Full text: St. Ingberter Anzeiger

on Zielen die Partei liebäugelt, die sich die „patriotische“ zu nen⸗ 
zen beliebt. (Pf. Kur.) 
Muünchen, 20. Juni. Das Centralcomite des bayerischen 
gereins zur Plege und Unterstützung im Felde verwundeter oder 
atrankter Krieger hat sich für das Laufende Jahr bereit erklärt, in 
inzelnen Fällen, in welchen Folgezustände der im Krieg 1870,71 
erlitienen Verletzungen oder entstandenen i neren Leiden den Gebrauch 
hestimmter Kurorte höchst wünschenswerth erscheinen lassen, für Unter: 
zringung und Plege der hiefür bedürftig befundenen Indaliden in 
isheriger Weise Sorge zu tragen. Das kgl. Kriegsministerium wird 
Fe in dea Vorjahren, den einer solchen Kur bedürfenden Angeho— 
igen der Armee vom Feldwebel abwärts die Mittel zur Bestreitung 
zaͤ Reisckosten und kleiner Bedürfnisse an dem Kurorte gewähren, 
vähtend es den darch den Krieg untauglich gewordenen, mit Pen⸗ 
— verabschiedeten vormaligen Un'eroffizieren und Soldaten nur die 
Reisekosten vergütet, welche ihnen von den Kreisousschüssen des ge— 
sannten Vereins vorschußweise bezahlt werden. Für die 8. Eisen— 
zahntlasse ist halbe Fahrtaxe gestattet. 
F München, 20. Juni. Der oberste Gerichtshof hat in 
nem vor einigen Tagen erlassenen Urtheil ausgesprochen, daß die 
emähß 8 19 Abs. 2 des Reichspreßgesetzes vom Strafgerichte ange⸗ 
Idnete Aufnohme eiuner Berichtigung durch wiederholte Strafeinschrei⸗ 
ungen erzwungen werden kann. Aus den Entscheiduugsgründen ist 
sichtl'ch, daß der Gerichtshof die nach 811 des angeregten Gesetzes 
zestehende Pflicht des verantwortlichen Redalteurs einer period schen 
— 
inverändert aufzunehwen, durch die enmal nach 8 19 Abs. 1. Ziff 
3 ibid. erfolgte Bestrafung nicht als aufgehoben erachtet, sondern 
dielmehr der Ansicht ist, daß bei jeder Nichtbefolgung der im Urtyheil 
muszusprechenden richterlichen Anordnung der Aufnahme — entzegen 
er Behauptung des Nichtigkeitsbeschwerdesührers, daß im Gesetze be 
ondere Zwangsmittel jür die vom Strafgerichle angeordnete Aufnahme 
zicht vorgefehen seien — der 8 19 Abs. J1 Ziff. 3 neuerlich zur 
Anwendung zu kommen habe. 
München, 22. Juni. Heule Nachmittag hat auf hiesigem 
nördlichen Frieohofe das Begräbniß des nach langjährigem Leiden 
vporgestern dahier verstorbenen, vrdienstvollen und einst vielgenann⸗ 
en Submarine-JIngenicurs Wilhelm Bauer stattgefunden. Der Ver— 
eble, welcher ein Alter von nur 53 Jahren erreichte, war char. 
uss. Major, Inhaber des Verdienstkreuzes des Sächs. Ernestin schen 
dausordens, Ehrenmitglied und Meister des freien deutschen Hoch: 
uͤftes ia Frankfurt a. M. ꝛ⁊c. 
F In Augsburg hat sich ein beurlaubter Soldat durch einen 
Schuß in dies Schläfe das Leben genommen. 
Nürnberg, 24. Juni. Heute, als am ersten Jahrestage 
der Errichtung des Hans Sachs-Denkmals brachte der Verein der 
siesigen Schuhmachermeister dem unsterblichen D'ichtee und Mei— 
tersänger, welchen sie stets mit Stolz als den ihrigen nennen, ein 
Morgenständchen. Nach vorgegangener Musik und Gesang des bei 
„et Enthüllung vorgetragenen Festlicdes von Priem, komponirt von 
J. Grobe, sprach der Vo stand des Vereins, Herr Keller, gegen 
as Denkmal gewendet, folgende Worte: 
Vor Jahresfrist da standen wir 
Zum ersten Male, Meister hier, 
Als eine festlich frohe Schaar 
Den Weihegruß Der brachte dar. 
Heut' zog uns wieder Herz und Sinn 
Zu Deinem Denkmal freudig hin, 
Auf's Neu den Ehrenkranz zu schlingen 
Und Dir zum Namenstag zu bringen, 
Denn was einst Meister Goethe sang 
Gar üif in uns're Herzen drang: 
„Ein Eichkranz, ewig jung belaubt, 
Den setzt die Nachwelt Dir auf's Haupil“ 
uls die Bekränzung des Denkmals erfolgt war, wendele sich der 
z„precher zu dem Publikum mit den Schlußstrophen: 
Dem Geiste, der in Lied und Wort 
Lebt ewig in den Herzen fort, 
Der mit vertrieb der Zeiten Nacht 
Sei unser dreifach Hoch gebracht! 
Hhesang und Musitk schlossen die einfache würdige Feier, der ein 
ahlreiches Pablikum, vorwiegend aus dem Arbeiterstande, beiwohnte 
Nachmittags 4 Uhr hat zu Ehren der Schuhmachervere'n ein Con⸗ 
zert im Billeitersgarten veranstaltet. 
fSaarbeücken, 22. Juni. Ungefähr 9 h'er wohnende 
Strolche und Sonnenbrüder hatien sich gestern Abend 2 Faß Bier 
mnuf den Exerc'erplatz geschafft, und sich dort in Gesellschaft einer 
iederlichen Dirne viehisch betrunken. Letztere wurde von den rohen 
Vesellen entsetzlih m'ßhandelt und halbnackt und halberwürgt, mit 
zinem Strick um den Hals, witten auf dem Platze liegen gelassen. 
Porübergehende fanden das Frauenz'mmer und vrachten ihm Hülfe 
luf die Burschen wurde noch gestern Abend, jedoch vergeblich, ge— 
quoet; heute werden sie wohl alle polizeilich sistirt seia und einer 
ꝛxemplarischen Bestrafung nicht entgehen. — Die Sittlichkeitsver⸗ 
brechen in unserer Gegend scheinen sich in schreckenerregender Weise 
zu vermehren. Wir vernehmen, daß gestern wieder ein Mann aus 
Sulzbach wegen eines solchen ins hiesige Justizarresthaus eingelie— 
jert wurde. 
F Mannheim, 22. Inni. Der Necddar ist seit gestern um 
mehrere Fuß gewachsen, so daß ein Theil der Bleiche uner Wasser 
leht und die Neckar-Bade-Anstalt circa 60 Schrilte vom Ufer ent⸗ 
sernt ist. 
T. In dem badischen Orte Leopoldshöhe bei Basel hat sich 
im dorltigen Postbr'efkasten, wie im vorigen Jahre, so auch lheuer 
wieder ein Vogelpaar, Rothschwänzchen, ein Nest gebaut. Es läßt 
sich weder durch das Abholen noch durch das Einwerfen dier Briefe 
stören. Fallen Briefe dem Neste allzu nahe, so werden sie von 
den Rothschwänzchen sachte zur Seite geschoben. 
FAus dem Großherzogthum Hessen, 15. Juni. In Als-⸗ 
heim in Rheinhessen hat vorgestern ein entlassener Eisenbahnarbeiter 
auf einen jungen Menschen, als derselbe ahnungslos zum Bahn⸗ 
jof schritt, meuchellings zwei Schüsse abgefeuert und ihn so stark 
verletzt, daß wenig Hoffnung vorbanden ist, das Leben zu erhalten. 
Fine Stunde darauf gab sich der Meuchelmörder mil derselben 
Waffe den Tod. Die Ursache der traurigen Katastrophe ist in dem 
Imstand zu suchen, daß der doppelte Verbrecher glaudie der junge 
Densch habe seine Entlassung bei der hessischen LudwigsbahmGe— 
ellschaft veranlaßt. 
tOffenbach, 17. Juni. Geftern Abend 11 Uhr wurde 
ein Dienstmädchen von einem verschmähten Liebhaber aus Eifersucht 
durch zwei Stiche in Hals und Seite schwer verletzt. Der Thäter 
st verhaftet. 
F Aus Thüringen. Die Berichte über den Wolkenbruch von 
Naumburg siud kaum verstummt, und schon ist eine gleiche Wetter⸗ 
atastrophe über einen anderen Laudstrich Thüringens herengebrochen. 
Der Thüringer Wald (Eisenach, Gotha, Kyffhäuser, Goldene Aue 
und das Reußenland) sind am Donnerstag von Wolkenbruch, Blitz 
uind Hagelschlag iu der traurigsten Weise verheert worden. Mehr 
als zehn Fälle von Blitzichlägen sind festgestellt. In Botha schlug 
der Blitz in das Bahnhofsgebäude, glücklicher Weise ohne von den 
jahlreichen Anwesenden eine Person zu verlehen. Bei Gera wurden 
vier Dörfer durch Blitzschlag betroffen und 12 Gehoöfte, darunter 
die Mühle in Nebdenitz (Haltepunkt der Gera⸗Goßnitzer Bahn) ein⸗ 
Jeäschert. Der Güterschuppen (200 Fuß lang) auf Station Gera 
vwurden von den rasenden Orkanen umgestürtzt, drei Männer töd— 
lich verlezt. Die Dächer wurden von dem Sturme aufgerollt und 
'ortgeführt. Die Verwüstungen, welche dieses Unwetter an Gebaäu⸗ 
den und auf den Feldern angerichtet hat, sind im vollen Umfange 
noch gar nicht abzuschätzen. Namentlich in der Goldenen Aue (Fran⸗ 
enhausen, Artern ꝛc.) sind mächtige Strecken Landes nicht blos des 
iesjährigen Saatenstandes beraubt, sondern die Aecker selbst in Un⸗ 
und verwandelt worden. Die eigentliche Ackerkrumen ist von den 
vilden Regenwogen stundenweit fortgeführt worden. Der üppige 
Wiesenwuchs ist mit fußhohem Gerölle überschüttet und die Heuernie 
ernichtet, urd was noch vom Wasser verschont worden ist, hat der 
dagelschlag vernichtet. 
FPosen, 21. Juni. Cin schredlicher Vorfall ereignete sich 
dieser Tage in dem Dorfe Zendowo bei Schubin (kr. Bromberg). 
In der Nacht vom 17. zum 18. ds. ermordete der dortige Ein⸗ 
vohner Ruchalski, wahrscheinlich in einem Anfalle religiösen Wahn⸗ 
innes, seine Frau und fünf kleine Kinder und machte datauf selost 
seinem Leben durch Durchsch ieidung der Kehle ein Ende, Ruchalski 
war vor echt Tagen erkrankt, doch hatte sih in den letzten Tagen 
sein Gesund eitszastand gebessert. In der Nacht vom Mittwoch 
um Donnerstag weckte er die Frau und lich sihh mit geweihten 
dränzen beräuchern und die Wände mit geweihtser Kreide bemalen. 
Die Frau that dies. Drrauf h'eß der Manm' die Frau und die 
dinder mitten in der Stube niedeckniern und beien, ind i— er hin⸗ 
zufügte, daß er zu Ehren Gottes Blut vergießen werde. Die Frau 
m'ete mit der Kindern hin, betzte laut und gab dabei dem ältesten 
snaben einen Wink, fortzugehen. Der Kaabe entfernte sich eiligst 
und lief zu dem nächsten Nachbar, Namens Brzykoa, welcher sich 
auch sofort in die Ruchalskesche Wohrurg begab. Die Thür stand 
veit offen. Brzytca trat herän uad ertlickte in der Mille der 
Stube eige weiße Masse, bei welcher die Frau händeringend kaiete. 
Brzykca konnte die Siluation nicht begreifen, da es fast völlig 
dunkel war. Da hörte er vom Betle Ruchalsks aas die Worte 
Mütterchen komm her un d knie neben mir hin. Die Ruchalski 
tand sofort auf und kniete neden ihrem Manie nieder, in demsel⸗ 
zen Augenblick durchbohrt das Messer Ruachalstis ihre Brust. B. 
ah noch, daß die unglückliche Frau zur Erde fiel und daß der 
Moͤrder sich ersob, um an der Wand das Messer zu schleifen. 
Darauf entfloh er, um de Nachbarn —XXLL 
urzem hatten sich fünf Männer zusammengefunden, die nach dem 
dause eilten, doch welcher schreckliche Aublick bot sich ihnen dac! 
Fünf Kinder lagen mit aufgeschlitzten Bäuchen auj der Erde und