und 
er esnen 24stündigen Arrest habe erwarten müssen, so sei er dreist 
gewesen, sich diese Begleitung zu erbitten, für deren Gewährung er 
uun bestens danke. Andern Tags beim Antreten wird unser 
Cadett vom Oberst vorgerufen. „Wer war der Herr, mit dem Sie 
zestern gingen?“ Antwort: Pein Oakell „So?“ läßt sih der Herr 
Oberst weiter vernehmen, „seit waunn ist denn Se. königl. Hoheit 
)er Prinz Friedrich Karl Ihr Ontel?“ Da hierauf die Antwort 
natürlich ausdleibt, sährt er fort: „Se. königl. Hoheit haben be 
fohlen, daß Sie von den 24 Stunden Arrest, welche Se durch 
Uebertrelung des Reglements verwirkt haben, nicht zu befreiensind. 
In Anbetracht Irer Eutschlossenheit jedoch, welche Sie in Ihrer 
Jestrigen Laze gezeigt haben, bin it beauftragt, Ihnen mitzutheilen, 
daß Se—. lönigl. Hoheit Ihre Beköstigung so lange bestreitet, als Sie 
Tadelt sind, indem er erwartet, daß Sie später als Offizier vor 
Zemn Feinde gleich eutschlossen handeln werden. 
F Ein gefälschtes kaiserliches Geschenk. Ein bekannter Künst 
ler in Berlin bal den Kaiser Alexander — so berichtet das „Fetf. 
J.“ — um eine Aud'enz; er hatte den Kaiser zu Pferde kürzlich 
in Petersburg genalt und eine Uhr zum Geschenk erhelten. Der 
Kaiser halte die Uhr mit kostbaren Diamanken verzieren lassen un 
so zur Versendunz übergeben, aber die Vorliebe der russischen B 
amten für Edelsteine hatte sich auch bei dieser Gelegenheit gelten 
ze nacht. Sie behielten die Diamanten und sandten die einfach 
Ahr an den Maler nach Berlin. Im Laufe des Gesprächs fragt 
daiser Alexander den Künstler, ob er das Geschenk erhalten. Da 
Maler bejahte und dankte und zeigte die Uhr vor. VDer Keise— 
vurde stutzig, besah die Uhr genauer, legte sie bei Seite und üher 
reichte dem Maler seine eigene mit den Worten: „Nehmen Si 
Je meinige; die, welhe ich Iynen bestimnmt, sah arsprüugzlich eben 
o aus.“ 
FKarlsruhe, 31. Mai. Der weitaus größte The 
des Dorfes Krenkinzen bei Thiengen ist am Fronleichnamsta 
ibgebrannt. Das Pfarrhaus erläßt unter Darstellung des herrschen 
)en Elendes einen Hilfe-Aufruf. 20 von 41 Häusern und geraod 
zie größten sind abgebrannt, eia Theil des Viehstandes und zah' 
eiche Vorräthe sind vernichtet. 
(Das große Loos.) Wie die „G. N.“ hören, ist ein Schrin 
etzer in einer Görlitzer Buchdruckerei, den Fortuna schon mehr 
gals mit kleineren— Gaben beschenkt hatte, nun durch sie mit einen 
S„chlage zum woblhabenden Manne gemacht worden, indem sie den 
dotterieloose an welchem er mit einem Achtel betheiligt ist, den 
»auptgewinn von 300,000 Mark zugewiesen hat. Wer so glückli 
zesetzt hat, der braucht natürlich nicht weiter zu setzen, und es ij 
»rher erklärlich, daß der kKeue Crösus nun als „Rentier“ sich de— 
heschenks der blinden Göttin erfreut. 
F Ja Allona ist am 16. Mai der Bugsir-Dampfer Sompfo 
iuf der Elbe durch Kesselexplosion in die Luft geflogen. Von 
den 5 Mann Besatzung ist bis jetzt keine Spur gefunden. 
Metz, 1. Juni. Den Herren Lamarche und Schwarz zu Sit 
Johann ist auf Grund der Muthung vom 9. November v. J 
inter dem Namen ‚Gernania“ das Bergwerks-Eigenthnm in der 
Hemeinden Roncourt, Monto 85-Malaucourt und Marauge im Land 
treise Metz und im Vezirke Lothringen belegenen Felde, welches er 
nen Flächeninhalt von 1,999,921 Quadratmetern hat, verlieher 
worden. 
F Hagenau, 31. Mai. In der Nacht von gestern ar 
jeute wurde in das Geschäfts-und Kassenzimmer der Güterhalle au 
hiesigen Bahnhofe ein frecher Einbruch vecübt. Als heute früh die 
»aselbst beschäftigten Beamten dasselbe betreten wollten, fanden site 
die Thür erbrochen und den feuerfesten Kassenschrank aus der Wand 
in welche er eingemauert gewesen und durch fußlange eiserne Klam 
nern festgehalten war, herausgerissen und fortgeschafft. Bei den 
ofort angestellten Nachsuchungen fand man den Schrank vor den 
Bitscher Thore ia Stücke zerschlagen und dabei einen einem Mau 
rer entwendeten Schiebkarren, auf dem die Diebe den eiwa 4 Cent 
ier schweren Kassenschrank daher gebracht hatten, wo sie ihn unge 
tört zerirümmern konnten; denn alle Versuche, ihn regelmäßig zu 
yffnen, waren, wie die Spuren zeigen, bei der lunstvollen Einrich 
ung des Schlosses erfolglos geblieben. Glücklicherweise hatte der 
Schtank nur einen Inhalt von etwa 50 Mark. 
F Im Laufe des vorigen Jahres wurde ein Verfahren eu 
)eckt, um sogen. Hartglas zu machen, d. i. ein Glas, das bedeu— 
end weniger zerbrechlich ist, als das seither fabrizirte. Ueber dieß 
ẽrfiadung. deren große wirthschaftliche Vedeutung klar in die Augen 
pringt, ist indeß so viel Wahres und Falsches, so viel Uebertriebe 
ies und Unrichtiges verbreitet worden, daß eine verlässige Mit 
heilung über den Sachverhalt gewiß vollkommen sein wird. Eine 
olche kommt uns von dem Patentgeschift des Ingenieurs P. Bar— 
hel in Frankfurt a. M, welcher die deutschen Patente für den 
krfinder besorzte, zu, die wir hiermit wiedergeben. Der Erfinder 
)es sogen. Hariglases, fälschlicher Weise unzerbrechliches Glas ge 
riannt, ist ein Franzose Namens Boyer de la Bastie in Chateau 
Richemont bei Pont d'Aine. Derselbe fand durch eine Reihe vor 
Bersuchen, daß man gewöhnliches Glas viel widerstandsfähign 
nachen könne, wenn man es auf eine besondere Weise abkühle. In 
Besentlichen besteßt das Verfahren in Folgeudem: Unter Aus— 
chluß von Luft wird das Glas in einem Ofen so weit erhißzt, bi— 
s in einen dehobaren Zustand kommt; nachdem dies geschehen 
»ringt man es in ein Oel⸗ oder Fettbad, dessen Temperatur zwu 
ruch eine sehr hohe, d'e aber doch niedriger ist, wie die des Gla 
es. Man kann dazu Fett thierischen, vegetabilischen und mine 
ralischen Ursprunzs nehmen. Das so behandelte Glas besitzt nach 
einem Austritt aus dem Ofen, und nachdem es abgekühlt ist, eine 
Art metallischer Härte, es wird solider, so dasselbe heftigen Stößen 
insgesetzt werden kann, ohne daß es bricht. Nah Versuch vor 
Ziemens in Dresden ist dasselbe fünfzigmal stärker als gewöhn 
iches. Die Kosten des gehaͤrteten Glases sind unbedeutend höhet 
ss die gewöhnlichen, Fur 8210,000 uUhrgläser betragen die 
elben kaum 20 Fres. Man wirod das gehärtete Glas bei seine 
Festigleit und seiner Widecstandsfähigleit gegen das Echihen 3 
iner Menge von technischen und häsislichen Zveden benutzen löanen